Der Klimawandel verändert die Wachstumsdynamik unserer Wälder grundlegend. Ein wärmeres Klima lässt erwarten, dass längere Vegetationsperioden zu einer höheren Holzproduktion und Kohlenstoffbindung führen.

TreeNet – Echtzeitdaten für den Wald

Dass sich diese Annahme nicht bestätigt, zeigt das Netzwerk TreeNet in einer kürzlich erschienenen Studie mit hoch­auf­lösenden Messungen direkt im Wald. Dazu wurden während elf Jahren an 48 Stand­orten in der Schweiz die Stamm­radien von 228 Bäumen der fünf Baum­arten Weiss­tanne, Buche, Fichte, Wald­föhre und Eiche kontinuierlich erfasst und die Daten ausgewertet.

Hochpräzise Punkt­dendro­meter (Abb. 2) registrieren alle 10 Minuten Stamm­dicken­änderun­gen im Mikro­meter­bereich. So entsteht ein einzig­artiges Bild zum Baum­wachstum verschiedener Arten in verschiedenen Höhen­lagen, Klima­zonen und Boden­verhältnissen.

Weiter­führende Informa­tionen zum TreeNet-Netz­werk finden Sie im Beitrag «Wachs­tum, Wasser, Warn­signale – Echt­zeit­daten für den Wald im Klimastress»

Ergebnisse aus elf Jahren kontinuierlicher Messungen

Als Folge der globalen und regionalen Erwärmung beginnt die Vegetationsperiode in der Schweiz heute deutlich früher und dauert länger als noch vor einem Jahrzehnt. Das zusätzliche Zeitfenster führt aber nicht automatisch zu mehr Zuwachs – im Gegenteil, in vielen Beständen geht das Stammwachstum zurück (Abb. 3). Weisstanne, Buche und Fichte zeigen 2012–2022 eine signifikante Abnahme des jährlichen radialen Stammzuwachses. Bei den Waldföhren und Eichenarten ist kein eindeutiger Trend erkennbar, sie reagieren aber deutlich empfindlicher auf spätsommerliche Hitze.

Wichtig ist also die Unter­scheidung zwischen Vegetations­periode und der Stamm­wachs­tums­periode: Während die Vegetations­periode durch den Aus­trieb und das Ein­setzen der Photo­synthese bestimmt wird und deutlich länger dauert, umfasst die Stamm­wachs­tums­periode nur jene Zeit, in denen der Stamm tatsächlich wächst. Der Start ist auch hier früher, der Zu­wachs aber insgesamt kleiner. Genau diesem Aspekt tragen die TreeNet-Messungen Rechnung.

Verschiebung des Wachstumsbeginns

Der Beginn der Stamm­wachstums­periode hat sich inner­halb von nur 10 Jahren deutlich nach vorne verschoben (Abb. 4). Während früher die Kambium­aktivität vieler Arten Ende April bis Anfang Mai einsetzte, beginnt sie heute an den gleichen Stand­orten meist schon Anfang bis Mitte April, in tieferen Lagen teilweise schon Ende März. Dem­entspre­chend sind die ersten Stamm­radius­zuwächse in einzelnen Jahren zwei bis drei Wochen früher messbar als zu Beginn der 2000er-Jahre. Trotz dieser Vers­chiebung ist der jährliche Holz­zuwachs geringer (vgl. Abb. 3, rechts). 

Wirkung von Trockenjahren

Die Zuwachs­einbrüche sind in den Trocken­jahren besonders aus­ge­prägt. In den Jahren 2015, 2018, 2019 und 2022 bleibt der Stamm­zuwachs deutlich unter den lang­jährigen Werten (vgl. Abb. 3). Solche Sommer hinterlassen ihre Spuren (Abb. 5). Die Speicher der Bäume ent­leeren sich, die Reserven fehlen in den Folge­jahren. Der negative Effekt erstreckt sich über mehrere Vegetations­perioden. Wasser­mangel ist somit nicht nur ein kurzfristiger Stress­faktor, sondern ein Treiber für langfristige Wachstums­verluste.

Zeitfenster des Wachstums

Man könnte erwarten, dass eine längere warme Jahreszeit automatisch eine längere Wachstumsperiode für die Bäume bedeutet. Mehr Wochen mit günstigen Temperaturen, mehr Tage mit Photosynthese - also auch mehr Holzzuwachs. Doch genau das passiert nicht. Entscheidend ist nicht die Länge der Vegetationsperiode, sondern die Anzahl der Tage, an denen tatsächlich Stammzuwachs stattfindet. Die Kambiumzellen teilen sich nur dann, wenn ausreichend Wasser verfügbar ist und der Turgor im Gewebe hoch genug bleibt. Dies geschieht häufig nachts, wenn die Transpiration nachlässt und sich die Wasserspeicher füllen (Abb. 6). Tagsüber überwiegt oft der Wasserverlust, der keine Zellteilung zulässt.

Hitze und trockene Luft führen zu einem Absinken des Zellinnendrucks – das Wachstum stoppt. Erst mit abnehmender Verdunstung am Abend setzen die Zuwachsvorgänge wieder ein. Über ein ganzes Jahr summiert sich dieser Vorgang je nach Art und Jahr auf ca. 40 bis 110 effektive Wachstumstage (Tab. 1). Dazwischen liegen viele Tage, in denen die Stammradien zwar schwanken – schrumpfen und sich wieder ausdehnen –, ohne dass neues Holz gebildet wird. Damit wird klar: Nicht Wochen oder Monate entscheiden, sondern einzelne Stunden. Ein früherer Start im Frühjahr bringt keinen Vorteil, wenn die Anzahl dieser Wachstumsstunden durch Hitzeperioden abnimmt.

JahreWeisstanne
Abies alba
Buche
Fagus sylvatica
Fichte
Picea abies
Waldföhre
Pinus sylvestris
Eiche
Quercus spp.
2012

107 ± 17

105 ± 15

67 ± 13

54± 23

70± 35

2013

105 ± 15

113 ± 13

82 ± 10

27± 17

97± 22

2014

97 ± 22

113 ± 10

83 ± 13

49 ± 7

82± 15

2015

116 ± 19

112 ± 8

61 ± 8

56± 13

66± 13

2016

101 ± 25

107 ± 9

74 ± 8

51 ± 9

77± 11

2017

96 ± 27

81 ± 11

55 ± 8

39 ± 8

53 ± 11

2018

96 ± 17

102 ± 8

51 ± 6

42 ± 6

64± 9

2019

93 ± 20

107 ± 10

53 ± 8

51 ± 7

62± 14

2020

91 ± 17

108 ± 9

52 ± 9

45 ± 7

72± 14

2021

111 ± 19

112 ± 10

60 ± 9

54± 7

71± 12

2022

109 ± 13

104± 9

56 ± 8

42 ± 6

40± 8

Mittel

102  ± 19

106 ± 10

63± 9

46 ± 10

69 ± 15

Tab. 1. Artenspezifische Gesamtzahl der effektiven Wachstumstage pro Jahr (2012–2022) für fünf Baumarten (Mittelwert ± Standardfehler). Quelle: Bose et al. 2025.

Konsequenzen für Kohlenstoffbindung

Wälder sind ein zentrales Element im Klima-Vegetations-System unserer Erde: Sie nehmen CO₂ aus der Luft auf, binden es im Holz und bremsen so die Klimaerwärmung. Jahrringe im Stamm belegen diesen Prozess – je breiter, desto mehr Kohlenstoff ist gebunden.

TreeNet-Daten zeigen jedoch die Grenze dieses Zusammenhangs. Obwohl die Vegetationsperiode heute früher beginnt und aufgrund der höheren Temperaturen länger dauert, wird dadurch die Rolle der Wälder als Kohlenstoffspeicher nicht gestärkt. Im Gegenteil: Steigende Temperaturen im Frühling und im Sommer verlangsamen die Zellbildung und reduzieren die Anzahl Wachstumstage. Dadurch verkürzt sich die die effektive Wachstumsphase, was die Kohlenstoffbindung im Holz verringert. Schon wenige Hitzetage im relativ kurzen Wachstumsfenster für das Stammwachstum können den Zuwachs deutlich reduzieren. In Trockenjahren nimmt die Wachstumsleistung der Wälder zusätzlich durch den grossen Einfluss fehlender Niederschläge deutlich ab.

Die Erwartung, eine längere Saison könne Verluste ausgleichen, erfüllt sich somit nicht: Ein verfrühter Start, gefolgt von heissen, trockenen Sommern, führt im Jahresverlauf zu weniger Wachstum und damit weniger Biomasse.

Folgen für Praxis und Politik

Die Klimaerwärmung verändert die Walddynamik grundlegend. Höhere Temperaturen fördern zwar früh im Jahr das Wachstum, bremsen es aber später, Trockenheit reduziert es zusätzlich - die Wachstumsbilanz wichtiger Waldbaumarten wird negativ. Damit sinkt die Fähigkeit der Wälder, Kohlenstoff zu binden und sensitive Baumarten wie Fichte, Tanne und Buche werden generell geschwächt. Vor diesem Hintergrund müssen Klimaschutzmassnahmen, die Artenzusammensetzung und damit eine nachhaltige Waldbewirtschaftung neu bewertet werden.

Für die Praxis bedeutet dies: Bei der Baumartenwahl ist die Trockenresistenz entscheidender denn je. Wachstumsvorteile durch längere Vegetationsperioden können nicht genutzt werden, wenn Wasser fehlt. Klimamodelle, die Wälder als stetig wachsende Senken berechnen, müssen angepasst werden. Auch die Politik ist gefordert. Klimaschutzstrategien dürfen die Rolle der Wälder nicht überschätzen: Wälder bleiben zentral - sind aber nicht unbegrenzt belastbar und sie sind keine Lösung für das entstehende CO2 aus dem Verbrennen von fossilen Brennstoffen. 

Praxis und Politik müssen vermehrt mit Unsicherheiten rechnen und die Anpassungsfähigkeit der Wälder fördern. Damit wir frühzeitig erkennen können, wenn das Wachstum der Bäume nachlässt, Trockenstress entsteht oder sich der Wald auch wieder erholt, sind Monitoring-Netzwerke wie TreeNet sehr hilfreich. Sie ermöglichen es, Veränderungen und deren Auswirkungen im Wald zuverlässig zu erkennen und zu dokumentieren.

Weiterführende wissenschaftliche Publikation

Bose A.K., Etzold S., Meusburger K., Gessler A., Baltensweiler A., Braun S., … Zweifel R. (2025) Decreasing stem growth in common European tree species despite earlier growth onset. Glob. Chang. Biol. 31(7), e70318 (17 pp.). https://doi.org/10.1111/gcb.70318