Wie schaut der ideale Hochwasserschutzwald aus? Je nach Baumartenzusammensetzung und Dichte des Kronendaches können vier bis sechs Liter Wasser je Quadratmeter im Kronenraum zurückgehalten werden. Der Boden und die Art der Bewirtschaftung sind weitere maß­gebende Faktoren.

Bei Waldvegetation wird ein deutlich höherer Teil des Niederschlages als im Freiland über Interzeption und Transpiration an die Atmosphäre zurückgegeben (Abbildung 1):

  • Die Interzeptionsleistung ist bei Grasland am geringsten.
  • Bei Koniferen ist der Kronenrückhalt deutlich höher als bei Laubbäumen, in Abbildung 1 wird die Buche als Beispiel herangezogen.
  • Der Wasserverbrauch aus dem Boden (die Transpiration) kann auch beiGräsern sehr hoch sein.
  • Für Fichte gibt es bezüglich der Transpi­ration unterschiedliche An­gaben, die Transpiration kann auch deutlich höher sein (bis zur strichlierten Linie in Abbildung 1). Grundsätzlich ist die Transpirationsleistung von Fichten- und etwa auch Douglasienbeständen aufgrund der sehr hohen Nadelmasse höher als bei Laubholzbeständen.

Immergrüne Nadelwälder verdunsten auch in den zuletzt häufiger auftreten­den milden Wintern erhebliche Wassermengen. Dabei ist das Sickerwasser­angebot in Verjüngungsflächen höher, der Wasserbedarf steigt mit zunehmendem Bestandesalter (Müller 2013).

Je nach Baumartenzusammensetzung und Dichte des Kronendaches können bei Regen vier bis sechs Millimeter (= Liter/m²) Wasser im Kronenraum zurückgehalten werden. Die Schlagwirkung von Windböen, z.B. bei Gewittern, verstärkt den Niederschlagsabsatz. Mit abnehmendem Überschirmungsgrad sinkt die Interzeptionsleistung sowohl bei Einzelereignissen als auch im Jahresschnitt.

Aufgrund des höheren Verdunstungsanspruches der Bäume sind daher bei gleichen Vorbedingungen die freien Porenanteile in Waldböden höher als in Nichtwaldböden. Dies bedeutet in der Regel auch ein höheres Retentionsvermögen der Waldböden bei Starkniederschlägen.

Zudem weisen Waldböden aufgrund der Vegetationsform Wald gänzlich andere Eigenschaften auf. Auf Humusauf­lagen wechselnder Mächtigkeit folgt ein Mineralboden mit intensiver Durchwurzelung, abgestorbene Wurzeln reagieren als Dränröhren. Waldböden sind häufig deutlich lockerer als die Böden des umgebenden Freilandes.

Wald und Abfluss

Am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) wurden in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Niederschlagssimula­tionen auf verschiedenen Boden-/Vegetationseinheiten im gesamten Ostalpenraum durchgeführt, um das Abflussverhalten zu bestimmen. Basierend auf diesen Untersuchungen wurde eine Geländeanleitung zur Abschätzung des Oberflächenabflussbeiwertes bei Starkregen entwickelt (Download auf bfw.gv.at).

Art und Intensität der Bewirtschaftung sowie eventuelle Zusatznutzungen bzw. zusätzliche mechanische Belastungen beeinflussen das Abflussverhalten von Waldstandorten stark. Eine maßgebliche Zusatzbelastung stellt z.B. die Waldweide dar. Auch wenn nur wenige Standorte mit Waldweide beregnet wurden, so zeigen die Ergebnisse einen deutlichen Trend (Abbildung 2). Be­weidete Wälder liefern bei Starkregen mehr Oberflächenabfluss. Die an und für sich hohe Infiltrationsleistung der Waldböden wird durch die Beweidung (Verlust an Bodenvegetation, Verdichtung) deutlich reduziert, sie nähern sich dem Abflussverhalten von Grünland-Weide­flächen an.

Eine weitere Schlüsselrolle kommt der Waldbodenvegetation zu. Je rauer die Oberfläche, umso geringer der Oberflächenabfluss und umso langsamer die Fließgeschwindigkeit des Wassers an der Oberfläche (Abbildung 3). In Beständen ohne Bodenvegetation (z.B. dichte Fichten­bestände ohne Unterwuchs) ist der Anteil des Oberflächenabflusses deutlich höher als auf Standorten mit dichter krautiger Vegetation, am wenigsten Abfluss ist auf Einheiten mit dichtem Zwergstrauchbewuchs (Heidelbeere, Alpenrose,…) zu erwarten.

Einfluss der Bewirtschaftung

Standortswidrige Baumarten verschlechtern die Hydrologie des Standortes. Vergleichende Beregnungen von Fichten- und Buchen-Standorten auf stark stauender, pseudovergleyter Braunerde im Kreisbach bei St. Pölten zeigen deutlich, dass die Fichte diese Böden nur ober­flächennah aufschließt (bis 30 cm Tiefe), in den tieferen Bodenschichten blieb der Wassergehalt trotz einstündiger Beregnung mit 100 mm/h und danach mit 60 mm/h niedrig (Jost et al. 2012). Das Wurzel­system der Buche reicht auf vergleich­barem Untergrund deutlich tiefer, der Niederschlag kann in tiefere Bodenschichten vordringen, sättigt den Boden von unten her auf. Die laterale Leitfähigkeit ist höher, das heißt der Zwischenabfluss im Boden erfolgt unter der Buche rascher.

Viele Untersuchungen belegen den engen Zusammenhang zwischen Bewirtschaftung und Spitzenabfluss: Kahlschläge in Zusammenhang mit Verdichtung bewirken den höchsten Abflussanstieg und bergen auch ein hohes Erosionspotenzial. Die bodenfestigende Wirkung der Wurzeln bleibt nach der Schlägerung noch einige Jahre erhalten, nimmt jedoch sukzessive ab.

In der Phase des beginnenden Dichtstandes der Verjüngung ist die armierende Wirkung der Wurzeln des entfernten Bestandes bereits deutlich reduziert, die bodenfestigende Wirkung des Wurzelgeflechts der Jungbäume aber noch zu gering, daher sind gerade in Phasen des beginnenden Dichtstandes mitunter häufig Anbrüche auch im Wald zu beobachten. Besonders kritisch können sich in dieser Phase Verzögerungen in der Wiederbewaldung auswirken, beispielsweise aufgrund der Verdämmung des Jungwuchses durch invasive Neophyten oder hohen Wildstand.

Die Dichte des Forstwegenetzes, die Anbindung der Straßen an die Gewässer (wie über Konzentration und Beschleunigung des Abflusses in Berggräben und Ausleitungen) und Verdichtung durch mechanische Belastungen sind Faktoren, die massiv zur Erhöhung des Spitzenabflusses und zum Feststoffaustrag in alpinen Einzugsgebieten bei Starkregen beitragen (Abbildung 4). (BFW-Artikel zur Erfassung des Forstwegenetzes)

Beim Straßenbau im geneigten Gelände wird der Anteil des Oberflächenabflusses zwangsläufig erhöht:

  • durch den direkt auftreffenden Niederschlag auf die Straße und
  • in Abhängigkeit vom Substrat durch Konzentration des Oberflächenabflusses und des Zwischenabflusses aus dem überliegenden Hang.

Bei der Erschließung erscheint daher die Beschränkung auf eine minimale Laufmeterdichte und die effiziente Ausnützung schonender Bringungsverfahren (zum Beispiel Seilkran) sinnvoll. Auch Rückegassen und -wege können im steilen Gelände Erosionsherde darstellen (Abbildung 5). Daher ist es sinnvoll, nach Abschluss der Erntearbeiten die Rauigkeit beispielsweise durch Auf­bringen und Fixieren von Schlagabraum zu erhöhen ("Ausgrassen") und Abflusskonzentrationen zu vermeiden (Aus­leitungen vorsehen).

In vielen alpinen Einzugsgebieten wurde ab Mitte des 20. Jahrhunderts mit umfangreichen waldverbessernden Maßnahmen begonnen (Bestandesumbau, Agradierung geschneitelter oder streugenutzter Bestände, umfangreiche Weidefreistellungen, kontrollierte Aufforstung von aufgelassenen Almflächen,…). Die positiven hydrologischen Effekte solcher Maßnahmen können über hydrologische Modellrechnungen, die etwa anhand von Pegelwerten auf ihre Plausibilität geprüft werden, nachgewiesen werden. Ein Beispiel für die den Abfluss verzögernde Wirkung der Aufforstung aufgelassener Weideflächen im Zuge des Hochwasserereignisses vom 22./23. August 2005 im Tiroler Paznauntal liefert Abbildung 6. Dort wurden ab 1950 größere Weide­flächen in einen Fichtenbestand übergeführt.

Die Weidefläche hätte beim 2005er-Ereignis wesentlich früher Abfluss geliefert (nach sieben Stunden), der Fichtenbestand reagiert erst nach 14 Stunden. Die Abflussspitze wird auf der Weidefläche bereits nach 16 Stunden, im Bestand erst nach 22,5 Stunden, auf geringerem Niveau, erreicht.

Limitierte Wirkung der Waldvegetation

Die abflussreduzierende Wirkung der Waldvegetation ist nur mehr stark eingeschränkt gegeben bei:

  • Sickerwasser, das den Wurzelhorizont bereits unterschritten hat und
  • Hangwässern aus höher gelegenen
  • waldfreien Bereichen, die den Wurzel­horizont unterschreiten. Hier greifen noch die Boden stabilisierende Wirkung des Wurzelwerks und die druckentlastende Wirkung abgestorbener Wurzeln, die als Entwässerungssysteme fungieren.
  • linearem Oberflächenabfluss aus überliegenden (waldfreien) Bereichen. Durch den konzentrierten Abfluss wird der Waldboden als Rezeptor ausgeschaltet, das Wasser folgt oberflächlich den Tiefenlinien und beginnt insbesondere in gering bestockten oder waldfreien Bereichen zu erodieren.
  • geringem Waldanteil im Einzugsgebiet.

Der Weg zum idealen Hochwasserschutzwald?

Die Bewirtschaftung eines Waldes ist auf den jeweiligen Standort und das jeweilige (Schutz-)Ziel auszurichten. Dennoch lassen sich vereinfacht einige allgemein gültige Schlüsselkriterien formulieren:

  • Den besten Effekt bringen mehrschichtige (Misch-)Bestände, Bestände mit nur einer Baumart tendieren zur Einschichtigkeit.
  • Keine Vollbestockung, der Überschirmungsgrad sollte zwischen 0,7 und 0,9 liegen, mit dichter Bodenvegetation zur Erhöhung der Bodenrauigkeit. Für den subalpinen Bereich wird auch 0,6 als minimaler Überschirmungsgrad angegeben. Dann sollte die Bodenvegetation aber aus dichter Zwergstrauchheide bestehen.
  • Dichtstand und mangelnde Dickungs­pflege erhöhen das Abflusspotenzial (reduzierte bzw. keine Bodenvegetation, bei Koniferen hydrophobe
  • Wirkung der Humusauflage in Trocken­phasen).
  • Kleinflächige Nutzungen, rasche Wieder­bewaldung mit standortstauglichen Baumarten bzw. standortsangepassten Baumarten in Hochlagen.
  • Forststraßenbau und Bringung: Konzentration auf ein minimales Wegenetz, pflegliche Erschließung und Bringungstechniken, Vermeidung von Abflusskonzentrationen. Keine permanenten Erschließungsmaßnahmen in feuchten, vernässten und in­stabilen Bereichen.

Literatur

Jost, G.; Schume, H.; Hager, H.; Markart, G.; Kohl, B. (2012): A hillslope scale comparison of tree species influence on soil moisture dynamics and runoff process during intense rainfall. Journal of Hydrology: 420-421, 112-124.

Kohl, B.; Perzl, F.; Markart, G.; Klebinder, K.; Pirkl, H.; Riedl, F.; Stepanek, L. (2009): Hochwasser Paznaun 2005: Wald – Abfluss – Potentiale. Bericht der Wildbach- und Lawinenverbauung, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Wien.

Müller, J. (2013): Die Bedeutung der Baumarten für den Landschaftswasserhaushalt. 15. Gumpensteiner Lysimetertagung: 49-56.

Zimmermann, L.; Raspe, S.; Schulz, C.; Grimmeisen, W. (2008): Wasserverbrauch von Wäldern – Bäume und Bestände verdunsten unterschiedlich stark. LWF aktuell 66: 16-20.