Die im Westen Nordamerikas beheimatete Große Küstentanne zeichnet sich durch eine breite Standortpalette, hohe Produktivität und ein geringes Invasionspotenzial aus. Die Baumart lässt sich v. a. vor dem Hintergrund des Klimawandels gut als Mischbaumart integrieren.

1. Allgemeines

Name (wiss.): Abies grandis (Dougl. ex D. Don) Lindl.
 (deutsch): Große Küstentanne, Riesentanne
Familie: Kieferngewächse (Pinaceae)

Natürliches Verbreitungsgebiet: Westen Nordamerikas, erstreckt sich über 1.400 km entlang der Pazifikküste von Vancouver Island und British Columbia über Washington und Oregon bis Nordwestkalifornien. Ein östliches Teilareal liegt im Südosten von British Columbia und reicht bis nach Idaho. Vorkommen in Höhenlagen zwischen Meeresniveau bis 1.600 m (Westareal) und 400 bis 2.200 m (Ostareal).

Vorkommen und Anbaugebiete in Mitteleuropa: Erstmalig 1833 erreicht Saatgut Deutschland. Anbauversuche durch die Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Forstlichen Versuchsanstalten. Die größten Anbauflächen finden sich heute in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

2. Ökologie

2.1 Standortsansprüche
  • Nährstoff- und Wasserbedarf: Abies grandis wächst in Deutschland auf einer außerordentlich breiten Standortpalette und verträgt auch Trockenperioden gut. Frische bis mäßig frische Standorte werden aber bevorzugt. Die Nährstoffansprüche sind gering. Auf ärmeren, trockeneren Sandböden und auf wechselfeuchten bzw. verdichteten Böden gedeiht sie besser als die Douglasie.
  • Wärmebedarf: Die Jahresmitteltemperaturen bewegen sich im Optimum zwischen 6 und 10 °C. Die frostfreie Vegetationszeit beträgt 60 bis 250 Tage. Die Küstentanne ist frosthart.
  • Ausschlussgründe: Anbau auf strengen Tonen.
2.2 Standortpfleglichkeit

Die Nadelstreu ist gut zersetzbar und bildet gute Humusformen. Die Küstentanne wird als bodenpfleglich eingestuft.

2.3 Wachstum

An der Küste Washingtons erreicht sie Höhen von über 60 m bei einem BHD von 100 cm. Auf einigen Standorten übertrifft sie selbst die Douglasie in der Wuchsleistung und erreicht laufende jährliche Derbholzzuwächse von über 30 Vfm/ha bei Produktionszeiträumen von 40 bis 60 Jahren und einer Zielstärke von 60 cm. Die Gesamtwuchsleistung bis zum Alter von 60 Jahren liegt weit über 800 Vfm/ha.

  • Wuchsverhalten: In Deutschland gehört die Küstentanne zu den schnellwachsenden Baumarten, deren Höhenzuwachs schon im Alter von 15 bis 20 Jahren kulminiert und danach nur allmählich abfällt. Die hohe Produktivität dieser Baumart ist mit ihrer effektiven Wasser- und Nährstoffverwertung, ihrer großen Blattbiomasse, ihrem geringen Standraumbedarf und der daraus resultierenden hohen Grundfläche und ihrer geringen Abholzigkeit zu sehen. Des Weiteren zeigt sie eine ausgesprochen starke Höhen- und Durchmesserdifferenzierung.
  • Schattentoleranz: Im Jugendalter besitzt A. grandis eine hohe bis mittlere Schattentoleranz, benötigt aber für ein optimales Wachstum vor allem auf schwereren Böden mehr Sonnenlicht als die Weißtanne. Mit zunehmendem Alter benötigt die Küstentanne mehr Licht und gilt als Halbschattbaumart.
  • Konkurrenzverhalten: Die Küstentanne ist mäßig konkurrenzstark und zeigt im Vergleich zur Douglasie ein langsameres Jugendwachstum. Aufgrund der schlanken Krone und der damit verbundenen guten Ausnutzung des Kronenraumes eignet sie sich hervorragend zur Mischung mit anderen Licht- und Schattbaumarten.
  • Wurzelsystem: Ähnlich wie die Weißtanne entwickelt sie ein Pfahlwurzelsystem, wenn der Boden tiefgründig und gut durchlüftet ist. Auf Pseudogleyen oder anderen Standorten mit Staunässe lässt die Tiefendurchwurzelung im Vergleich zur Weißtanne nach, ist jedoch besser als die der Fichte.
2.4 Verjüngung
  • Ausbreitungsbiologie (generativ, vegetativ): Die Vermehrung der Pflanze findet rein generativ statt. Das Saatgut ist nur ein Jahr lang keimfähig und das Keimprozent liegt meist unter 50 %. Die Küstentanne ist ein Mineralbodenkeimer. Bodenverwundung fördert ihr Ankommen, Laubstreu verhindert dies.
  • Fruktifikation: Etwa ab dem Alter von 20 Jahren beginnt die Küstentanne zu fruktifizieren. Sie blüht von April bis Mai, die Samen reifen im selben Herbst und werden ab September vom Wind verbreitet. Der Großteil der Samen fällt im Bereich von 45 bis 60 m zu Boden, die maximale Entfernung wird mit 120 m angegeben. Vereinzelt wird Küstentanne auch durch Nager verbreitet.
  • Hybridisierung: Mit europäischen Tannenarten hybridisiert die Küstentanne nicht.
  • Invasivität: Die Küstentanne ist nicht invasiv.
2.5 Waldschutz (Risiken)
  • Abiotische Risiken: Auf staunassen und wechseltrockenen Standorten besteht ein Windwurfrisiko.
  • Biotische Risiken: Durch Pilze (z.B. Hallimasch, Wurzelschwamm) und Insekten (Tannenstammlaus). Komplexkrankheit Tannen-Rindennekrose als Kombination von Tannenstammlaus plus nachfolgendem Befall mit Neonectria neomacrospora. Gefahr durch Verbiss und Fegen.

3. Bedeutung für die Artenvielfalt / Biodiversität

  • Auswirkungen auf Ökosysteme (Beispiele): Aufgrund des geringen Reproduktions- und Ausbreitungspotenzials, des moderaten Konkurrenzverhaltens und ihrer guten waldbaulichen Steuerungsmöglichkeiten sind keine negativen Auswirkungen auf heimische Ökosysteme zu erwarten.
  • Dauerhaftigkeit der Auswirkungen: Naturverjüngung ist über das Lichtangebot und den Oberbodenzustand steuerbar. Unerwünschtes Ankommen dieser Baumart lässt sich leicht durch einmaliges Abschneiden dauerhaft entfernen. Die Fähigkeit zum Stockausschlag oder Wurzelbrut ist nicht gegeben.
  • Ökologische Integration: Eine ökologische Integration in natürliche oder naturnahe Waldökosysteme ist möglich. Trotz der mäßigen Konkurrenzstärke kann sie sich in Mischbeständen aufgrund ihres hohen Wuchspotenzials halten. Die starke Selbstdifferenzierung und die Schmalkronigkeit lassen genug Raum für andere Baumarten.

4. Wuchsleistung

4.1 Zuwachs

Auf einigen Standorten übertrifft die Küstentanne selbst die Douglasie in der Wuchsleistung und erreicht laufende jährliche Derbholzzuwächse von über 30 Vfm/ha bei Produktionszeiträumen von 40 bis 60 Jahren und einer Zielstärke von 60 cm.

4.2 Gesamtwuchsleistung

Die Gesamtwuchsleistung bis zum Alter 60 liegt weit über 800 Vfm/ha.

5. Qualität

5.1 Formigkeit

Der Stamm ist meist gerade und vollholzig.

5.2 Astreinigung

Zur Erzielung von hochwertigem Furnier- bzw. Sägeholz muss A. grandis geästet werden (Totasterhalter). Sie bildet Wasserreiser.

5.3 Sortimente

Geeigneter Rohstoff zur Herstellung von Säge- sowie Holzwerkstoff- und Zellstoffprodukten. Außerdem Verwendung als Thermoholz sowie als Schmuckgrün und Weihnachtsbaum.

5.4 Herkunftsabhängigkeiten

In Provenienzversuchen haben sich die Herkünfte aus den Regionen Olympic-Halbinsel, Pudget-Senke, Kaskadenwesthang und Vancouver Island bewährt.

5.5 Saat- und Pflanzgutversorgung

Die Küstentanne unterliegt dem Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG).

6. Waldbauliche Behandlung

6.1 Bestandesbegründung

Pflanzung (2.500 bis 3.000 Stk./ha) oder Naturverjüngung nach Bodenverwundung.

6.2 Mischungsformen

Aufgrund der Wuchsleistung und der Schattentoleranz ist die Küstentanne zur Mischung mit Douglasie und Thuja bzw. Buche bestens geeignet. Die Mischungsform sollte horstweise (Buche in Küstentanne) bzw. trupp- bis horstweise (Küstentanne in Buchengrundbestand) erfolgen. Auf schwächeren, trockeneren Standorten kann sie auch mit Roteiche oder Winterlinde zusammen angebaut werden.

6.3 Pflege- und Nutzungskonzepte

Läuterungen sind meist nicht erforderlich. Ab einer Oberhöhe von 12 m sollten die vorwüchsigsten, weitringigen Bäume entnommen werden. Danach geht die Pflege in eine mäßige Hochdurchforstung über (hoher Zuwachs, Förderung der Einzelbaumstabilität). Ab Oberhöhen von 30 m beginnen die Zielstärkennutzung und die Einleitung der Naturverjüngung.

7. Holzverwendung

7.1 Holzeigenschaften

Helles, fleckfreies, leichtes Holz mit sehr breiten Jahrringen. Die Darrdichte, Biegefestigkeit und Druckfestigkeit liegen niedriger als bei der Fichte und Weißtanne, Quellen und Schwinden verhalten sich günstiger. Es fehlen Harztaschen. Die leichte Bearbeitbarkeit, die Eignung für die Oberflächenbehandlung und die gute Verleimbarkeit sind entscheidende Voraussetzungen für die Weiterverarbeitung im Bereich der Holzwerkstoffe.

7.2 Wertholztauglichkeit

Furnierholz nur bei geringer Jahrringbreite (< 5 mm).

7.3 Verwendungsbereiche in der Holzindustrie

Holzwerkstoff- und Zellstoffprodukte, Thermoholz.

7.4 Vermarktung

Aufgrund der bisher geringen Angebotsmengen schwierig.

8. Nebennutzungen

Schmuckgrün und Weihnachtsbäume.

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Zusammenfassende Beurteilung der Anbauwürdigkeit