Große Wiederbewaldungsaufgabe
Im Zusammenwirken von Stürmen, Dürre- und Hitzeperioden sowie der Massenvermehrung von Fichten-Borkenkäfern sind in Nordrhein-Westfalen seit 2018 etwa 133.000 ha Fichten-Kalamitätsflächen – auf Grundlage von Satellitenbildauswertungen (Stand: August/September 2024) – entstanden. Dies sind etwa 15% der nordrhein-westfälischen Waldfläche. Während anfangs die Bewältigung der Borkenkäfer-Kalamität, die Aufarbeitung der Schadflächen und teilweise auch die Instandsetzung von Waldwegen im Vordergrund stand, hat in den letzten Jahren auch verstärkt die Wiederbewaldung stattgefunden.
Für die große und längerfristige Aufgabe der Wiederbewaldung hat das Land Nordrhein-Westfalen von Anfang an vielfältige Unterstützungsangebote für den privaten und kommunalen Waldbesitz zur Verfügung gestellt: fachliche Empfehlungen im Rahmen des Wiederbewaldungs- und Waldbaukonzepts, technische Hilfen über das Internetportal Waldinfo.NRW mit digitalen Karten und Funktionen, allgemeine Beratung über die Regionalforstämter des Landesbetriebes Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, Förderangebote über die forstlichen Förderrichtlinien sowie Schulungsangebote im Rahmen des forstlichen Bildungsprogramms.
Die in Erarbeitung befindliche Waldstrategie für Nordrhein-Westfalen soll eine Zukunftsperspektive und einen Handlungsrahmen für die Wälder und Waldbewirtschaftung im Klimawandel bieten, was auch die Wiederbewaldung beinhaltet.
Überarbeitetes Wiederbewaldungskonzept
Das Wiederbewaldungskonzept für Nordrhein-Westfalen wurde 2024 bezüglich einiger fachlicher Aspekte überarbeitet. Angesichts häufig begrenzter Ressourcen (finanzielle Mittel, Pflanzgut, Arbeitskräfte) wurden weniger intensive Pflanzvarianten noch stärker betont, und die Zugänglichkeit wurde durch weitere Vereinfachung verbessert. Wie auch bei der Ersterstellung erfolgte die Überarbeitung zusammen mit Fachleuten der verschiedenen Waldbesitzarten und auch des Naturschutzes.
Zu den Grundprinzipien des Wiederbewaldungskonzepts für Nordrhein-Westfalen gehören die sinnvolle Kombination von geeigneter Naturverjüngung und ergänzender Pflanzung sowie die Empfehlungen einiger weniger, möglichst einfacher Schemata zur Bestandesbegründung mit verschiedenen Pflanzintensitäten. Es werden drei Pflanzintensitäten empfohlen:
- Reguläre Pflanzung mit einem Pflanzanteil von 70% auf der Wiederbewaldungsfläche
- Extensive Pflanzung mit einem Pflanzanteil von 30%
- Initialpflanzung mit 400 Bäumen – in den Varianten Trupp-Pflanzung und Vorwald
Hierfür werden allgemeine Schemata und konkrete Umsetzungsbeispiele mit Kennzahlen dargestellt.
Die Empfehlungen beziehen sich oft auf erste Maßnahmen zur Einleitung oder auch Vorbereitung der Wiederbewaldung. In vielen Fällen werden spätere ergänzende Maßnahmen wie Nachpflanzungen und in jedem Fall eine umfassende Pflege der Kulturen und Jungbestände erforderlich sein. Im Falle der Wiederbewaldung der großen Schadflächen wird die Entwicklung idealtypischer Waldentwicklungstypen nach dem Waldbaukonzept NRW einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
Technische Hilfe durch das Internetportal Waldinfo.NRW
Baumartenmischung eine grundlegende Entscheidung mit großen Auswirkungen über die gesamte Bestandesentwicklung. Daher sollten alle verfügbaren fachlichen Informationen und räumlichen Daten genutzt werden. Es gilt das Ausfallrisiko von Kulturen zu minimieren und ein möglichst gutes Entwicklungspotenzial für die neuen Waldbestände zu ermöglichen. Das Internetportal Waldinfo.NRW bietet mit seinen frei nutzbaren etwa 200 digitalen Kartenlayern und verschiedenen hilfreichen Funktionen eine wichtige fachliche Hilfestellung für viele Aspekte der Waldbewirtschaftung, auch für die Wiederbewaldung von Schadflächen.
Für die Wiederbewaldung sind insbesondere die digitalen Eignungskarten für Waldentwicklungstypen und Baumarten relevant, die auf den forstlichen Standortkarten und den Empfehlungen des Waldbaukonzepts NRW basieren. Hierbei sind Varianten der Karten für zwei ausgewählte Klimawandelszenarien enthalten. Auch viele weitere hilfreiche Karten wie zur Geländestruktur, zu Waldwegen, zu evtl. Naturschutzgebieten und zur zuständigen Kontaktperson des Regionalforstamtes des Landesbetriebes Wald und Holz NRW sowie aktuelle Luftbilder und Satellitenbilder sind verfügbar.
Für eine vereinfachte Nutzung durch die forstliche Praxis enthält Waldinfo.NRW als ergänzende Funktion auch ein interaktives Unterstützungssystem zur Wiederbewaldung. Hierbei werden die wichtigsten Karten, bezüglich der forstlichen Standortkarte auch in der besten verfügbaren Auflösung, automatisch zusammengestellt. Die Ergebnisse umfassen einen Bericht mit Kartenansicht und Tabellenteil. Während die Ergebnisse anfangs für einen ausgewählten Punkt bereitgestellt wurden, ist dies seit 2023 auch für eine eingezeichnete Fläche möglich. Für den Fall, dass die ausgewählte Bestandesfläche verschiedene Standorttypen beinhaltet, werden diese grafisch und tabellarisch ausgewiesen, auch mit den jeweiligen Flächengrößen, und empfohlene Waldentwicklungstypen werden jeweils zugeordnet.
Die Karten und Funktionen von Waldinfo.NRW unterstützen effektiv die Planungen von Waldbesitzenden und Forstbetrieben zur Wiederbewaldung von Schadflächen, entsprechende Beratungen durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW und forstliche Dienstleistungsbüros sowie die Erstellung von Förderanträgen.
Das Internetportal Waldinfo.NRW hat sich seit seiner Einrichtung in 2018 sehr positiv entwickelt, wird gut genutzt und periodisch weiterentwickelt.
Stichprobenerhebung zum Stand der Wiederbewaldung
Aus allgemeiner fachlicher, forstrechtlicher und waldpolitischer Sicht ist es wichtig, über geeignete Informationen zur Entwicklung der Wiederbewaldung zu verfügen. Daher richtet das Land Nordrhein-Westfalen seit 2022 ein Wiederbewaldungsmonitoring ein, was verschiedene Ansätze und Umsetzungen beinhaltet.
In 2024 wurde erstmalig auf den seit 2018 entstandenen Kalamitätsflächen eine Stichprobeninventur zur Wiederbewaldung durchgeführt. In einem Stichprobennetz im Raster 1,41 x 1,41 km wurden insgesamt 642 relevante Stichprobenpunkte aufgenommen, was 127.623 ha Kalamitätsfläche repräsentiert (Bezugsgröße war die zum Stand September 2023 erfasste Kalamitätsfläche).
Nach der Erhebung sind von der untersuchten Schadfläche etwa 46% (ca. 59.000 ha) wiederbewaldet, davon wiederum etwa 64% durch Naturverjüngung und 36% durch Pflanzung. Laubholz-Baumarten machen 46% aus und Nadelholz-Arten 54%. Am häufigsten sind Fichte (33%), Sukzessions-Weichlaubhölzer (32%) und Douglasie (13%) vertreten. Die Naturverjüngung besteht zu 45% aus Sukzessions-Weichlaubhölzern (Anderes Laubholz mit niedriger Umtriebszeit) und zu 42% aus Fichte. Die gepflanzten Kulturen setzen sich insbesondere aus Douglasie mit etwa 1/3 der Fläche (7.100 ha), Fichte (17%), Lärche (12%) und Buche (11%) zusammen.
Auf der wiederbewaldeten Fläche entwickeln sich in 80% der Fälle Mischbestände aus mehreren Baumarten; nur 20% sind derzeit Reinbestände. An etwa 40% der Stichprobenpunkte besteht verdämmende Konkurrenzvegetation. Bei den Pflanzungen wurde bezüglich der Verjüngungsverfahren zu über 80% ein flächenintensives Verfahren im Standardverband gewählt. Extensive Formen wie Pflanzungen im Weitverband oder truppweise Pflanzungen lagen bei etwa 17% der Wiederaufforstungen vor. Schutzmaßnahmen gegen Wildverbiss wurden bei knapp 30% der Kulturen festgestellt.
Der erfasste Stand entsprach in etwa den Erwartungen auf Grundlage der Erfahrungen aus der Wiederbewaldung nach dem Orkan Kyrill in 2007. Es kann positiv gesehen werden, dass bereits auf einem deutlichen Anteil der Schadflächen neue Waldstrukturen entstehen, die auch wichtige Vorwaldfunktionen erbringen können. Die Erhebung zeigt aber auch, dass die vorgefundene Wiederbewaldung vielfach – mit den großen Anteilen an Sukzessions-Weichlaubhölzern und Fichte – noch nicht den Anforderungen von auch im Klimawandel standortgerechten (Berücksichtigung der Standortdrift) und langfristig gesehen auch leistungsfähigen (auch bezüglich der Holzproduktion) Mischwäldern entsprechen. Die Erhebung belegt, dass noch über einen längeren Zeitraum große Anstrengungen zur Vervollständigung der Wiederbewaldung, zur Pflege der Kulturen und Jungbestände sowie zur Entwicklung klimaanpassungsfähiger Mischwälder erforderlich werden.
Eine Wiederholung der Untersuchung ist vorgesehen. Parallel erfolgt eine forsthoheitliche Erfassung in den Regionalforstämtern. Ein Monitoring über Satellitenbildauswertungen befindet sich in der Entwicklung und Erprobung.
Fazit
Nordrhein-Westfalen verfügt über moderne und leistungsfähige Konzepte und Instrumente zur fachlichen Unterstützung der Wiederbewaldung. Angesichts der Dimension der Aufgabe bei zugleich häufig begrenzten Ressourcen ist oft ein pragmatischer Ansatz erforderlich. Vielfach sind die anzustrebenden klimaanpassungsfähigen Mischwälder, die langfristig gesehen ihre vielfältigen Waldfunktionen erbringen können, erst später zu entwickeln.
Allerdings sollten die fachlichen Anforderungen von Anfang an mit bedacht werden, und alle verfügbaren Informations- und Datengrundlagen sind zu nutzen. Vermeintlich anfangs einfache und kostengünstige Wiederbewaldungen können durch nötige Ergänzungen und großen Pflegebedarf einen hohen späteren Aufwand und entsprechende Folgekosten bedeuten.
Wenn die entstehenden Wälder für viele Jahrzehnte nur eingeschränkt den aktuellen fachlichen Empfehlungen entsprechen, nur ein eingeschränktes Potenzial bezüglich wichtiger Waldunktionen umfassen sowie deutliche Risiken bezüglich zukünftiger Schäden – bis hin zu einem erneuten großflächigen Ausfall – aufweisen, wird der Wiederbewaldungsaufgabe nur bedingt entsprochen.







