Abb. 2 - Konsolenpilz an einer Buche. Der Pilz ist entscheidend bei der Holzzersetzung der Habitatbäume beteiligt. Foto: Michael Bühler (ETH Zürich)
Abb. 3 - Die Baumhöhle in einem alten Habitatbaum bietet zahlreichen Tierarten, z.B. Mulmkäfern oder Fledermäusen ein Zuhause. Foto: Rita Bütler
Abb. 4 - Das Braunes Langohr ist besonders in lichten Laub- und Nadelholzgebieten mit hohem Alt- und Totholzanteil anzutreffen. Diese Waldfledermausart zieht ihre Jungen u.a. in Baumhöhlen auf. Foto: Mnolf (wikipedia)
Abb. 5 - Eiche mit wertvollen Totholzstrukturen im Kronenbereich. Foto: Doris Hölling (WSL)
Abb. 6 - Ein gut getarnter Zimmermannsbock auf einem Föhrenstamm. Er richtet keine großen wirtschaftlichen Schäden an, da er nur Totholz, Windbruch-Holz, Baumstümpfe und stark geschwächte Bäume befällt. Foto: Doris Hölling (WSL)
In bewirtschafteten Wäldern herrscht ein Mangel an alten, starken Bäumen, die im Naturwald einer Vielzahl an Arten Lebensraum bieten. Insbesondere Arten, die auf Totholz, Höhlen, Mulm oder andere Sonderstrukturen angewiesen sind, finden daher keine ausreichenden Lebensgrundlagen in bewirtschafteten Wäldern und viele sind in ihrer Existenz gefährdet. Dieser Mangel lässt sich durch den Erhalt von einzelnen Habitatbäumen, die den Reife- und Alterungsprozess bis zum Absterben durchlaufen, wenigstens teilweise beheben.
Untersuchungen im Forstbetrieb Baden (Kanton Aargau) zeigen, dass das Belassen einer bestimmten Anzahl an Habitatbäumen weder einfach noch billig ist. Ab einer Anzahl von drei oder mehr Habitatbäumen je Hektare müssen Bäume von geringem ökologischen Wert gewählt werden, weil nicht genügend geeignete Bäume existieren.
Ökologisch wertvolle Bäume sind qualitativ oft schlecht und werden daher im Laufe der Pflege entnommen. Unsere Berechnungen zeigen, dass der Erhalt solcher Bäume den Betrieb je nach Bestandesdichte zwischen 140 und 180 Franken je Habitatbaum kostet. Dies sind die entgangenen Erlöse (erntekostenfrei), die durch das Belassen resp. nicht Ernten dem Betrieb entstehen.
Je dicker desto wertvoller
Tote Äste, Faulstellen, Höhlen, Risse, Spalten, Zwiesel, borkige Rinde, Rindentaschen, Rindenverletzungen, Moos- und Flechtenbewuchs sowie andere Sondermerkmale bilden wichtige Lebensräume für viele Arten. Sie entstehen zumeist erst mit der Alterung der Bäume. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der ökologische Wert von Bäumen mit steigendem Durchmesser signifikant zunimmt (r=0.45).
Der ökologische Wert wurde berechnet, indem alle vorhandenen Strukturelemente erfasst und deren Eignung für jede der fünf Artengruppen "Fledermäuse, Vögel, Insekten, Flechten und Pilze" getrennt mit Punkten bewertet und aufsummiert wurde. Bäume mit Brusthöhendurch-
messern (BHD) kleiner als 40 cm weisen durchwegs tiefe ökologische Werte auf.
Von den bewerteten 461 Bäumen (375 Bäume > 40 cm BHD, 86 Bäume < 40 cm BHD) waren Eichen und Kiefern ökologisch besonders wertvoll. Die übrigen Baumarten, allen voran Fichte und Esche, wiesen im Mittel nur tiefe ökologische Wert auf. Mit Ausnahme von Fichte, Tanne und Esche finden sich auch bei den übrigen Baumarten vereinzelt Bäume mit hohen bis sehr hohen Habitatwerten. Diese sind aber wenig zahlreich.
Weniger ist mehr – und billiger
Verschiedene Bundesländer in Deutschland sowie Vorschläge in der Schweiz empfehlen oder verlangen die Erhaltung einer fixen Mindestanzahl an Habitatbäumen. Die geforderten Mindestmengen liegen zwischen 3 und 10 Habitatbäumen je Hektare. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob überhaupt genügend ökologisch wertvolle Bäume vorhanden sind, um diese Forderungen resp. den beabsichtigten Zweck auch erfüllen zu können.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die ökologischen Grenzwerte, die mittleren erntekostenfreien Erlöse pro Baum sowie die gesamten Verluste (summierte
erntekostenfreie Erlöse) für den Forstbetrieb Baden, die beim Erhalt einer bestimmten Menge von Habitatbäumen je Hektare entstehen würden. Es ist zu erkennen, dass im untersuchten Forstbetrieb von Baden (für die 390 ha Wirtschaftswald) bei drei Habitatbäumen je Hektare Bäume mit einem ökologischen Wert von 157 oder mehr Punkten (ca. 50 % des maximal gefundenen Wertes) ausgewählt werden können. Bei fünf Bäumen je Hektare müssen Bäume mit einem ökologischen Wert von lediglich 117 Punkten und bei 10 Bäumen von gar nur 67 Punkten belassen werden. Mit zunehmender Dichte an Habitatbäumen sinkt demnach ihr ökologischer Wert. Die angestrebte Wirkung lässt sich also nur teilweise erreichen, da nicht genügend geeignete "Habitatbäume" vorhanden sind.
Offensichtlich werden Bäume, die geeignet wären und bereits ab 40 cm BHD vorkommen, bei den Durchforstungen entnommen, wohl um die ökonomisch wertvollen Bäume zu begünstigen. Viele der heute vorhandenen, ökologisch wertvollen Bäume stammen zudem noch aus der Zeit der Mittelwaldwirtschaft (insbesondere Eichen, aber auch Kiefern und Buchen). Solche Bäume werden in den Hochwaldbeständen von heute nicht mehr entstehen, was künftig die Anzahl an geeigneten, wertvollen Habitatbäumen noch mehr reduzieren dürfte.
Aufgrund unserer Ergebnisse ist die Forderung nach einer fixen Anzahl an Habitatbäumen je Hektare nicht zielführend, da Bäume belassen werden müssen, die zwar Kosten für den Waldeigentümer verursachen, ökologisch aber wenig wertvoll sind und den beabsichtigten Zweck kaum erfüllen können. Von grossem ökologischen Wert sind Bäume aus dem ehemaligen Mittelwald, die über grosse Kronen und viele Strukturen verfügen. Dies gilt ganz besonders für alte Mittelwaldeichen, die noch lange erhalten bleiben können und in dieser Form und Qualität nicht mehr entstehen werden.
Wieviel kostet ökologische Qualität?
Die Menge an Habitatbäumen, die belassen werden sollen, hängt nicht allein von ihrem ökologischen Wert ab. Wesentlich sind auch die Kosten, die dem Forstbetrieb erwachsen. Die Erfassung des erntekostenfreien Erlöses aller untersuchter Bäume erlaubt es uns, für verschiedene Dichten von Habitatbäumen je Hektare die Kosten resp. den entgangenen Erlös für den Betrieb Baden zu ermitteln.
Der ökonomische Wert jedes Baumes wurde vereinfacht aus dem gegenwärtigen Holzerlös abzüglich der Erntekosten errechnet. Mittels Volumenfunktion (BHD, Baumhöhe und Durchmesser in 7m Höhe) sowie einer Sortimentsansprache am stehenden Baum wurde der gegenwärtige Holzerlös für jeden Baum berechnet. Die künftige Werterwartung noch nicht hiebsreifer Bäume wurde dabei unberücksichtigt gelassen. Die errechneten Werte sind folglich als minimale Kosten zu verstehen.
Ökonomischer und ökologischer Wert sind positiv korreliert (r=0.35), was tendenziell auf eine Konfliktsituation zwischen Naturschutz und Holzproduktion hindeutet. Vor allem bei Eiche weisen ökologische wertvolle Bäume oft einen hohen erntekostenfreien Erlös auf. Diese Konflikte bei der Eiche wurden auch in einer unserer weiteren Untersuchungen bestätigt (Mordini und Rotach 2010).
Da die Verteilung der ökonomischen wie der ökologischen Werte jedoch stark streut, finden sich auch Bäume, die ohne grosse Konflikte resp. ökonomische Verluste erhalten werden können. Bäume, die einen hohen ökologischen Wert und gleichzeitig einen tiefen ökonomischen Wert aufweisen, sollten unbedingt erhalten bleiben. Unsere Untersuchung zeigt, dass solche Bäume zwar vorkommen, aber nur in sehr beschränkter Anzahl. Offensichtlich werden qualitativ schlechte, ökonomisch uninteressante, ökologisch aber wertvolle Bäume im Laufe der Pflege entnommen, um die qualitativ wertvollen Bäume zu fördern.
Der Mangel an ökologisch wertvollen, ökonomisch wenig interessanten Bäumen führt dazu, dass der Erhalt nennenswerter Mengen an Habitatbäumen je Hektare zu sehr hohen finanziellen Kosten für den Betrieb führt und ohne Entschädigung vom Waldbesitzer nicht erwartet werden kann.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die entstehenden Kosten und die ökologischen Grenzwerte, die im Forstbetrieb Baden für verschiedene Anzahlen an Habitatbäumen zu erwarten wären. Es wird klar ersichtlich, dass bei einer Dichte von mehr als zwei Bäumen je Hektare nicht nur ökologisch wenig wertvolle Individuen gewählt werden müssen, sondern auch mit hohen Kosten für den Betrieb zu rechnen wäre. Der Erhalt von fünf Habitatbäumen je Hektare Wirtschaftswald würde für den Betrieb einen Verzicht von mindestens 340‘000 Franken Netto-Erlös bedeuten. Dies entspricht rund 850 Franken je Hektare oder durchschnittlich 170 Franken je Habitatbaum. Mit lediglich 117 Punkten hätten viele der belassenen Bäumen zudem einen vergleichsweise tiefen ökologischen Wert, der rund dreimal tiefer liegt als bei den wertvollsten Bäumen.
Anzahl Bäume pro Hektare | Ökologischer Grenzwert | Erntekostenfreier Erlös pro Baum (CHF) | Totaler erntekosten- freier Erlös (CHF) |
10 | 67 | 142 | 553 800 |
9 | 74 | 145 | 512 300 |
8 | 81 | 145 | 454 300 |
7 | 91 | 151 | 417 800 |
6 | 108 | 160 | 378 700 |
5 | 117 | 172 | 338 300 |
4 | 132 | 172 | 263 000 |
3 | 157 | 179 | 208 800 |
2 | 180 | 164 | 131 200 |
1 | 232 | 149 | 59 600 |
0.1 | 313 | 43 | 1400 |
Nur ökologisch wertvolle Bäume erhalten
Die Erhaltung von Habitatbäumen ist eine Aufgabe des multifunktionalen Wirtschaftswaldes. Die Auslese der Bäume, die längerfristig erhalten bleiben sollen, soll sich aber auf die ökologisch wirklich wertvollen Bäume konzentrieren. Nur auf diese Weise ist ein vertretbares Kosten/Nutzenverhältnis zu erreichen. Eine fixe Dichte an Habitatbäumen verursacht enorme Kosten bei geringer ökologischer Wirkung. Zielführend scheinen aus unserer Sicht nur flexible Konzepte, die sich auf die ökologisch wertvollen Bäume mit Höhlen, Totästen und andern Strukturen konzentrieren, deren Erhalt finanziell entschädigen und für die langfristige Förderung zukünftiger Habitatbäume besorgt sind. Dafür sind weitere finanzielle Kosten unvermeidlich.
Literatur
- Niedermann-Meier S., Mordini M., Bütler, R., Rotach, P. 2010: Habitatbäume im Wirtschaftswald: ökologisches Potenzial und finanzielle Folgen für den Betrieb. Schweiz Z Forstwes 161 (2010) 10: 391-400.
- Mordini, M., Rotach P. 2010: Die Eichenbestände fördern. Wie weiter mit den ehemaligen Mittelwäldern des Kantons Thurgau? Wald und Holz 7/10: 39-41.