Seit Februar 2010 werden im baden-württembergischen Staatswald im Rahmen des Alt- und Totholzkonzeptes (AuT) von ForstBW Habitatbäume, Habitatbaumgruppen (HBG) und Waldrefugien ausgewiesen und stillgelegt. Dieses Konzept ist Teil der "Gesamtkonzeption Waldnaturschutz" von ForstBW.

Mit der Flächenstilllegung aus naturschutzfachlichen Gründen ist auch die Stilllegung von produktiver Holzbodenfläche verbunden. Das hat finanzielle Auswirkungen. Zusätzlich haben besonders die HBG durch ihre Anreicherung von Totholz einen Einfluss auf die Arbeitssicherheit, da diese in bewirtschafteten Hauptnutzungsbeständen ausgewiesen werden. Im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Abteilungen Waldnaturschutz und Forstökonomie der FVA wurden 100 zufällig ausgewählte HBG im baden-württembergischen Staatswald untersucht. Dabei wurden ökologische und ökonomische HBG- und einzelbaumbezogene Merkmale erhoben. Die Lage der Randbäume wurde für die Flächenberechnung aufgenommen.

Die finanziellen Auswirkungen der HBG resultieren aus einer Vielzahl von Einzelfaktoren:

1. Produktionsverlust

Mit der Stilllegung einer Waldfläche muss der aufstockende Bestand betriebswirtschaftlich abge­schrie­ben werden. Für den Produktionsverzicht hat sich in den vergangenen Jahren ein Verfahren von Möhring & Rüping (2006) etabliert, in dem ein jährlicher Produktionsverzicht in Euro/ha berechnet wird. In der ökonomischen Terminologie handelt es sich um eine Annuität, die wiederum das jährliche Pendant zum so genannten Kapitalwert einer Umtriebszeit ist. Dieses Konzept wird vom deutschen Forstwirtschaftsrat für die Bewertung von Nutzungsverzichten unter­schied­licher Art empfohlen. In die Berechnung des Holzproduktions­wertes fließen die Aufwandsbestandteile wie Pflanzung, Pflege von Jungbeständen sowie die Holzerntekosten ein. Der Holzproduktionswert wird maßgeblich von Baumart, Bonität und dem Natur­ver­jün­gungs­anteil bestimmt. Für die Kalkulation sind die Flächengröße der einzelnen HBG und die genaue Baumartenzusammensetzung entscheidend.

2. Erhöhter Verwaltungsaufwand

Auswahl und Markierung der HBG sind zusätzliche Aufgaben, die in die tägliche Arbeit der Revierleitungen integriert werden müssen. Es verdichten sich die Kenntnisse, dass die Berücksichtigung von Naturschutzaspekten die "normalen" Betriebsarbeiten verteuert.

3. Erhöhter Arbeitsaufwand im verbleibenden Bestand zur Arbeitssicherheit

Da die Anreicherung von Totholz, das in der Forstwirtschaft weiterhin zu Unfällen führt (Dietz et al., 2010), zu einem Spannungsfeld zwischen Arbeitssicherheit und Naturschutz führt, kann die Arbeitssicherheit bei diesem Konzept nicht außer Acht gelassen werden. Dies kann zu Mehraufwand in der Ausbildung, Verwaltung und den Holzerntemaßnahmen führen.

Überblick über Beschaffenheit und Größe der HBG

Die HBG sollen aus einem oder mehreren Bäumen (so genannten Kristallisationsbäumen) bestehen, die besondere Habitate aufweisen, sowie weiteren Bäumen, im Mittel ca. 15 Bäumen. Die Auswertung der Baumzahlen zeigte, dass die Mehrheit der HBG den Orientierungswert von 15 Bäumen nicht erreicht. Derzeit liegt der Mittelwert bei 11 Bäumen. Die aktuelle Verteilung ist in Abb. 2 zu sehen.

Auf Grundlage des FVA-Datensatzes wurden die überschirmten Flächen mittels eines konvexen Stammfußpolygons, das um den Radius der Randbaumkronen erweitert wurde, berechnet. Dies ergab, dass die durchschnittliche HBG eine Flächengröße von 582 m² erreicht.

Kosten für Produktionsverlust

Für diese Kalkulation wurde ein Naturverjüngungsanteil (NV) von 70% unterstellt. Bei der Baumartenkonstellation, ermittelt nach Flächenanteilen der Überschirmung, erreicht die Annuität der HBG-Flächen einen Hektarwert von 107,43 €/ha/Jahr. Dies sind, bei knapp 600 m²/HBG in etwa 6 €/Jahr/HBG, die nicht mehr aus der forstlichen Produktion generiert werden können. Hochgerechnet für den Zielwert von 2.300 ha HBG-Fläche summiert sich der Produktionsverzicht dauerhaft auf ca. 250.000 €/Jahr. Wie bereits ausgeführt, stellt dies nur einen Teil der Gesamtkosten dar.

Arbeitssicherheit und Arbeitsorganisation

Neben der Datenerhebung auf der Fläche wurden hier auch drei Experten befragt, wie das AuT Konzept unter dem Blickwinkel der Arbeitssicherheit zu beurteilen ist. Dabei wurde klar, dass das Thema Arbeitssicherheit schon bei der Konzeption des AuT eine große Rolle spielte und beispielsweise dazu geführt hat, dass eine Konzentration auf eine HBG je drei Hektar vorgenommen wurde.

Dies beruht auf der Annahme, dass der HBG eine wichtige Bündelungsfunktion zukommt. Außerhalb der HBG kann eine Minimierung des Totholzanteils angestrebt werden, während in den HBG diese Strukturen vermehrt auftre­ten. Gleichzeitig wurde aber auch benannt, dass diese Wirkung nur eintritt, wenn diese Gruppen klar und auch aus größerer Entfernung identifiziert werden können.

Dem widersprach, dass ca. 14% der HBG durch unsere Mitarbeitenden im Gelände trotz Kenntnis der GPS-Daten nicht auffindbar waren. Die Ursachen können vielfältig sein, wobei die Verblassung der Markierung sicherlich eine wesentliche Rolle spielte (Abb. 3). Nicht erkennbare HBG sind weder vor Eingriffen geschützt, noch wird die Warnfunktion der Markierung erhalten.

Die Untersuchung der Entfernung der HBG zu Wegen zeigt, dass nur 9% der HBG Kontakt mit Maschinenwegen hat, es aber nicht gelingt, Rückegassen und HBG räumlich zu entzerren. In 40% der Fälle haben Rückegassen Kontakt zur HBG; in weiteren 32% liegen die Rückgassen in weniger als einer Baumlänge Entfernung (Abb. 4). Hier muss im Hinblick auf den steigenden Totholzanteil in den HBG zunehmend mit Zusatzaufwand und -risiken bei der Holzbringung gerechnet werden.

Zusammenfassend ist der Produktionsverzicht der HBG merklich und sollte mit den weiteren Aufwandskomponenten des AuT in der Ressourcenplanung berücksichtigt werden. Die Ausweisung der HBG hat auf die Arbeitssicherheit positive Effekte, die jedoch von einer guten Sichtbarkeit der Markierung abhängen. Eine Konzentration auf wenige größere HBG, ist unter Aspekten der Arbeitssicherheit, aber auch aus Kostengründen, wünschenswert.