Auch die waldbaulichen Empfehlungen wurden angepasst, um noch weitergehender auf die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels einzugehen. Das überarbeitete Waldbaukonzept [1] bietet dem Waldbesitz in NRW auch weiterhin die fachliche Grundlage als waldbauliche Entscheidungshilfe für die Waldbewirtschaftung im Fokus des Klimawandels. Das Konzept stellt auch die Basis für die allgemeine fachliche Beratung des Waldbesitzes durch die Landesforstverwaltung und für die forstliche Förderung dar. Im Bereich der Wiederbewaldung großer Kalamitätsflächen wird das Waldbaukonzept durch das Wiederbewaldungskonzept Nordrhein-Westfalen fachlich ergänzt [2].

Für die forstliche Praxis

Insbesondere neue Erkenntnisse bezüglich der Waldschäden und aktuelle Informationsgrundlagen zur Intensität und zu den Auswirkungen des Klimawandels wurden berücksichtigt. Zudem wurde die Zugänglichkeit für die forstliche Praxis durch tabellarische Darstellungen der Inhalte verbessert.

Fachlich blieben die grundsätzliche Ausrichtung und die wesentlichen Inhalte erhalten. Dies beinhaltet die waldbaulichen Zielsetzungen und Grundsätze, die standortbezogenen 23 Waldentwicklungstypen sowie die empfohlenen Waldbaumaßnahmen für die verschiedenen Waldentwicklungsphasen inklusive der Waldverjüngung.

Der Grundsatz der Begründung und Entwicklung standortgerechter und strukturierter Mischbestände aus mehreren, überwiegend heimischen Baumarten aus geeignetem forstlichen Vermehrungsgut blieb erhalten. Das Prinzip der sinnvollen Kombination geeigneter Naturverjüngung und gezielter ergänzender Pflanzung weiterer standortgerechter Baumarten wurde mit Bezug zum Wiederbewaldungskonzept NRW hervorgehoben.

Bei der Ausgestaltung und Zuordnung der Waldentwicklungstypen nehmen die Aspekte der zukünftig verlängerten Vegetationszeit, verringerter Sommerniederschläge und des erhöhten Risikos von Witterungsextremen einen besonderen Stellenwert ein. Dabei wird deutlich, dass es regional in Nordrhein-Westfalen zu einer Standortdrift kommen kann (s. Abb. 2). Die mögliche Veränderung von Standortbedingungen ist bei der Wahl eines auch im Klimawandel standortgerechten Waldentwicklungstyps und einer entsprechenden Baumartenzusammensetzung besonders zu berücksichtigen (s. Abb. 3). Dies betrifft sowohl die Begründung neuer Bestände, insbesondere bei der Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen, als auch Anpassungen bei vorhandenen Beständen im Zuge von Waldumbau. Die bewährten Kerninhalte bleiben im aktualisierten Waldbaukonzept erhalten:

Schematische Darstellung der Standortdrift als Folge sich ändernder Standortfaktoren im Klimawandel

Die Modellrechnungen zum Klimawandel zeigen eine zu erwartende Erwärmung. Als Folge verlängert sich die forstliche Vegetationsperiode (Zahl der Tage > 10 °C). 

Gleichzeitig kommt es durch reduzierte Niederschläge und erhöhte Verdunstung im Sommer zu einer Reduzierung der Klimatischen Wasserbilanz in der Vegetationsperiode. Dies führt zu Standortdrift und es kann zu einer Reduktion der Wasserhaushaltsstufe kommen (z. B. mäßig frisch -+ mäßig trocken).

 

Vier-Baumarten-Prinzip

Das Vier-Baumarten-Prinzip als Grundausstattung strukturierter Mischbestände, das sich auch auf Mischbaumarten bezieht, gilt als Bestandesziel in der Reifephase des Bestandes. Es kann während der Bestandesentwicklung realisiert werden und sollte bis zum Eintritt des Bestandes in die Qualifizierungsphase abgeschlossen sein.

72 Standorttypen

Die drei Standortfaktoren Wärme-, Wasser- und Nährstoffhaushalt definieren 72 unterschiedliche Standorttypen mit spezifisch empfohlenen Waldentwicklungstypen.

23 Waldentwicklungstypen mit ihren idealtypischen Baumartenmischungen

Das Waldbaukonzept beinhaltet 23 Waldentwicklungstypen mit ihren idealtypischen Baumartenmischungen. Diese sind standörtlich und bezüglich des idealen Zusammenspiels der Baumarten (Leistungsvermögen, Konkurrenzverhalten, Stabilität und Risikostreuung im Klimawandel etc.) definiert.

Vier Übersichten zur Standortzuordnung der Waldentwicklungstypen

Die Übersichten beinhalten für vier Vegetationszeitbereiche die standörtliche Zuordnung der Waldentwicklungstypen. Standörtlich besonders empfohlene Waldentwicklungstypen sind hervorgehoben. Zudem ist die Kompatibilität mit Natura2000-Waldlebensraumtypen kenntlich gemacht.

Modularer Aufbau und vielfältige Auswahlmöglichkeiten

Durch den modularen Aufbau mit zahlreichen Varianten und Bandbreiten bestehen für die Anwendung des Waldbaukonzepts in der forstlichen Praxis, insbesondere durch den privaten und kommunalen Waldbesitz, vielfältige Auswahlmöglichkeiten. So kann man den forstbetrieblichen Zielsetzungen und Erfordernissen, auch unter Berücksichtigung der Risikominimierung im Klimawandel, gerecht werden.

Die Neuerungen im Überblick

Anpassungen zur Erhöhung der Bestandesstabilität im Klimawandel

Zur Erhöhung der Bestandesstabilität und zur forstbetrieblichen Risikominimierung im Klimawandel wurden die Baumartenzusammensetzungen der Waldentwicklungstypen, deren standörtliche Zuordnung sowie die diesbezüglichen Waldbaumaßnahmen angepasst.

Standortübersicht für die Bereiche mit > 200 Tagen Vegetationszeit

Die Übersichten zur standörtlichen Eignung der Waldentwicklungstypen wurden um den Vegetationszeitbereich > 200 Tage erweitert (Forstliche Vegetationszeit = Tage ≥ 10 °C Tagesmitteltemperatur). Die vorherigen Vegetationszeitbereiche in Anlehnung an die

Höhenstufen „submontan“ bis „obermontan“ wurden in einer Standortübersicht < 145 Tage zusammengefasst. In den Standortübersichten werden den Standorttypen die jeweiligen empfohlenen Waldentwicklungstypen zugeordnet.

Ergänzung des Baumartenportfolios durch sechs Experimentierbaumarten

Die im Waldbaukonzept empfohlenen Baumarten werden um sechs eingeführte Baumarten mit noch begrenzten Anbauerfahrungen für ein experimentelles Einbringen in Nordrhein-Westfalen (sogenannte Experimentierbaumarten) ergänzt. Hierbei handelt es sich um die Edelkastanie, die Baumhasel, die Walnuss, den Riesenlebensbaum, die Atlas-Zeder sowie die Libanon-Zeder.

Aktualisierung der Standortansprüche von Waldbaumarten

Für die Zuordnung der Waldentwicklungstypen bzw. deren Baumartenkombinationen ist die Betrachtung der vor Ort herrschenden standörtlichen Grundvoraussetzungen (Wärme-, Wasser- und Nährstoffhaushalt) elementar. Die physiologischen Grenzwerte der Standortansprüche der Waldbaumarten wurden auf aktueller wissenschaftlicher Grundlage angepasst (z. B. bei den Experimentierbaumarten).

Berücksichtigung der Standortdrift im Klimawandel

Die Übersichten zur standörtlichen Eignung der Waldentwicklungstypen erlauben die Berücksichtigung der Standortdrift im Klimawandel. Hierbei können die verschiedenen RCP-Klimaszenarien des Weltklimarates hinzugezogen werden. Bei einer Verlängerung der Vegetationszeit aufgrund des Temperaturanstiegs und bei einer Verringerung der Bodenwasserverfügbarkeit durch verringerte Niederschläge kann die standörtliche Zuordnung geeigneter Waldentwicklungstypen angepasst werden. Bei der kombinierten Anwendung des Waldbaukonzepts mit dem Internetportal Waldinfo.NRW wird dieser Prozess technisch unterstützt. Bei der Wahl eines Waldentwicklungstyps oder auch einzelner Baumarten kann zwischen derzeitigen Klimabedingungen, einem mäßigeren Klimawandelszenario (RCP4.5) und einem starken Klimawandelszenario (RCP8.5) ausgewählt werden.

Anpassung der Empfehlungen zur Wiederbewaldung großer Kalamitätsflächen

Die Empfehlungen zur Bestandesbegründung, insbesondere für die Wiederbewaldung großer Kalamitätsflächen, wurden angepasst. Vorrangig wurde das Prinzip der sinnvollen Kombination geeigneter Naturverjüngung mit ergänzender Pflanzung mit verringerten Stückzahlen stärker hervorgehoben.

Empfehlungen zur Waldrandgestaltung

Aufgrund der Bedeutung von Waldrändern für die Bestandesstabilität und zur ökologischen Aufwertung empfiehlt das Waldbaukonzept die Waldrandgestaltung mit standortgerechten heimischen Baum- und Straucharten, differenziert nach vier Standortvarianten.

Einfachere Zugänglichkeit

Um die Nutzung des Fachkonzeptes zugänglicher zu gestalten, wurden Fachtexte des bestehenden Waldbaukonzeptes angepasst und vermehrt in tabellarische Darstellungen umgewandelt. Die Informationen sind für die Lesenden somit leichter erfassbar bzw. spezielle Informationen schneller auffindbar. Es wurden neue Übersichten zu empfohlenen Baumarten und zur Baumartenzusammensetzung der Waldentwicklungstypen nach Haupt-, Neben- und Begleitbaumarten ergänzt sowie die Steckbriefe der Waldentwicklungstypen und Übersichten in den Anhängen überarbeitet. Die Überarbeitung erfolgte unter der Mitwirkung von Waldbesitzer- und Naturschutzverbänden sowie unter Einbindung aller mit dem Wald befassten Verbände. 

Die Anwendung des Waldbaukonzepts wird durch die digitalen Karten des Internetportals Waldinfo.NRW, insbesondere die Karten zur standörtlichen Eignung von Waldentwicklungstypen – auch unter Einbeziehung von Klimawandelszenarien –, praktisch unterstützt. Hierfür sind die forstlichen Boden- und Standortkarten [3] sowie Klimadaten und Klimawandelszenarien [4] eine wichtige Grundlage. Zur Anwendung des Waldbaukonzepts und des Wiederbewaldungskonzepts bietet der Landesbetrieb Wald und Holz NRW allgemeine fachliche Beratung (Regionalforstämter, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg) und Schulungen (Forstliches Bildungszentrum in Arnsberg) an. Das Waldbaukonzept NRW ist Teil der Umsetzung der Klimaanpassungsstrategie für den Wald und die Waldbewirtschaftung in Nordrhein-Westfalen [5].

Die Empfehlungen des Waldbaukonzepts NRW werden auch zukünftig an die relevanten Klimaprognosen und den forstfachlichen Wissensstand angepasst werden, um den Wissenstransfer für die forstliche Praxis beständig auf dem jeweils aktuellen Stand fortzusetzen.

Literaturhinweise

  • [1] Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MLV NRW) (2023): Waldbaukonzept Nordrhein-Westfalen – Empfehlungen für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. 
  • [2] MLV NRW (2024): Wiederbewaldungskonzept Nordrhein-Westfalen – Empfehlungen für eine nachhaltige Walderneuerung auf Kalamitätsflächen. 
  • [3] Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen – Landesbetrieb (2024): Bodenkarten und Forstliche Standortkarten für die Wälder Nordrhein-Westfalens. 
  • [4] Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (2019): Wald und Klima in Nordrhein-Westfalen – Ein Beitrag zum Landeswaldbericht. 
  • [5] Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2015): Wald und Waldmanagement im Klimawandel.