Die Silberlinde ist eine südosteuropäische Lindenart mit beachtlicher Wuchsleistung. Waldbaulich lehnt sie sich an bekannte Pflegekonzepte an. Ihr Holz wird vielfältig genutzt. Der Baum ist eine wertvolle Nahrungsquelle für Bienen und Hummeln.

1 Allgemeines

Name (wiss.): Tilia tomentosa (MOENCH) syn. Tilia alba AITON, Tilia argentea DESF. Ex DC., Tilia petiolaris DC., Tilia rotundifolia Vent.; Tilia varsaviensis

Deutsch: Silberlinde

Familie: Malvaceae (Malvengewächse)

Unterfamilie: Tilioideae (Lindengewächse)

Natürliches Verbreitungsgebiet: Balkan-Halbinsel sowie nordwestliche Türkei mit einem Inselvorkommen im Nurgebirge (südliche Zentral-Türkei). Sie kommt in Höhenlagen bis 1300 m vor. Im natürlichen Verbreitungsgebiet liegen die Jahresmitteltemperaturen zwischen 10,0 und 11,5 °C bei jährlichen Niederschlagsmengen von mindestens 400 mm.

Vorkommen und Anbaugebiete in Mitteleuropa: In Großbritannien wurde sie bereits 1767 aufgrund ihres dekorativen Wertes eingeführt. Man findet sie heute häufig angebaut als Allee-/Straßenbaum in den europäischen Städten. Forstlich kommt sie außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes eher selten vor. Größere Anpflanzungen in Deutschland sind uns nicht bekannt.

Praxisbeispiel:

ca. 40 Jahre alter Kleinbestand im Staatswald des Forstbetriebes Freising.

2 Ökologie

2.1 Standortsansprüche

- Nährstoff- und Wasserbedarf

Die Silberlinde liebt fruchtbare, tiefe, wenig saure oder neutrale Mineralböden. Sie wächst vorwiegend auf Löß, auf Sanden und auf basischen Gesteinen. Sie toleriert Trockenheit.

- Wärmebedarf

Im natürlichen Verbreitungsgebiet der Silberlinde ist das Klima ziemlich kontinental und trocken. Bevorzugt werden Regionen mit mittleren Durchschnittstemperaturen im Januar von -5° C bis leicht über 0° C und im Juli von über 18°C.

- Ausschlussgründe

Die Silberlinde meidet grundsätzlich Pseudogley auf Verebnungen.

2.2 Standortpfleglichkeit

Ihre Laubstreu zersetzt sich sehr gut und wirkt bodenverbessernd. Sie gehört zu den bodenpfleglichen Baumarten.

2.3 Wachstum

Die Laub abwerfende Silberlinde wird 30 bis 35 m hoch und erreicht Stammdurchmesser (BHD) von ca. 60 cm (max. 110 cm). Die Silberlinde erreicht ein Alter von bis zu 200 Jahren.

- Wuchsverhalten

Sie wächst in der Jugend rasch und kann je nach Bonität im Alter von fünf Jahren 1,2 bis 3 m erreichen, im Alter von zehn Jahren 3 bis 5,6 m. Der größte Höhenzuwachs ist im Alter von 15 bis 20 Jahren zu beobachten. Danach geht der Höhenzuwachs kontinuierlich zurück.

- Schattentoleranz

Junge Bäume ertragen Schatten, ältere haben jedoch hohe Lichtansprüche.

- Konkurrenzverhalten

Über das Konkurrenzverhalten von Kernwüchsen ist wenig bekannt. Aufgrund ihrer guten Stockausschlagsfähigkeit ist sie in der Lage, sich am Standort zu behaupten.

- Wurzelsystem

Junge Silberlinden bilden ein Pfahlwurzelsystem aus. In der Folge werden oft nahe der Bodenoberfläche verlaufende Seitenwurzeln ausgebildet, die aber keine Senkerwurzeln entwickeln.

2.4 Verjüngungspotenzial

- Ausbreitungsbiologie (generativ, vegetativ)

Die Silberlinde verjüngt sich sehr leicht aus Stockausschlägen und Wurzelbrut.

- Fruktifikation

Freistehende Silberlinden werden mit 20 bis 25 Jahren mannbar. Danach findet Jahr für Jahr reichlicher Fruchtansatz statt. Die Silberlinde blüht im Vergleich zu den einheimischen Lindenarten relativ spät im Juli.

- Hybridisierung

Die Blühzeiten von Winterlinde und Silberlinde können sich überschneiden. Dadurch können fertile Hybriden entstehen. Artbastardierungen kommen in Parkanlagen vor.

- Invasivität

Ein Invasionspotenzial ist bei korrekter waldbaulicher Behandlung nicht erkennbar. Aufgrund ihrer ausgeprägten Fähigkeit zur vegetativen Verjüngung ist sie in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in der Lage, ihren Standort zu behaupten.

2.5 Waldschutz (Risiken)

- Abiotische Risiken

Die Silberlinde hält gut Hitze, Sommertrockenheit, Frost und Luftverunreinigung aus. Die Rinde kann durch Sonneneinstrahlung geschädigt werden (Rindenbrand).

- Biotische Risiken

Für eine Gefährdung der Silberlinde durch Insekten und Pilze konnten in der Literatur keine Hinweise gefunden werden. Sie scheint nach dem derzeitigen Wissensstand ungefährdet zu sein.

3 Bedeutung für die Artenvielfalt / Biodiversität

- Auswirkungen auf Ökosysteme (Beispiele)

Die Silberlinde blüht im Vergleich zu den einheimischen Lindenarten relativ spät im Juli. Zu diesem Zeitpunkt ist sie für Hummeln und Bienen eine attraktive Nektarquelle, die gerne aufgesucht wird. Es kann zu einer tödlichen Nahrungskonkurrenz zwischen den Hummeln und Bienen kommen, die dann an Folge des Nektarmangels sterben. Tödliche Vergiftungen, wie in einigen Literaturquellen beschrieben, erleiden die Insekten nicht.

- Dauerhaftigkeit der Auswirkungen

Die Art ist zum klonalen Wachstum über Stockausschlag und Wurzelbrut befähigt und zeigt somit eine Persistenz am eroberten Standort.

- Ökologische Integration

Eine ökologische Integration in natürliche oder naturnahe Waldökosysteme ist möglich.

4 Wuchsleistung

4.1 Zuwachs

Siehe unter 2.3 Wuchsverhalten.

4.2 Gesamtwuchsleistung

Kernwüchse weisen nach Ertragstafeln den größten Höhenzuwachs im Alter von 15 bis 20 Jahren auf. Die Silberlinde erreicht Baumhöhen im Alter 70 von 21,3 (III. Ertragsklasse) und 26,1m (I. Ertragsklasse) sowie 23,2 bzw. 28 m im Alter 110. Im Alter 100 verbleiben nach diversen Ertragstafeln aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet rund 570 Vfm (Vorratsfestmeter) je ha im Bestand.

5 Qualität

5.1 Formigkeit

Bei entsprechender Pflege sind gute Schaftformen erzielbar. Die astreine Schaftlänge beträgt in älteren Silberlinden-Reinbeständen bis zu 13 m.

5.2 Astreinigung

Die Silberlinde besitzt eine gute Astreinigung. Wenn sie abrupt freigestellt wird, kommt es zur Wasserreiserbildung.

5.3 Sortimente

Auf dem Balkan wird die Silberlinde als Nutzholz genutzt und angebaut. Es fand und findet Verwendung als Rahmenholz für Möbel, in Innenräumen von Häusern sowie für Spielwaren, Holzgefäße, Schnitzarbeiten, Bilderrahmen, Jalousien, Bienenstöcke, Sperrholz, Fassbau, Holzkohle und Kisten.

5.4 Herkunftsabhängigkeiten

Die Art unterliegt nicht dem Forstvermehrungsgutgesetz.

6 Waldbauliche Behandlung

6.1 Bestandesbegründung

Als hauptständige Baumart in Mischung mit anderen Laubhölzern sollte sie i. d. R. trupp-, gruppen- bis horstweise im Reihenverband eingebracht werden. Typische Sortimente dürften 1 + 1 und 1 + 2, Größe 50-80 cm bzw. 80-120 cm sein.

6.2 Mischungsformen

In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet findet man sie in Mischung mit Laubbaumarten, die zum Teil auch in Mitteleuropa heimisch sind, wie z. B. Stieleiche, Feldahorn, Hainbuche, Feldulme. In der Zone der Balkaneichenwälder (Quercion frainetto) kommt sie neben Balkaneiche und Wildbirne sowie Zerreiche und Blumenesche vor.

6.3 Pflege- und Nutzungskonzepte

Z-Baum-orientierte Hochdurchforstung. Die Durchforstungen beginnen im Alter von 20 bis 25 Jahren. Hierbei werden ganz gezielt die Zukunftsbäume gefördert. Die Durchforstungseingriffe werden im Stangenholz alle fünf bis sechs Jahre wiederholt. Die Durchforstungsintervalle nehmen vom Stangenholz zum Baumholz von fünf bis sechs Jahren auf acht bis zehn Jahre zu. Der letzte Durchforstungseingriff erfolgt im Regelfall im Alter von 55 bis 60 Jahren. In Beständen, in denen Furnierholz erzeugt werden soll, findet die abschließende Durchforstung im Alter von 60 bis 70 Jahren statt. Es kann von einer mittleren Produktionszeit von 90 Jahren ausgegangen werden.

7 Holzverwendung

7.1 Holzeigenschaften

Das Holz der Silberlinde ist gelblich-weiß und lässt sich leicht bearbeiten. Es schwindet wenig und ist bei konstant geringer Luftfeuchte sehr dauerhaft. Die Holzdichte beträgt bei 12 % Luftfeuchtigkeit im Mittel 520 kg/m³. Die mittlere Biegefestigkeit liegt bei 10.600 N/cm², die mittlere Druckfestigkeit bei 5.200 N/cm² und die mittlere Zugfestigkeit bei 8.500 N/cm².

7.2 Wertholztauglichkeit

Furnierholz.

7.3 Verwendungsbereiche in der Holzindustrie

Chemisch: Holzkohle.

Mechanisch: Rahmenholz für Möbel, Sperrholz, Spielwaren, Holzgefäße, Schnitzarbeiten, Bienenstöcke, Kisten.

7.4 Vermarktung

Erfahrungen aus Mitteleuropa fehlen, s. unter 7.3.

8 Nebennutzungen

Die Silberlinde ist eine wertvolle Nahrungsquelle für Bienen und Hummeln.

Zusammenfassende Beurteilung der Anbauwürdigkeit

9 Literatur

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