Der bayerische Alpenraum ist das wichtigste Wassereinzugsgebiet für die südbayerischen Flüsse. Auf Grund der großen Flächenausdehnung und hohen Niederschläge dieser Region kommt allen Faktoren, die auf das Abflussverhalten einwirken, große Bedeutung zu. Hierbei spielt der Wald eine herausragende Rolle. Rund die Hälfte des bayerischen Alpenraumes ist mit Wald bedeckt (ca. 250.000 ha). Dem Wald kommt dort eine besondere Bedeutung für den Schutz vor Naturgefahren zu. Ca. 60 % (fast 150.000 ha) davon sind als Schutzwald nach dem Bayerischen Waldgesetz ausgewiesen. Nach einer kurzen Analyse, welchen Beitrag der Wald in diesem Zusammenhang leisten kann, werden Ziele und Maßnahmen der Staatsforstverwaltung bei der Bewirtschaftung des Bergwaldes auch im Hinblick auf den vorbeugenden Hochwasserschutz dargestellt.

Der Wald - kein Allheilmittel aber dennoch unverzichtbar für den Hochwasserschutz

Die Frage, ob und in welchem Umfang Wälder Hochwasserereignisse abschwächen bzw. verhindern können, wird in der wissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert. Zahlreiche Studien belegen, dass der Oberflächenabfluss im Wald deutlich geringer ist als im Freiland und damit Abflussspitzen abgeschwächt werden. Nach anderen Forschungsarbeiten lässt sich eine positive Wirkung des Waldes auf das Abflussgeschehen nicht signifikant nachweisen. Unbestritten ist, dass die Wirkung des Waldes von zahlreichen Parametern wie Größe des Einzugsgebietes, Dauer und Intensität der Niederschläge, Jahreszeit sowie standörtlichen Eigenschaften abhängt.

Nach Ansicht aller Experten nimmt der Waldboden eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung des Abflussverhaltens von Wäldern ein. Während der Interzeption im Kronenraum bei Starkregenereignissen nur eine nachgeordnete Bedeutung zukommt, nehmen ungesättigte Waldböden zum Teil große Mengen an Wasser auf. Flachgründige Böden mit geringer Wasserspeicherkapazität können naturgemäß weniger Wasser zurückhalten als tiefgründige, locker gelagerte Böden. Dementsprechend sind auch die Wirkungen des Waldes auf sehr flachgründigen Böden mit oberflächennahem Abfluss oder bei wassergesättigten Böden zwangsläufig vergleichsweise gering. Insgesamt gesehen stellt der Wald in vielen Fällen einen wesentlichen Faktor beim vorbeugenden Hochwasserschutz dar. Vielleicht der wichtigste, oftmals wenig beachtete Beitrag des Waldes ist der Schutz der Bodenkrume. Ohne Waldbedeckung würde die Bodenerosion im Gebirgsraum rasch zunehmen und damit der Oberflächenabfluss und die Hochwassergefährdung deutlich ansteigen.

Waldzusammensetzung und -aufbau sind wichtige Einflussgrößen

Eine auf Hochwasserschutz ausgerichtete Waldbewirtschaftung muss daher in erster Linie den Boden vor Abtrag schützen und ihn in einer Struktur erhalten, die eine hohe Infiltrationsrate ermöglicht. Obwohl hier wissenschaftlich noch eine Reihe von Fragen ungeklärt sind, kann man davon ausgehen, dass stufig aufgebaute Mischwälder günstiger zu bewerten sind als nicht standortgerechte Fichtenreinbestände. Mischwälder weisen in der Regel einen guten Humuszustand auf. Auf Grund der hohen biologischen Aktivität sind Humus und Oberboden locker aufgebaut und erlauben damit eine höhere Infiltration als ein mächtiger, eher plattig aufgebauter Auflagehumus in Nadelholzbeständen. Tief- und intensivwurzelnde Baumarten tragen besonders zu einer günstigen Bodenstruktur bei, da sie einerseits den Boden festhalten und andererseits die Porosität des Bodens fördern.

Bei der Baumartenwahl ist die unter mitteleuropäischen Verhältnissen in Laubwäldern höhere Wasserspende zu beachten. Hauptgrund dafür sind die größere Blattoberfläche sowie die ganzjährige Belaubung von Nadelwäldern. Beide Faktoren führen zu einer höheren Verdunstung des im Kronenraum festgehaltenen Niederschlags. Bei Starkregenereignissen ist jedoch weniger die kurzfristige, vergleichsweise geringe Interzeption in der Krone entscheidend als vielmehr die indirekte Wirkung auf die Bodenfeuchte (d.h. die aufsummierte Wirkung über mehrere Niederschlagsereignisse). Insbesondere im Winterhalbjahr gelangt in immergrünen Nadelwäldern weniger Wasser auf den Boden als in den zu dieser Jahreszeit kahlen Laubwäldern. Die Bodenfeuchte ist somit in Nadelwäldern oftmals geringer. Die weniger stark gesättigten Böden können dann bei Niederschlagsereignissen mehr Wasser aufnehmen, sofern eine ausreichende Infiltrationskapazität gegeben ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind Mischwälder mit einem nennenswertem Nadelholzanteil im Bezug auf den Hochwasserschutz günstig zu bewerten.

Kleinflächige Verjüngungsverfahren dienen auch dem Hochwasserschutz

Bei Kahlschlägen steigen der Oberflächenabfluss und damit der Sedimentabtrag deutlich an. Messungen in Bergmischwäldern in den Bayerischen Alpen und in Buchenwäldern im hessischen Krofdorf zeigen, dass die Auswirkungen der Hiebsmaßnahmen entscheidend von Art des Eingriffs,von der Entnahmeintensität und der Bodenbedeckung abhängen. Bei kleinflächigen Erntemaßnahmen und rechtzeitigem Ankommen der Vorausverjüngung wirken sich die Hiebsmaßnahmen auf Oberflächenabfluss und Sedimentaustrag vergleichsweise nur gering aus. Deutliche Effekte zeigen sich oft erst, wenn mehr als 50 % des aufstockenden Bestandes entnommen werden. In der Praxis treten Probleme weniger bei der regulären Verjüngung auf als vielmehr bei flächigen, in ihrer Wirkung Kahlschlägen gleichkommenden Sturmwürfen. Auch aus Sicht des vorbeugenden Hochwasserschutzes sind somit stabile Wälder von zentraler Bedeutung. Nachdem das Risiko in ungepflegten, nicht standortgemäßen Fichtenreinbeständen am höchsten ist, besteht für deren rechtzeitigen Pflege und den Umbau in Mischbestände höchste Priorität.

Bergwaldbewirtschaftung im Staatswald: Schutzfunktionen haben Priorität

Zentrale Aufgabe des Waldbaus im Hochgebirge ist die Sicherung der Schutzfähigkeit der Wälder. Auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht noch zahlreiche Fragen offen sind, ist es für die Praxis ohne Zweifel, dass im bayerischen Hochgebirge ein standortsgerechter, stufig aufgebauter und gut strukturierter Mischwald aus den Baumarten Fichte, Buche und Tanne die Aufgaben des Hochwasserschutzes am besten erfüllen kann. Die Verjüngung soll über langfristige und kleinflächige, eine dauerhafte Waldbestockung gewährleistende Verfahren erfolgen.

Die Bergwälder weisen im Schnitt ein deutlich höheres Alter auf als die Bestände im Flachland. Dieses hohe Alter der Bergwälder ist für sich allein gesehen noch kein Grund zur Besorgnis. Kritisch wird die Situation allerdings, wenn man die Baumartenzusammensetzung betrachtet. Der typische Bergmischwald aus Fichte, Tanne und Buche ist vielfach nur noch in Beständen über 130 Jahren vorhanden. In den 20 bis 80 Jahre alten Wäldern ist der für die Erhaltung der Boden- und damit Hochwasserschutzfunktion so wichtige Tannenanteil stark zurückgegangen und beträgt nur noch rund 1 %. Gleichzeitig nehmen gleichförmige und labile Fichtenreinbestände in dieser Altersspanne einen besonders großen Anteil ein.

Bei dieser Ausgangslage kommt einer rechtzeitigen und ausreichenden Verjüngung der Bergwälder eine besondere Bedeutung zu. Eine stufige Dauerbestockung aus den Hauptbaumarten des Bergmischwaldes lässt sich nur über eine funktionierende Verjüngung auf großer Fläche erreichen. Verjüngung bedeutet dabei soweit als möglich Naturverjüngung, da Pflanzmaßnahmen im Bergwald aus technischen und finanziellen Gründen auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben müssen.

Aktuelle Inventurergebnisse aus den Forstämtern Schliersee, Marquartstein und Berchtesgaden belegen, dass sich die Verjüngungssituation in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert hat. In diesem Zeitraum verdoppelte sich die Fläche der Verjüngung unter Schirm. Die Anteile der Baumarten Bergahorn und Esche nahmen im Gegegnsatz zur Fichte besonders stark zu. Die Zahlen belegen, dass der Bergwald ein enormes Verjüngungspotenzial aufweist und sich bei angepassten Schalenwildbeständen und geeigneten Verjüngungsverfahren üppig erneuert. Trotz der erzielten Verbesserungen liegt der Tannenanteil in der Verjüngung jedoch nach wie vor unter dem Ausgangsniveau der Altbestände, der in etwa auch der waldbaulichen Zielvorstellung entspricht. Es gibt also keinen Grund, sich sorgenfrei zurückzulehnen. Noch umfangreiche Anstrengungen werden notwendig sein, bis das Ziel eines naturnahen, stufig aufgebauten Bergmischwaldes erreicht ist.

Schutzwaldsanierung: Notfallhilfe für besonders gefährdete Bereiche

Ausgehend vom Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtages von 1985 wurden die Schutzwälder gründlich analysiert. Dabei zeigte sich, dass insgesamt rd. 10 % der Schutzwälder im bayerischen Hochgebirge ihre Schutzfunktion nur noch bedingt erfüllen (vgl. Tabelle). Zur Wiederherstellung der Schutzwirkung wurde daher ein Schutzwaldsanierungsprogramm eingeleitet. Dieses zielt auf die Sicherung und Wiederherstellung der Schutzfunktion der Bergwälder in Bereichen, in denen der Zustand des Schutzwaldes gefährdet ist und die Sicherung der Schutzfunktion im Rahmen der regulären Waldpflege nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Der Schwerpunkt liegt bei biologischen Maßnahmen. So wurden bisher fast 10 Mio. herkunftsgerechte Pflanzen bevorzugt auf Sanierungsflächen mit Objektschutz ausgebracht. Um die Waldverjüngung vor Schäden durch Gleitschnee und Lawinen zu schützen, werden soweit notwendig, temporäre Verbauungen aus Holz errichtet. Wichtiger Bestandteil dieses Programms ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich Wälder natürlich regenerieren können. Dazu gehören insbesondere die Trennung von Wald und Weide sowie die Anpassung der Schalenwildbestände. Für die Sanierung der Schutzwälder wurden seit 1986 rund 45 Mio. € ausgegeben.

 Anzahl GesamtAnzahl VordringlichFläche in ha GesamtFläche in ha Vordringlich
Gefährdungsfläche48-29.738-
Sanierungsgebiete20054130.45728.395
Sanierungsflächen1.17142012.6114.613

Die routinemäßigen Erfolgskontrollen aller Flächen zeigen, dass das Programm insgesamt erfolgreich ist. Auf rund 60 % der Flächen wächst wieder Schutzwald nach, teilweise mit Einschränkungen bei der Baumartenzusammensetzung. Lediglich auf 10 % der Flächen misslang die Sanierung bisher, insbesondere in den Anfangsjahren des Programms. Hauptgründe für Rückschläge waren anfängliche Fehleinschätzungen der zum Teil sehr schwierigen und extremen Standortsbedingungen auf den Sanierungsflächen sowie starke Verbissschäden durch Schalenwild. Auf Grund der mittlerweile vorhandenen fundierten Erfahrungen konnten Arbeitsverfahren optimiert und damit die Erfolgsaussichten deutlich erhöht werden. Insgesamt werden noch umfangreiche Anstrengungen erforderlich sein, um die angestrebten Ziele vollständig zu erreichen.

Die Schutzwaldsanierungsmaßnahmen dienen langfristig auch dem vorbeugenden Hochwasserschutz. Entscheidend hierbei ist die Rolle des Waldes zum Schutz vor Erosion. Die Bestockung besonders kritischer Bereiche kann den Bodenabtrag und damit den Massentransport bei Starkregen verringern. In dem Beschluss des Bayerischen Landtages vom 09.05.2001 zur Fortführung der Schutzwaldsanierung wurde der Hochwasserschutz als eine der Schwerpunktaufgaben besonders hervorgehoben.

Ausblick

Wald ist unbestritten die beste Vegetationsform im Bezug auf den Hochwasserschutz, wenngleich die Möglichkeiten des Waldes nicht überschätzt werden dürfen. Hochwasserereignisse sind Naturkatastrophen, die auch in Zukunft auftreten werden. Waldbesitzer und Forstleute können aber dazu beitragen, die Hochwasserspitzen zu dämpfen und damit ihre schädlichen Auswirkungen zu vermindern. Walderhaltung und eine zielgerechte Waldbewirtschaftung in den Wassereinzugsgebieten sind daher wesentliche Elemente des vorbeugenden, flächigen Hochwasserschutzes.