Mehraufwand und Kosten bei der Bereitstellung von Ökosystemleistungen im Wald von Baden-Württemberg

Mehrkosten bei der Holzernte

Was der Erhalt der ökologischen Leistung des Waldes kostet und wieviel Geld bei der Waldbewirtschaftung für die Erholungsvorsorge ausgegeben wird, lässt sich auf Basis des ViWalDi-Projekts in Baden-Württemberg erstmals konkret darstellen. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, den Beitrag der Forstwirtschaft für die Gesellschaft im Bereich der Ökosystemleistungen zu präsentieren. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass bei der Dokumentation der Ökosystemleistungen noch deutliche Verbesserungen nötig sind.

Hintergrund

Die Gesellschaft erwartet von der Forstwirtschaft zunehmend Leistungen für den Naturschutz und die Erholungsnutzung. Dadurch wird die Waldbewirtschaftung mit zusätzlichen Ökosystemleistungen, wie beispielsweise das Natura-2000-Gebietsmanagement, das Alt- und Totholzkonzept und die Bereitstellung von Erholungswald erweitert. Der genaue Umfang dieser Leistungen und der damit verbundene Mehraufwand sind bisher nicht bekannt und werden in den Buchungssystemen nur unzureichend erfasst.

Das Projekt "Visualisierung von Walddienstleistungen" (ViWalDi) der FVA hat ermittelt, wo und in welchem Umfang zusätzlicher Aufwand für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen erbracht wird. Über einen Zeitraum von vier Jahren wurden naturale und betriebswirtschaftliche Daten von mehr als 350 einzelnen Maßnahmen in Waldflächen aufgenommen, in denen Naturschutz- und Erholungsaspekte eine sehr unterschiedliche Bedeutung aufweisen. Arbeitsaufwand der Revierleitungen (Stundenaufschriebe), Holzerntekosten der Maßnahmen sowie Details zu den unterschiedlichen Ansprüchen an Ökosystemleistungen auf der Fläche wurden aus 94 Revieren in 26 unteren Forstbehörden gesammelt, um den Aufwand der verschiedenen Restriktionen zu vergleichen.

Ergebnisse

Die meisten Maßnahmenflächen im Wald sind mit einer oder mehreren Restriktionen belegt.

Ausgewählte Zusatzaufgaben bei Holzerntemaßnahmen:

Während der Hiebsplanung:

  • Genaueres Kartenstudium (z.B. Grenzen FFH-Gebiet, Lebensraumtyp-und Artenschutzfläche, Biotope)
  • Begang mit Naturschutz- oder Artenschutzexpert*innen
  • Zusammenarbeit mit Straßenverkehrsamt, Gemeinde, Polizei für Sperrungen/Umleitungen
  • Informationen über Sperrungen/Umleitungen an Anwohnende, Touristen, Besuchende veröffentlichen
  • Besonderheiten in Ausschreibungen/Arbeitsaufträgen definieren

Während des Auszeichnens:

  • Habitatbaumgruppen auswählen, markieren oder nachmarkieren
  • Waldbiotop-/FFH-/Artenschutzmaßnahmen planen und anweisen
  • Verkehrssicherung von Erholungseinrichtungen oder öffentlichen Straßen planen und anweisen

Während der Holzernte:

  • Besprechungen der Revierleitung mit Waldarbeitenden oder Unternehmer*innen zu besonderen Gefahren, Seilarbeiten, Biotopen/Waldrefugien
  • Maßnahmen zur Bodenschonung: Seilarbeiten, Moor-Bänder, etc.
  • Seilarbeiten für Verkehrssicherung
  • Baumartenänderung aus Naturschutzgründen

Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Mehraufwand bei Maßnahmen mit Naturschutz- und Erholungsaspekten und dem damit verbundenen erweiterten Aufgabenspektrum im Vergleich zu Holzerntemaßnahmen ohne Restriktionen.

Während die Holzernte ohne Restriktionen einen Arbeitsaufwand (von der Hiebsplanung bis zur Holzaufnahme) von durchschnittlich 4,6 Stunden pro Hektar (h/ha) Maßnahmenfläche verursacht, können Naturschutzrestriktionen wie Waldbiotope, FFH-Gebiete oder Bodenschutz den Aufwand deutlich erhöhen. Im Fall von kombinierten Restriktionen mit Verkehrssicherung (VKS), kann sich der Aufwand sogar mehr als verdoppeln.

Für das Auszeichnen einer Hiebsmaßnahme benötigt die Revierleitung durchschnittlich 2,1 Stunden pro Hektar. Die Dauer des Auszeichnens erhöht sich auf 2,6 Stunden pro Hektar, wenn mit der Maßnahme Habitatbaumgruppen (HBG) angelegt werden.

Die Kosten der Holzernte zeigen ebenfalls einen signifikanten Anstieg bei Maßnahmen mit zusätzlichen Ansprüchen durch Ökosystemleistungen, besonders in Kombination mit Verkehrssicherungsaufgaben.

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Verbuchungspraxis

Obwohl die Verbuchungssystematik des FOKUS-Systems grundsätzlich eine anteilige Verbuchung erlaubt, wird von dieser Möglichkeit nur wenig Gebrauch gemacht. Von allen im ViWalDi-Projekt aufgenommenen und verbuchten Maßnahmen mit faktischem Mehraufwand für Erholungsnutzung und Verkehrssicherung waren diese Zusatzleistungen nur bei 37 % auch im Kosten-Leistungsrechnungs-System als solche verbucht. Bei Naturschutzrestriktionen wurden nur 9 % der Maßnahmen korrekt verbucht. Hier zeigt die Studie ein beträchtliches Potenzial an Chancen auf: Durch eine verursachungsgerechtere Verbuchung und die entsprechende Kommunikation können die Beiträge von ForstBW und der Landesforstverwaltung zu Naturschutz und Erholungsvorsorge in ein wesentlich besseres Licht gerückt werden. Innerbetrieblich bietet die genauere Verbuchung (d.h. Kostenklarheit) die Möglichkeit, ökonomisch präzisere Entscheidungen zu treffen. Eine Verbesserung der Verbuchungspraxis lässt sich über verschiedene Wege umsetzen:

  1. Erweiterung der Verbuchungssysteme und Verbesserung der Verbuchungspraxis
    Eine detailliertere Vor-Ort-Verbuchung kann theoretisch eine exakte und flächenscharfe Dokumentation aller Maßnahmen in einem System bewirken. Jedoch werden Aufwand und Komplexität für die handelnden Akteure auf der Fläche deutlich erhöht und die dezentralen Unterschiede in der Verbuchung verstärkt. Zusätzlich wäre eine einigermaßen konsistente Umsetzung nur über eine deutliche Erhöhung der Trainings- und Kontrollintensität sicherzustellen.
  2. Automatisierte Verteilung von Kosten zu Produktbereichen
    Basierend auf den Projektergebnissen könnte eine automatisierte Verteilung der Gesamtkosten auf unterschiedliche Buchungszeichen vorgenommen werden. Die Komplexität der Verbuchung vor Ort würde reduziert. Diese Vorgehensweise wäre damit mit den geringsten Kosten verbunden. Allerdings können in der Folge diese Mehraufwendungen kaum einzelnen Maßnahmen und Flächen zugeordnet werden. Zudem hätten die im Projekt erhobenen Ergebnisse aufgrund sich ständig ändernder Rahmenbedingungen nur eine sehr begrenzte Gültigkeitsdauer. In der Folge könnten die Ergebnisse von Kritikern angezweifelt werden, wenn die zugrunde liegenden Werte nicht regelmäßig kontrolliert und erneuert würden.
  3. Stichprobenbasiertes Monitoring der Ökosystemleistung
    Eine exemplarische Begleitung von Einzelmaßnahmen durch eine "Monitoringstelle" stellt einen dritten möglichen Weg für die Dokumentation von Ökosystemleistungen dar. Da die Verbuchung in diesen Fall von Spezialisten vorgenommen würde, könnte eine sehr detaillierte und treffsichere Verbuchung vorgenommen werden. Eine Hochrechnung der Ergebnisse auf höhere Aggregationsebenen wäre leicht möglich. Auch hier tritt eine deutliche Entlastung der Akteure vor Ort ein. Falls nur eine Stichprobenauswahl stattfindet, existieren allerdings nur, "echte" Informationen über beispielhafte Einzelflächen. Mit dieser Methode wäre, bei begrenztem organisatorischem Aufwand, eine schnelle Verbesserung der Datenqualität möglich.