Als seltener Brutvogel wird das Auerhuhn im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie der EU (Richtlinie 2009/147/EG) gelistet. Hier sind alle europäischen Vogelarten aufgeführt, für deren Schutz besondere Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Als Schirmart großflächiger, lichter und strukturreicher Nadelmischwälder kommt dem Auerhuhn naturschutzfachlich eine große Bedeutung zu. In Bayern wurden deshalb 15 Vogelschutzgebiete ("SPAs" = special protection areas) mit insgesamt 215.443 ha für diesen Waldvogel ausgewiesen. Der größte Teil dieser Schutzgebiete liegt im bayerischen Alpenraum.

Im Zuge der Natura-2000-Managementplanung wurden in den letzten Jahren alle für das Auerhuhn ausgewiesenen bayerischen Vogelschutzgebiete kartiert und inventarisiert sowie Erhaltungsmaßnahmen geplant. Außerhalb dieser Kulisse ist der Datenbestand jedoch sehr lückig. Ziel des durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojektes "Auerhuhnhabitat-Modellierung im bayerischen Alpenraum" war es deshalb, Informationen zu potenziellen Auerhuhn-Habitatflächen zu generieren, um die Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen auf den am besten dafür geeigneten Flächen zu unterstützen.

Identifizierung relevanter Geodatensätze

Untersuchungsgebiet war das Wuchsgebiet "Bayerische Alpen" (WG 15), da Vorkommen des Auerhuhns im gesamten Wuchsgebiet nachgewiesen sind. Der Untersuchungsraum umfasst rund 4.600 km² und weist Geländehöhen zwischen 473 und 2.963 m ü. NN auf. Die dominanten Waldtypen in diesem Wuchsgebiet werden hauptsächlich bestimmt von der Höhenstufe, Geländelage, Exposition und den Waldböden. Diese Faktoren entscheiden damit indirekt über potenzielle Auerhuhnvorkommen auf der Landschaftsebene.

Die in einer Pilotstudie zur Modellierung von Auerhuhnhabitaten im Karwendelgebiet (INTERREG-Projekts "BASCH") verwendeten Umweltvariablen dienten als Ausgangspunkt für die Auswahl bei der Habitat-Modellierung. Die Recherche bezog sich auf die für das Auerhuhn relevanten Umweltvariablen, die für das Untersuchungsgebiet großflächig und auf aktuellem Stand vorliegen. Den Großteil stellen primäre Geländeattribute auf Basis des digitalen Geländemodells (DGM) dar (siehe Tab. 1). Das DGM wird seit 2017 im Rahmen einer bayernweiten Befliegung alle zwei Jahre aktualisiert und liegt mit einer Auflösung von einem Meter vor. Auf der lokalen Ebene der Vegetationsstruktur sind vor allem das normalisierte digitale Oberflächenmodell (nDOM) und Falschfarben- Luftbilder (Color Infrared, CIR) wichtige Datensätze, aus denen sich verschiedene Vegetationsstrukturvariablen, wie zum Beispiel der Anteil an Kronenüberschirmung durch Baumkronen (= Kronenüberschirmung), Vegetationshöhe, Anteil an Grenzlinien, etc. erstellen lassen. Daneben liegen noch zwei Datensätze zur Baumarten- und Laub-/Nadelholz-Klassifikation vor.

Generell sind für die Modellierung von Artverbreitungen Umweltvariablen mit möglichst direktem Effekt auf die Zielart zu bevorzugen. Da für die großflächige Modellierung die Variablen mit direkter Wirkung nicht für die Gesamtfläche vorliegen (wie beispielsweise Daten zur Krautschicht bzw. des Deckungsgrades von Beersträuchern), ist in der finalen Auswahl die bestmögliche Annäherung über verfügbare Variablen erfolgt. Die finale Auswahl umfasste: Geländehöhe, Exposition, Hangneigung, Geländekrümmung, Kronenüberschirmung und Kronenrauigkeit (siehe Tab. 1).

Modellierung für die bayerischen Alpen

Zur Vorhersage von potenziell wertvollem Auerhuhnlebensraum wurde eine maximum-entropy-Modellierung – kurz: Maxent – durchgeführt. Für die Modellierung lagen aus fast allen Vogelschutzgebieten im bayerischen Alpenraum Auerhuhnnachweise aus der systematischen Kartierung der Waldvogelarten im Zeitraum von 2008 bis 2019 vor. Zusammengenommen umfassen die SPAs rund 1.447 km² und damit knapp 32 % des Wuchsgebiets 15 und erstrecken sich über den gesamten Ost-West-Gradienten der bayerischen Alpen. Es wurden 5.107 Inventurpunkte entlang eines 200x200-m-Punkterasters ausgewiesen und zwischen Ende Juli und Ende Oktober eines Jahres aufgesucht. Hier wurden unter anderem direkte wie auch indirekte Nachweise in einem Probekreis mit 5-Meter-Radius aufgenommen. Zudem wurden Balzplätze sowie Zufallsfunde erfasst.

Da Stichproben aus einem systematischen Monitoring gute Ergebnisse für Artverbreitungsmodelle produzieren, wurden für die Modellierung innerhalb dieses Projekts nur Nachweise aus den Probekreisen verwendet (n = 207). Dadurch sollten potenzielle räumliche und zeitliche Abhängigkeitsstrukturen in den Daten reduziert und robustere Modelle generiert werden. "Maxent" benötigt zudem einen sogenannten Hintergrund, der den für Auerhühner verfügbaren Lebensraum charakterisiert. Dafür wurden 10.000 Hintergrundpunkte aus Gebieten gewählt, die zur Ökologie der Zielart und der Fragestellung passen.

Im Rahmen einer Datenexploration wurden vorab Modellannahmen überprüft, verschiedene Modelle getestet, automatisiert optimiert und evaluiert. Außerdem konnten die Modellvorhersagen mit Vorrangflächen verglichen werden, die von Auerhuhn-Experten bei einem Feldbegang ausgewiesen wurden.

Die Modellierung ermöglicht erstmalig eine datenbasierte Vorhersage der relativen Vorkommenswahrscheinlichkeit des Auerhuhns im bayerischen Alpenraum. Sie erweitert damit die Beratungs- und Planungsgrundlagen für den praktischen Auerhuhnschutz auch außerhalb der Vogelschutzgebiete.

Bedeutung der Umweltvariablen

Das Modell ist stark von topografischen Variablen und vor allem von der Geländehöhe beeinflusst, was der Tatsache entspricht, dass in den Alpen die Topografie den prägenden Faktor darstellt. Dementsprechend sagt das Modell hauptsächlich Flächen voraus, die der natürlichen Verbreitung der Wälder entsprechen, die vom Auerhuhn genutzt werden. Die auf kleinerer räumlicher Skala wirkenden Strukturvariablen werden bei der gemeinsamen Modellierung vermutlich von den anderen Effekten überprägt. Dafür spricht, dass in Modellen mit ausschließlich Vegetationsvariablen kleinräumig wirkende Effekte deutlicher zutage traten. Dies bestätigt aus der Literatur bekannte wichtige Umweltvariablen für das Auerhuhn wie den Kronenschluss, das Bestandesalter und den Grenzlinienanteil. Von einer darüber hinaus gehenden Interpretation der Modellierungsergebnisse sollte allerdings abgesehen werden. Habitatmodelle können immer nur eine Stichprobe des gesamten ökologischen Gradienten der Umweltvariablen abdecken. Außerdem lag der Fokus in diesem Projekt auf der Identifizierung von potenziell wertvollen Flächen und weniger auf der Beschreibung der realisierten Nische des Auerhuhns im Alpenraum.

Potenziell wertvolle Flächen

Mit der Vorhersagekarte lassen sich Gebiete höherer relativer Vorkommenswahrscheinlichkeit identifizieren, das heißt Bereiche, in denen Auerhühner wahrscheinlicher anzutreffen sind (Abb. 3). Auf der Basis des finalen Modells sind dies vornehmlich Gebiete zwischen 1.300 und 1.700 m ü. NN mit Südwest-Ausrichtung, moderater Hangneigung und einer konvexen Krümmung – sprich Kuppen-, Rücken- und Kammlagen – sowie heterogener Kronenstruktur in nicht zu lichten Wäldern.

Teilt man die modellierten Flächen nach der Vorkommenswahrscheinlichkeit des Auerhuhns von 0 bis 100 % in fünf gleich große Klassen ein, so ergeben sich für das Wuchsgebiet 15 von der niedrigsten zur höchsten Klasse Flächenanteile von 75, 11, 6, 4 und 4 % (siehe Tab. 2). Gebiete mit sehr hohen Vorkommenswahrscheinlichkeiten des Auerhuhns haben also nur geringe Flächenanteile. Dies entspricht auch den Erfahrungen aus den Natura-2000-Kartierungen, wonach wirklich gut geeignete Habitate (Auerhuhn-Vorrangflächen) nur ca. 12 % der Schutzgebietskulisse einnehmen.

In der Gesamtbetrachtung werden drei Dinge besonders deutlich (Abb. 3):

  • Potenziell wertvolle Flächen gibt es im ganzen Untersuchungsgebiet, mit Ausnahme des nordwestlichsten Teils der Alpen, wo großflächig nur geringe Vorkommenswahrscheinlichkeiten berechnet wurden
  • Flächen mit höherer Vorkommenswahrscheinlichkeit sind sehr lückenhaft verteilt mit nur wenigen großen zusammenhängenden Gebieten
  • Auch außerhalb der Vogelschutzgebiete gibt es potenziell wertvolle Flächen, oft direkt an diese angrenzend. Insgesamt scheint das finale Modell gut Präsenzpunkte von zufällig ausgewählten Hintergrundpunkten trennen zu können, und Modellvorhersagen stimmen mit der Verteilung der Präsenzpunkte in den Daten gut überein.

Anwendung in der Praxis

Anhand der Modellvorhersage konnten auf der Basis von Auerhuhnnachweisen aus den SPAs erstmalig auch potenziell wertvolle Gebiete außerhalb der Schutzgebiete identifiziert werden, um ein zukünftiges Monitoring und Erhaltungsmaßnahmen-Management durch einen effizienten Ressourceneinsatz zu unterstützen.

Im Folgenden sollen Empfehlungen für die Anwendbarkeit der Modellierungsergebnisse gegeben werden. Die Karte der relativen Vorkommenswahrscheinlichkeit des Auerhuhns im bayerischen Alpenraum stellt eine wertvolle, auf qualitativ hochwertigen und aktuellen Daten beruhende Grundlage für Beratungshilfen der Forstpraxis dar. Durch ihre Bereitstellung als Rasterdatensatz kann sie in einer gängigen GIS-Software dargestellt und nach individuellen Vorstellungen bearbeitet werden (Abb. 4).

So können durch eine Verschneidung mit weiteren Geodatensätzen, zum Beispiel einer Karte der potenziell natürlichen Waldvegetation, auf unkomplizierte Weise Flächenanteile innerhalb ausgewählter Gebiete errechnet und Schwerpunkte für das Management gesetzt werden. Hier sollte allerdings berücksichtigt werden, dass Gebiete, die eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, nicht direkt in eine Habitatqualität zu übersetzen sind. Die konkreten Strukturen der tatsächlich im Raster vorkommenden Vegetation können nicht abgebildet werden. Sie können aber – vor allem in Kombination mit zusätzlichen Daten – zu einer verbesserten Einschätzung führen.

Die Modellvorhersage erlaubt zudem zum ersten Mal eine qualifizierte Aussage über potenziell wertvolle Auerhuhngebiete außerhalb der SPAs. Damit können auch dort potenziell hochwertige Habitatflächen sowie geeignete Maßnahmen-Flächen zur Gestaltung von Auerhuhnlebensräumen identifiziert werden. Ein Fokus sollte hier auf Gebiete mit hoher Vorkommenswahrscheinlichkeit im primären Lebensraum gelegt werden, die an Gebiete mit bekannten Auerhuhnvorkommen angrenzen bzw. in Reichweite für eine wahrscheinliche Besiedlung durch die Tiere sind. Insgesamt kann dadurch der Verbund der zersplitterten Lebensräume im Alpenraum unterstützt und zum Erhalt der Population beigetragen werden.

Um die aktuelle Verbreitung und Bestandessituation zu beurteilen sowie Managementmaßnahmen zu evaluieren, wird im Rahmen von Natura 2000 ein Monitoring eingerichtet und durchgeführt werden. Hierfür stellt die Modellierung eine wertvolle Grundlage dar, auf der Suchräume und ein systematisches Auerhuhnmonitoring entwickelt werden können.

Fazit

Das Projekt hatte zum Ziel, für den bayerischen Alpenraum ein auf aktuellen fernerkundlichen Datensätzen basierendes Art-Verbreitungsmodell zu erstellen, um auch außerhalb der Schutzgebiete potenziell wertvolle Flächen für ein Auerhuhnmanagement zu identifizieren. Das Programm "Maxent" stellt eine geeignete Modellklasse dar.

Es konnten Umweltvariablen zu verschiedenen Themen bzw. auf unterschiedlichen räumlichen Skalenebenen und mit unterschiedlicher räumlicher Auflösung sowie Aktualität identifiziert werden. Eine Auswahl aus Geländehöhe, Exposition, Hangneigung, Krümmung, Kronenrauigkeit und -überschirmung wurde zusammen mit 207 Auerhuhnnachweisen und 10.000 Hintergrundpunkten verwendet, um ein Art-Verbreitungsmodell zu kalibrieren. In diesem haben die topografischen Variablen und insbesondere die Geländehöhe die größte Bedeutung für die relative Vorkommenswahrscheinlichkeit. Die Vegetationsstrukturvariablen hingegen haben einen überraschenderweise vernachlässigbaren Einfluss auf das Modell.

Das ermittelte Modell ist als Beratungsgrundlage zur Identifizierung potenziell wertvoller Lebensräume und deren landschaftlichen Einbettung gut geeignet. Das heißt jedoch nicht, dass in den Flächen mit hohen Vorkommenswahrscheinlichkeiten die dort vorhandene Vegetationsdecke auch tatsächlich für das Auerhuhn geeignet ist. In der Zusammenschau mit forstbetrieblichen und naturschutzfachlichen Planungsgrundlagen (zum Beispiel Forstbetriebskarten und Natura-2000-Lebensraumtypen) oder Geodatensätzen zur Abgrenzung von Laub-/Nadelholzanteilen kann das Modell den Planern vor Ort aber sehr wertvolle Hilfestellungen zur konkreten Umsetzung von Maßnahmen und zur Identifizierung möglicher Zielkonflikte geben.