Das Auerhuhn gilt als Charaktervogel des Schwarzwalds. Durch seine besondere Lebensweise übt der scheue Waldvogel eine große Faszination auf uns Menschen aus. Lokal ist das Auerhuhn vom Aussterben bedroht und durch internationale, europäische sowie nationale und landesrechtliche Gesetzgebung geschützt. Bei der ersten schwarzwaldweiten Kartierung 1971 wurden noch 570 balzende Hähne gezählt. Bis 2008 schrumpfte diese Zahl auf 319 balzende Hähne. Um den Populationsrückgang zu stoppen und umzukehren, setzte das Land Baden-Württemberg (BW) 2008 den Aktionsplan Auerhuhn für eine Laufzeit von 25 Jahren in Kraft. Der Aktionsplan, bestehend aus dem wissenschaftlich fundierten Fachkonzept [1] und dem darauf aufbauenden Maßnahmenplan 2008-2018 [2], stellt den Grundstein des koordinierten, integrativen Auerhuhn-Schutzes in BW dar.

Im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) BW wurde von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW der Umsetzungsstand des Maßnahmenplans 2008-2018 und dessen Zielerreichung analysiert. Die Ziele des Aktionsplans Auerhuhn sind im Evaluationszeitraum nicht oder nur teilweise erreicht worden. Während die Gültigkeit der fachlichen Grundlagen von den an der Evaluation beteiligten externen Raufußhuhn-Experten bestätigt wurde, erklärt die Analyse des Umsetzungsstandes, warum die Ziele dennoch verfehlt wurden. Hierzu wurden unterschiedliche Monitoring-Daten aufgearbeitet. Gleichzeitig wurde mit Methoden der empirischen Sozialforschung, fokussiert auf das Handlungsfeld Habitatgestaltung, Faktoren herausgearbeitet, die die Umsetzung des Maßnahmenplans fördern oder hemmen. In Abstimmung mit einem Projektbeirat, bestehend aus 20 Vertretenden der Verbände und Akteuren des Auerhuhn-Schutz im Schwarzwald, konnten so wichtige Stellschrauben für einen verbesserten Auerhuhn-Schutz identifiziert werden.

Zielerreichung

Oberstes Ziel des Aktionsplans Auerhuhn ist der Erhalt einer überlebensfähigen, ausreichend vernetzten Population im Schwarzwald. Dies beinhaltet:

  1. den Erhalt von mindestens 600 Individuen,
  2. den Erhalt einer besiedelten Fläche von 51.000 ha (Stand 2003) mit dem Ziel einer Ausdehnung in benachbarte Potentialgebiete und
  3. den Erhalt einer ausreichenden Vernetzung der Waldlebensräume, die einen Individuenaustausch ermöglicht [1].

Seit 2008 hat der Bestand der Auerhühner im Schwarzwald weiter abgenommen. Wurden 2008 noch 319 Auerhähne bei der Balz beobachtet, waren es 2019 nur noch 135 Auerhähne (Abb. 2). Mit dem starken Rückgang der Populationsgröße nahm ebenso das Verbreitungsgebiet des Auerhuhns im Schwarzwald ab, welches sich um ein Drittel von 518 km² (2004-2008) auf 344 km² (2014-2018) verkleinerte (Abb. 3) [3].

Zwischen den Teilpopulationen des Schwarzwalds (Nord, Mitte, Baar, Süd) wurde anhand genetischer Analysen von Kotfunden, die Wanderung von einzelnen Tieren sowie ein genetischer Austausch zwischen den Teilgebieten Nord und Baar sowie zwischen Baar und Mitte nachgewiesen. Gleichzeitig zeigen die einzelnen Teilpopulationen eine leichte Zunahme genetischer Unterschiede im Evaluationszeitraum, sodass eine Abnahme des genetischen Austausches wahrscheinlich ist [4].

Maßnahmenplan 2008-2018

Der Maßnahmenplan 2008-2018 umfasst 43 Maßnahmen, welche in sechs Handlungsfelder sowie das Themenfeld „politische & Verwaltungsentscheidungen“ aufgegliedert sind. Die Maßnahmen unterscheiden sich inhaltlich und in ihrer in-/direkten Wirkung auf die Auerhuhn-Population stark. Auch wenn im Evaluationszeitraum viele Aktivitäten zum Schutz des Auerhuhns stattfanden, ist der Maßnahmenplan insgesamt unzureichend umgesetzt worden. Besonders brisant ist dabei, dass von neun Maßnahmen, die bei ihrer Umsetzung direkte populationsökologische Wirkungen entfalten, zwei zufriedenstellend erfüllt bzw. teilweise erfüllt, die restlichen sieben als im Prozess oder nicht erfüllt eingestuft wurden (Abb. 4)*. Die Gründe für die teils fehlende oder schleppende Umsetzung sind vielschichtig. Nachfolgend werden die Steuerung des Maßnahmenplans und die Ergebnisse der Handlungsfelder Habitatgestaltung, Tourismus und Freizeitnutzung sowie Jagd kurz skizziert, da diese viele direkte populationsökologischen Auswirkungen aufweisen (Informationen zu den Handlungsfeldern Infrastrukturelle Projekte & Windkraftnutzung, Wissenschaftliche Begleitung sowie Transfer & Kommunikation finden sich im Abschlussbericht [5].)

Steuerung des Maßnahmenplans

Die Steuerung der Maßnahmen wurde unter der Überschrift „politische und Verwaltungsentscheidungen“ erfasst. Verfügungen zur Umsetzung des Maßnahmenplans 2008-2018 wurden seitens des MLR gegenüber den oberen und unteren Forstbehörden ausgesprochen. Es wurden jedoch keine Steuerungsstruktur oder klassische Managementaufgaben berücksichtigt, die es ermöglicht hätten, zeitnah notwendige angepasste strategische und operative Entscheidungen zu treffen. Ein systematisches Monitoring der Umsetzung, welches hätte sicherstellen könnte, dass die quantitativen und qualitativen Planvorgaben erfüllt werden, fand nicht statt. Handlungsfeldübergreifend wurden zentrale Aktivitäten nicht eingefordert und dadurch gegenüber anderen Verpflichtungen hintenangestellt. Den umsetzenden Akteuren fehlte hierdurch wichtiges Feedback zur Bedeutung und Wirksamkeit ihres Handelns.

Habitatgestaltung

Der Erhalt des Lebensraums ist von fundamentaler Bedeutung. Im Evaluationszeitraum haben sich die Lebensraumbedingungen des Auerhuhns jedoch deutlich verschlechtert. Trotz des großen Engagements die Lebensräume des Auerhuhns zu erhalten, beträgt der Anteil lichter Wälder in den auerhuhnrelevanten Flächen rund 10% (Stand Luftbilder aus 2016 & 2018). Das angestrebte Ziel, einen Minimalanteil von 30% aufgelichteter Wälder zu entwickeln, wurde somit schwarzwaldweit deutlich verfehlt.

Um diese Diskrepanz besser zu verstehen, wurden waldbesitzübergreifend Gruppendiskussionen mit Revierleitenden durchgeführt. Die identifizierten Herausforderungen zeigen relevante Stellschrauben auf, um die Effektivität zukünftiger Schutzmaßnahmen zu erhöhen: Notwendige Habitatpflegemaßnahmen waren in gängigen Planungs- und Kontrollinstrumenten nicht hinreichend verankert und konkretisiert, so dass sich Revierleitende bei der Umsetzung in einem Spannungsfeld ungelöster Zielkonflikte befanden. Zudem erhielten die Revierleitenden kaum Rückmeldung, der Stand der Umsetzung wurde seitens der Führungskräfte in den bestehenden Gesprächsroutinen kaum thematisiert, mit der Konsequenz, dass die Umsetzung des Maßnahmenplans nicht als prioritär wahrgenommen wurde. Defizite in der Kommunikation über Flächenauswahl und Wirkung der beschlossenen Maßnahmen führten zudem dazu, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen in Frage gestellt und die individuelle Motivation hierdurch geschwächt wurde. Finanzielle Förderangebote, die die Umsetzung im Privat- und Kommunalwald sicherstellen sollten, wurden kaum abgerufen. Zum einen wurde auch hier nicht rechtzeitig gegengesteuert, um die Anreize attraktiv genug zu gestalten. Zum anderen stellte sich heraus, dass hierbei eine aktiv agierende, kontinuierliche fachliche Betreuung, wie sie im Projekt „Lücken für Küken im Privat- und Kommunalwald“ seit 2018 aufgewendet wird, einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellt.

Tourismus & Freizeitnutzung

Rückzugsräume sind für das Auerhuhn überlebenswichtig. Wissenschaftliche Studien zum Verhalten des Auerhuhns belegen ein Meideverhalten gegenüber stark frequentierten Waldwegen und touristischen Einrichtungen [6]. Kurzzeitige Störungen (Veranstaltungen, forstliche Arbeiten, Jagd) wirken sich vor allem in der Winter- und Reproduktionszeit zusätzlich negativ aus. Neuerschließungen und Neuausweisungen in auerhuhnrelevanten Gebieten wurden nach Angabe der Behörden in einer Umfrage nur nach artenschutzrechtlicher Begutachtung genehmigt. Kritisch wird jedoch gesehen, dass Veranstaltungen teils ohne Genehmigung stattfinden. Grund hierfür ist oftmals Unkenntnis über die naturschutzrechtliche Relevanz von Vorhaben sowie die Möglichkeit relativ unkontrolliert Routen/Angebote via Internet zugänglich zu machen. Zudem wurde bislang versäumt Schutzgebiete für das Auerhuhn und räumliche Konzeptionen für touristische, jagd- und forstliche Nutzungen zur Beruhigung von Lebensräumen zu etablieren.

Jagd

Durch den Maßnahmenplan wurde angestrebt, das Monitoring der Auerhuhn-Population mit Unterstützung der Jägerschaft sicherzustellen sowie durch gezielte Bejagung die Fressfeinde des Auerhuhns auf ein populationsverträgliches Maß zu reduzieren. Ersteres ist gelungen: die Motivation der Jägerschaft zur Unterstützung des Monitorings sowie für hegerische Aktivitäten konnte gestärkt werden. Die Nachweismeldungen ermöglichten eine detaillierte Abgrenzung des Verbreitungsgebiets in 2013 und 2018. Letzteres gelang eingeschränkt: Eine Verwertungskette für Fuchsfelle konnte zur Motivation der Jägerschaft für die Prädatorenbejagung etabliert werden. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass eine ausreichende Prädatorenbejagung auf Basis des ehrenamtlichen Engagements nicht mit der erforderlichen Effektivität und auf genügend großer Fläche durchgeführt werden konnte, sodass die Prädatoren nach wie vor eine Gefahrenquelle für das Überleben des Auerhuhns darstellen [7].

Maßnahmenplan 2022-2027

Auf Grundlage der Evaluationsergebnisse und bisherigen Umsetzungserfahrungen werden Maßnahmen für einen Maßnahmenplan 2022-2027 empfohlen. Wichtige Stellschrauben und Erfolgsfaktoren für die zukünftige Umsetzung sind v.a. in einer ausreichenden Steuerung des Maßnahmenplans, einer damit einhergehenden Konkretisierung der Maßnahmen sowie eines systematischen Umsetzungs-Monitorings zu sehen. Darüber hinaus wurde für dessen flächenbezogene Umsetzung das Flächenkonzept des Aktionsplans Auerhuhn [1] aktualisiert und vereinfacht.

Ziel des Maßnahmenplans 2022-2027 ist eine Trendumkehr der Populationsentwicklung, d.h. eine Zunahme der Auerhuhn-Population und -Verbreitung durch den Erhalt ausreichend vernetzter Waldlebensräume bis 2027. Als entscheidende Maßnahmen für das Überleben des Auerhuhns im Schwarzwald wird empfohlen:

  1. Den Lebensraum zu verbessern: Die Habitatgestaltung forcieren und einem fortlaufenden Monitoring unterziehen. Hierfür sollten Kalamitätsflächen für das Auerhuhn in Wert gesetzt werden (z.B. durch Verzicht auf Pflanzung temporär frei gehalten) sowie notwendige Habitatpflegemaßnahmen in etablierte Planungsinstrumente so integriert werden, dass die Einhaltung des Verschlechterungsverbots gewährleistet ist. Den privaten und kommunalen Waldbesitzenden sollte der Mehraufwand und Minderertrag für die Habitatpflege erstattet und die Unterstützung aller umsetzenden Akteure durch eine aktive fachliche Beratung, welche schwarzwaldweit von Auerhuhn-Berater/innen übernommen wird, sichergestellt werden. Um speziell die Umsetzung im Privat- und Körperschaftswald zu fördern, wurde der Verein Auerhuhn im Schwarzwald e.V. gegründet (www.auerhuhn-schwarzwald.de).
  2. Die Mortalität durch reduzierte Prädation zu mindern: Eine räumlich und zeitlich intensiviertes Prädatorenmanagment stellt eine schnell wirksame Maßnahme zur Erhöhung der Reproduktionsraten des Auerhuhns dar. Dafür ist eine Professionalisierung notwendig. Es sollten Berufsjäger in ausgewählten Zielflächen eingesetzt werden.
  3. Störungen zu vermeiden: Auf den im aktualisierten Flächenkonzept 2022 als Priorität 1 ausgewiesenen Flächen stellen Infrastrukturprojekte eine Verschlechterung des Lebensraums dar und müssen ein Genehmigungsverfahren durchlaufen. Zur Beruhigung der artenschutzrelevanten Gebiete sollten zukünftig temporäre und räumlich differenzierte Einschränkungen strenger als bisher durchgesetzt werden.
  4. Eine optimierte verwaltungsinterne Steuerung zu etablieren: Eine wirksame Umsetzung der skizzierten Handlungsfelder des Maßnahmenplans 2022-2027 setzt eine Integration des Plans in die Steuerungsstrukturen der Landesforstverwaltung, der Naturschutzverwaltung und der Anstalt öffentlichen Rechts ForstBW voraus. In Zielvereinbarungen, Besprechungsroutinen und durch Berichtspflichten etc. sollte der Maßnahmenplan 2022-2027 mit entsprechender Priorität verankert und deren Umsetzung eingefordert werden.

Aufgrund der dramatischen Bestandsentwicklung sind die vorgesehenen Maßnahmen als vordringliche Sofortmaßnahmen anzusehen, mit denen ein Aussterben nach Meinung der Experten verhindert werden kann. Da das Auerhuhn eine Leitart der hochmontanen Artengemeinschaft im Schwarzwald ist, tragen die Maßnahmen zu seinem Schutz in besonderem Maße zum Erhalt der Biodiversität im Land bei und konkretisieren einschlägige Managementpläne in den Natura 2000 Gebieten. Der Maßnahmenplan 2022-2027 vom MLR wird voraussichtlich 2022 veröffentlicht werden.

Danksagung

Wir danken allen Beteiligten für Ihre Unterstützung und Bereitschaft zur Evaluation des Aktionsplans Auerhuhn sowie allen, die sich nach ihren Möglichkeiten aktiv für den Schutz des Auerhuhns im Schwarzwald einsetzen.

Literatur

  1. Suchant, R. and V. Braunisch, Rahmenbedingungen und Handlungsfelder für den Aktionsplan Auerhuhn: Grundlagen für ein integratives Konzept zum Erhalt einer überlebensfähigen Auerhuhnpopulation im Schwarzwald., in Aktionsplan Auerhuhn Schwarzwald M.f.E.u.L.R. Baden-Württemberg, Editor. 2008, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. p. 68.
  2. Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum, Aktionsplan Auerhuhn Maßnahmenplan 2008-2018. 2008: p. 10.
  3. Coppes, J., et al., Dramatic decline of the Capercaillie Tetrao urogallus population in the Black Forest. Vogelwarte, 2019. 57: p. 115-122.
  4. Coppes, J., et al., Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Auerhühner. Hrsg.: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und Ministerium für Umwelt, Klima und Energie-wirtschaft Baden-Württemberg., 2019.
  5. Döpper, A., Ulrich, A., Rombach, L., Coppes, J., Evaluation & Umsetzungsstand des Aktionsplans Auerhuhn 2008-2018, in Evaluation Aktionsplan Auerhuhn 2019, M.f.E.u.L.R. Baden-Württemberg, Editor. 2019, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. p. 1-146.
  6. Coppes, J., et al., Outdoor recreation causes effective habitat reduction in capercaillie Tetrao urogallus: a major threat for geographically restricted populations. Journal Avian Biology, 2017. 48: p. 1583-1594.
  7. Kämmerle, J.-L. and I. Storch, Fuchsbejagung für den Artenschutz? Einfluss auf Populationsdichte und Prädationsdruck. Projektabschlussbericht. 2019.
  8. Roth, K., Die frühere und die heutige Verbreitung des Auerwilds in Baden-Württemberg und die Entwicklung der Bestände. Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg, 1974: p. 8-14.