Invasive forstliche Schadorganismen in Nordamerika im Kontext zu Europa
In Nordamerika sind Wälder infolge von Einwandernden, internationalem Handel und Tourismus traditionell stark von Einschleppungen gebietsfremder invasive Schadorganismen betroffen. Infolge von Globalisierung und Klimawandel gibt es aufgrund der Ähnlichkeiten von Klima, Flora und Fauna zwischen Europa und den USA viele Parallelen.
Nicht-einheimische Arten stellen weltweit eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und die Vielfalt der Ökosysteme dar. Alleine in den Vereinigten Staaten von Amerika sind etwa 50.000 nicht-einheimische Arten eingeschleppt worden und haben sich etabliert [1]. Davon können aber nicht alle als „invasiv“ bezeichnet werden, viele bieten sogar erhebliche Vorteile, zum Beispiel als Rohstoff oder wichtige Grundlage unserer Ernährung.
Die Einschätzung der mit invasiven Arten verbundenen Kosten ist erwartungsgemäß schwierig, weshalb die Angaben hierzu sehr variieren. 1993 schätzte das U.S. Office of Technology Assessment (OTA) für die aus ihrer Sicht 79 wichtigsten invasiven Arten in den USA die Kosten auf jährlich 1,1 Milliarden US Dollar [2]. Bereits einige Jahre später wurden die Kosten auf 137 Mrd. US Dollar jährlich geschätzt, wobei bei dieser Betrachtung eine weitaus größere Zahl von invasiven Arten einbezogen wurde [1].
Letztlich sind beide Zahlen wahrscheinlich Unterschätzungen der wahren Kosten dieser Invasionen. So geht beispielswiese die Bedrohung und Gefährdung von etwa 40% der betroffenen heimischen Arten in den USA in erster Linie auf die Konkurrenz und Verdrängung durch invasive Arten zurück [3], was in solchen Bewertungen oft nicht berücksichtigt wird.
Nicht-einheimische Insektenarten
In den US-amerikanischen Wäldern besiedeln mehr als 455 nicht-einheimische Insektenarten holzige Pflanzen, wovon die Mehrheit aus Europa stammt [4]. Das Übergewicht von nicht-einheimischen Insekten aus Europa spiegelt die lange Geschichte der Einwanderung, des Handels und des Tourismus zwischen Europa und den USA sowie die Ähnlichkeiten in Flora, Fauna, Klima und anderen Faktoren wider.
Zwei der bekanntesten Insekten, die aus Europa stammen, sind der Schwammspinner (Lymantria dispar) (Abb. 1) und die Tannen-Stammlaus (Adelges piceae). 1859 hatte der Amateur-Entomologe Étienne Léopold Trouvelot bei dem Versuch, eine neue Methode zur Seidengewinnung zu finden, den Schwammspinner versehentlich in den Wald um sein Haus in Massachusetts freigelassen. Heute gilt der Schwammspinner als das fünftteuerste invasive Insekt der Welt, das jährlich 3,5 Mrd. US Dollar an Verlusten verursacht [5]. Die Tannen-Stammlaus wurde erstmals 1900 im östlichen Nordamerika entdeckt und ist das neuntteuerste invasive Insekt der Welt [5]. Sie verursacht nun in ganz Nordamerika bei vielen Tannenarten (Abies spp.) Wachstumsverluste und ein Absterben.
Nicht-einheimische Pathogene
In den USA sind Holzpflanzen von mehr als zwanzig nicht-einheimischen Pathogenen betroffen [6]. Zwei der berüchtigteren, die auch in Europa enorme Schäden angerichtet haben, treten beim Esskastanienrindenkrebs und der Holländischen Ulmenkrankheit auf. Vor Einschleppung des Kastanienrindenkrebs, der vom Pilz Cryphonectria parasitica verursacht wird, in New York 1904 dominierte die amerikanische Kastanie (Castanea dentata) die Laubwälder im Osten der USA. Bis 1960 wurde sie dann durch diese Krankheit beinahe vernichtet.
Jahrzehntelang wurden Anstrengungen der Rückzüchtung von chinesischen Kastanien (C. mollissima) mit der amerikanischen Kastanie unternommen in der Hoffnung, resistente Bäume gegen diese Krankheit zu erhalten, die auch mit einem wertvollen Holz und einer ausreichenden Nussproduktion aufwarten können. Nach vielversprechenden Ergebnissen ist der Fortschritt nun nach der Einschleppung einer weiteren invasiven gebietsfremden Art, die asiatische Esskastanien-Gallenwespe (Dryocosmus kuriphilus), gefährdet. Etwa 80% der amerikanischen Ulmen (Ulmus americana) gingen infolge der Holländischen Ulmenkrankheit verloren, die durch den Pilz Ophiostoma ulmi verursacht wird und 1928 in New York zum ersten Mal aufgetreten ist.
Jüngste Entwicklungen
Wie auch in Europa hat in den letzten Jahrzehnten der Handel zwischen Nordamerika und anderen Regionen der Welt, insbesondere mit Asien, in der Bilanz für eine Verschiebung der Herkunft von in Wäldern eingeschleppten invasiven Arten geführt (Tab. 1).
Deutsch. Bezeichnung | Wissenschaftl. Bezeichnung | Herkunft | Erst-nachweis | Hauptwirte in Nordamerika |
Schwammspinner | Lymantria dispar | Europa | 1859 | 200+ spp., Quercus bevorzugt |
Tannen-Stammlaus | Adelges piceae | Europa | ~1900 | Abies spp. |
Esskastanienrindenkrebs | Cryphonectria parasitica | Europa | 1904 | Castanea dentata |
Buchenrindennekrose | Cryptococcus fagisuga mit Neonectria spp. | Europa | ~1920 | Fagus grandifolia |
Holländische Ulmenkrankheit | Scolytus multistriatus (und andere) mit Ophiostoma ulmi | Europa | 1928 | Ulmus americana |
Hemlock-Wolllaus | Adelges tsugae | Asien | 1953 | Tsuga canadensis and T. caroliniana im Osten der USA |
Plötzlicher Eichentod (Sudden oak death) | Phytophthora ramorum | unbekannt | 1995 | Notholithocarpus, Pieris, Quercus, Rhododendron, Viburnum und andere spp. |
Asiatischer Laubholzbockkäfer | Anoplophora glabripennis | Asien | 1996 | Acer, Ulmus und Salix spp. |
Asiatischer Eschenprachtkäfer | Agrilus planipennis | Asien | 2002 | Fraxinus spp. |
Lorbeer Welkekrankheit (Laurel wilt disease) | Xyleborus glabratus mit Raffaelea lauricola | Asien | 2002 | Persea borbonia |
Namhafte Beispiele schließen den Asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) ein, der 1996 in New York eingeschleppt wurde, oder den Asiatischen Eschenprachtkäfer (Agrilus planipennis), der 2002 in Michigan erstmals aufgetreten ist. Ein weiteres Bespiel ist der Ambrosia-Borkenkäfer Xyleborus glabratus, der 2002 nach Georgia verschleppt wurde. Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist zwischenzeitlich auch in Europa weit verbreitet und stellt dort eine erhebliche Gefährdung dar [7]. Dort wurde er erstmals 2001 in Österreich nahe der deutschen Grenze festgestellt.
Der Vormarsch des Asiatischen Eschenprachtkäfers, der aus dem Osten kommend in Russland bereits bis kurz vor die ukrainische Grenze vorgedrungen ist [8, 10], stellt angesichts des in Europa weit verbreiteten Eschentriebsterbens [11] auf lange Sicht eine weitere erhebliche Bedrohung der Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) dar. In diesem Zusammenhang wird auf vielen Standorten beispielsweise die Schwarznuss (Juglans nigra) als Ersatzbaumart für die Esche diskutiert. Jedoch kann dies jetzt auch in Europa spätestens seit dem im nordöstlichen Italien 2013 erstmaligen Auftreten der „Tausend-Canker-Krankheit“ (TCD = thousand cankers disease) [12] nicht mehr uneingeschränkt empfohlen werden. Diese Krankheit wird durch eine pathogene Pilzart Geosmithia morbidan verursacht, die von der Borkenkäferart Pityophthorus juglandis als Vektor verbreitet wird und in den USA bereits seit 2001 an Nussbäumen (Juglans spp.) zu erheblichen Schäden und Sterblichkeit führt (Abb. 2).
Klimawandel
Der Klimawandel hat das Potenzial, die Auswirkungen invasiver Arten zu verändern. So könnten einige in ihrer Wirkung abnehmen, während andere nicht-einheimische Arten eventuell noch invasiver werden. In diesem Zusammenhang besteht auch die Möglichkeit, dass einheimische Arten ihre Lebensräume in andere geographische Bereiche verlagern. Hierfür ist der Bergkiefernkäfer (Dendroctonus ponderosae, englisch „Mountain pine beetle“) in Nordamerika ein gutes Beispiel, der dort als das bedeutendste heimische forstliche Schadinsekt angesehen wird (Abb. 3 und 4).
Während der auch mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebrachten jüngsten Massenvermehrung erreichten die Populationen in British Columbia, Kanada, eine so hohe Dichte, dass viele Käfer mit hohen Luftströmen auf die östliche Seite der kontinentalen Wasserscheide über den Gebirgskamm der Rocky Mountains geraten sind. So werden jetzt zum ersten Mal auch in Alberta Populationen gefunden. Damit ist zu befürchten, dass der Bergkiefernkäfer über den borealen Nadelwald Kanadas bis zu den Kiefernwäldern in den östlichen USA vordringen könnte, wo er derzeit nicht vorkommt, und dort invasiv werden kann. In Europa gibt es Bedenken, dass vor allem auch aufgrund des Klimawandels künftig heimische, eingeschleppte oder einwandernde Insekten oder Krankheiten der leistungsfähigen Douglasie (Pseudotsuga menziesii) stärker zusetzen könnten. Dieser aus Nordamerika stammenden Baumart wird in Europa derzeit noch eine gegenüber Schadorganismen gemeinhin große Stabilität zugeschrieben [13].
Die geschilderten Beispiele zeigen, dass es in Bezug auf Waldschutzprobleme und im Zusammenhang mit invasiv gebietsfremden Schadorganismen zwischen Nordamerika und Europa viele Parallelen gibt, die einen Erfahrungsaustausch und eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet nahe legen.