Im Zuge der allgemeinen Klimaerwärmung dürften Borkenkäfer in Zukunft vermehrt auftreten und vor allem bei häufigeren Witterungsextremen massgeblich zur Bestandesdynamik der heutigen Nadelholzwälder beitragen. Wir müssen damit rechnen, dass Schutz- und Wirtschaftswälder ihre Funktionen nicht mehr überall im gewohnten Mass erfüllen können. Deshalb sollten finanzielle und personelle Ressourcen gezielt und koordiniert eingesetzt werden, um eine möglichst nachhaltige Erfüllung regional wichtiger Waldfunktionen zu gewährleisten. Gängige Forstschutz-Strategien müssen überdacht und angepasst werden, um der ausserordentlichen Käfersituation Rechnung zu tragen. Wo aus ökonomischen, ökologischen oder logistischen Gründen keine Forstschutz-Massnahmen getroffen werden (Abb. 1), müssen wir eine natürliche Waldentwicklung mit verstärkt auftretendem Käferbefall akzeptieren (Abb. 2).

Die folgenden Kapitel sind eine Zusammenfassung des WSL-Merkblattes für die Praxis Sturm, Witterung und Borkenkäfer Risikomanagement im Forstschutz (PDF).

Einflüsse auf die Käferentwicklung

Die wichtigsten Witterungseinflüsse auf die bedeutenden Borkenkäferarten sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Auf warme und trockene Vegetationsperioden reagieren neben dem Buchdrucker vor allem auch der Krummzähnige Weisstannenborkenkäfer (Pityokteines curvidens) sowie verschiedene Föhrenborkenkäfer-Arten wie die Waldgärtner (Tomicus spp.), der Sechszähnige Föhrenborkenkäfer (Ips acuminatus) oder der Zwölfzähnige Föhrenborkenkäfer (Ips sexdentatus). Nach Sturmereignissen hingegen neigen Tannen- und Föhrenborkenkäferarten weniger deutlich zu Massenvermehrungen.

Tab.1 Naturereignisse als Einflussfaktoren auf Massenvermehrung und nachfolgenden Stehendbefall für verschiedene Borkenkäferarten. *** deutlicher Einfluss, ** mässiger Einfluss, *eher geringer Einfluss

 Trocken­heitSturmSchnee­druck
Buchdrucker********
Kupferstecher**(*)****
Krummzähniger Weisstannen­borkenkäfer******
Borkenkäferarten der Föhre*****
Borkenkäferarten an übrigem Nadelholz****

In Abbildung 3 sind die Faktoren dargestellt, welche die Grösse einer Käferpopulation beeinflussen: 

Je geschwächter ein Baum, desto weniger Borkenkäfer braucht es für eine erfolgreiche Besiedelung. Sind nach einem Ereignis die verbleibenden Bäume vorübergehend stark gestresst, werden sie für die Käfer hoch attraktiv. Es ist mit vermehrtem Stehendbefall zu rechnen. Bei sehr hohem Käferdruck werden gar weitgehend widerstandsfähige Bäume befallen: Wir beobachten das Phänomen des so genannten Primärbefalls. Der Gesundheitszustand und damit die Widerstandskraft der verbleibenden Waldbestände spielt somit eine zentrale Rolle (Abb. 4).

Neben der Witterung schaffen auch Ereignisse wie Feuer oder Lawinen attraktives Brutmaterial für Borkenkäfer, dies jedoch nur auf lokaler Ebene. Benachbarte, nicht betroffene Waldbestände erleiden keine Schwächung und sind wesentlich widerstandsfähiger, als wenn eine ganze Region von Sturmschäden oder Trockenheit betroffen ist.

Borkenkäfer bekämpfen oder nicht?

Ob und wo eingegriffen wird, hängt weitgehend von den Funktionen der betroffenen Waldbestände ab. Durch einen naturnahen Waldbau mit standortsgemässen Baumarten und durch die rechtzeitige Abfuhr oder Entrindung von frischem Sturm- und Nutzholz kann das Brutangebot für die Käfer tief gehalten werden (Abb. 5). 

Nach grossflächigen Sturmereignissen ist es jedoch oft nicht möglich, die erforderlichen Massnahmen rechtzeitig durchzuführen, weshalb Prioritäten auf bestimmte Geländekammern gesetzt werden müssen. Die klassischen Massnahmen behalten dabei weiterhin ihre Gültigkeit. Zwangsnutzung bei Stehendbefall – inklusive Vernichten der Bruten oder raschem Abführen befallener Stämme – ist für eine Reduktion der Populationsdichte entscheidend (siehe Abb. 3).

Das klassische Borkenkäfer-Management

  • naturnaher Waldbau
  • Abfuhr von befallstauglichem Stammholz
  • Überwachung gefährdeter Bestände
  • Rasche Zwangsnutzung bei Stehendbefall
  • Entrinden oder Abführen befallener Stämme
  • Beachtung und Schonung natürlicher Borkenkäferfeinde

Eine vorbeugende Räumung von Sturmholz entzieht den Borkenkäfern geeignetes Brutmaterial. Rechtzeitige Zwangsnutzungen bei Stehendbefall reduzieren die Populationsdichte. Beide Massnahmen tragen zur Eindämmung einer Massenvermehrung bei.

Vorbeugende Massnahmen

Die wichtigsten vorbeugenden Massnahmen bieten sich im Waldbau. Werden standortsgerechte Bestandeszusammensetzungen geschaffen und gleichförmige, gleichaltrige Nadelholzbestände mit hohen Vorräten vermieden, sinkt das Risiko eines Sturmwurfs. Auch die Vermehrung und Ausbreitung der Borkenkäfer wird erschwert. Mischbestände und eine vielfältige Struktur verhindern einen flächigen Käferbefall. Sollte trotzdem eine Baumart ausfallen, können andere Arten die Schutzfunktion übernehmen.

Eine geschickte Nutzungsplanung und Schlagfolge minimieren die so genannten Steilränder, welche Wind und Käfern immer wieder geeignete Angriffsflächen bieten. Nach heisstrockenen Sommern oder Windwurf sollte auf ausgedehnte, reguläre Durchforstungen verzichtet werden, bis sich die Waldbestände wieder erholt haben.

Prioritätensetzung und Risikomanagement

Bei Sturmschäden von bis zu drei Jahresnutzungen behalten bestehende Waldschutzkonzepte meist ihre Gültigkeit. Ein Grossteil des Fichten-Sturmholzes kann rechtzeitig aufgerüstet werden, bevor eine neue Käfergeneration ausfliegt. Bei grösseren Ereignissen müssen oft regionale Prioritäten gesetzt und so genannte Forstschutzgebiete ausgeschieden werden. Gebiete oder Geländekammern mit Massnahmen sollten dabei möglichst kompakt und grossflächig sein. Hundert Hektaren gelten dabei wegen einfliegender oder durch Wind verfrachteter Käfer als minimaler Perimeter.

Halbherzige Massnahmen innerhalb einer Geländekammer nützen nur wenig oder sind gar kontraproduktiv, da die Käferpopulation zu wenig reduziert wird und neu freigestellte Bäume bei hohem Käferdruck bevorzugt befallen werden. Sturmholz und Käferdruck müssen soweit vermindert werden können, dass kein epidemischer Befallsverlauf auftritt (siehe Abb. 4). Dies wird nach einem mittelstarken Sturmereignis und durchschnittlichen Befallsbedingungen ab einem Räumungsgrad von etwa 80 Prozent des Sturm- und Käferholzes erreicht. Eine Ausnahme bilden grosse Flächenschäden. Hier kann auch mehr Sturmholz liegen bleiben. Auf mehreren Hektaren grossen Windwurfflächen reicht die lokale Borkenkäfer-Grundpopulation häufig gar nicht aus, um alle Stämme zu befallen (Abb. 6).

Pufferzonen

Liegen Geländekammern mit und ohne Forstschutz-Massnahmen nebeneinander, kann dies im Grenzbereich zu erhöhtem Käferbefall führen. Attraktive Randbäume entlang sanierter Befallsherde werden neu besiedelt, falls der Befallsdruck aus der Geländekammer ohne Massnahmen hoch bleibt. Deshalb sind Pufferzonen nicht in Fichtenbeständen mit einer direkten Schutzfunktion zu planen, sondern in einem genügend breiten Randbereich einer Geländekammer mit Massnahmen.

Eine Pufferzonenbreite von 500 Metern hat sich in der Praxis bewährt. Noch besser ist es, wenn unterschiedlich behandelte Waldkomplexe durch Gebirgsketten, Alpweiden, Siedlungen oder Laubholzbestände natürlich abgegrenzt werden können.

Brutmaterial reduzieren

Nach einem Windwurf werden beim Aufrüsten des Sturmholzes nicht nur räumliche und zeitliche Prioritäten gesetzt. Die Massnahmen können noch weiter verfeinert werden. Das Ziel besteht immer darin, den Käfern in den Folgemonaten (bis etwa zwei Jahren) möglichst wenig attraktives Brutmaterial anzubieten.

Gebrochene, gut besonnte Stämme werden sehr rasch bruttauglich, geworfene, beschattete erst einige Wochen bis gar Monate später. In diesem Fall lohnt sich unter Umständen sogar eine vorübergehende, so genannte Lebendkonservierung. Können hingegen nicht alle liegenden Stämme rechtzeitig entfernt werden, muss man jene belassen, die rasch austrocknen und bald nicht mehr bruttauglich sind.

Massnahmen nach Stehendbefall

Auch wenn sich das Sturmholz nicht im gewünschten Mass aufgerüsten lässt, ist die Käferbekämpfung bei Stehendbefall von höchster Priorität. Frisch entstehende Käfernester dürfen auf keinen Fall zugunsten einer weiteren Sturmholzräumung vernachlässigt werden. Tritt Stehendbefall auf, ist das liegende Sturmholz meist schon deutlich angetrocknet und für Borkenkäfer bald nicht mehr attraktiv.

Ausgedehnter Stehendbefall ist für die Waldbesitzer und Forstbetriebe eine grosse Herausforderung. Überwachung, Zwangsnutzung, Zwischenlagerung und rechtzeitige Abfuhr oder Entrindung des Holzes müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Wo Massnahmen getroffen werden, darf keine neue Käfergeneration mehr ausfliegen! Um eine Wirkung zu erzielen, muss das Holz deshalb vor dem Ausfliegen der Borkenkäfer abgeführt oder entrindet sein. Gelingt dies nicht, werden oft freigestellte Randbäume neu befallen (Abb. 7).

Massnahmen nach Trockenjahren

Trockenheit und Hitze können die Widerstandskraft der Bäume entscheidend reduzieren und so eine Massenvermehrung von Borkenkäfern auslösen. Normalisiert sich die Witterung in den Folgejahren, erholen sich dieWirtsbäume. Ihre Abwehrkraft gegen Käferbefall nimmt wieder zu. Durch die Nutzung frisch befallener Bäume lässt sich die Käferpopulation und der Befallsdruck reduzieren, so dass die Population nach einem oder mehreren Trockenjahren rascher wieder zurückgeht, als wenn sich die Borkenkäfer ungehindert vermehren (siehe Abb. 4).

Während ausserordentlichen Trockenperioden sollte auf reguläre Durchforstungen verzichtet werden. Jeder Eingriff stresst die verbleibenden Bäume zusätzlich und ihre Attraktivität für die Käfer steigt dadurch weiter an.

Literatur

Literaturverweise finden sich im Originalartikel (PDF).

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