Dschungel der Begrifflichkeiten und unterschiedlicher Positionen

Die Brände im Nationalpark Harz haben die Diskussion um die Rolle von „Totholz“ bei der Ausbreitung und Bekämpfung von Waldbränden deutlich intensiviert. Dieser fachliche Diskurs wird teilweise mehr von Meinungen als von Fakten geprägt. Das Spektrum der Meinungen reicht dabei von Totholz als gravierendes Sicherheitsproblem (Witwenmacher) bis fast schon universellem Lösungsansatz (Biodiversitätsförderung mit gleichzeitiger Brandschutzwirkung). Neben der oft normativ geprägten unterschiedlichen Betrachtungsweise spielt auch die Tatsache eine ungünstige Rolle, dass der Begriff Totholz undifferenziert für holzförmiges Material unterschiedlichster Ausprägung genutzt wird. Zudem bleibt die Dynamik der natürlichen Zersetzung oft unbeachtet (Abb. 1). 

Nachfolgende Tab. 1, gibt daher zunächst einen Überblick über verschiedene Typen von Baumteilen und deren Bedeutung im Waldbrandgeschehen. Diese Differenzierung war gleichzeitig die Grundlage der durchgeführten Studie “Totholz und Waldbrandmanagement” und wird in diesem Bericht über die wichtigsten Forschungsergebnisse angewendet.

Baumteile/FlächentypenBeschreibung

Bedeutung im Waldbrandgeschehen und bei Löscheinsätzen

Bodennahes AstmaterialDünnes Astmaterial, das sich mit geringem Boden­kontakt und damit luft­um­strömt in Boden­nähe befindetHohe Entflammbarkeit und Brand­aus­brei­tungs­ge­schwin­digkeit durch ungünstiges Volumen-/Ober­flä­chen­verhältnis. Kann bei unmittelbarem Übergang zu Kronenästen das Aufsteigen eines Bodenfeuers in den Kronenraum bewirken (Feuerleiter).
KronenästeFeines Material im bo­den­fernen (> 3-4 m Abstand) Kronenbereich von Waldbe­ständenPrinzipiell ungünstiges Brandverhalten, aber geringe Entzündungswahrscheinlichkeit auf­grund des Ab­stands zum Boden und damit geringe Relevanz bei der überwiegenden Zahl von reinen Bodenfeuern. 
Stämme und StarkästeStehende oder liegende Stämme und Starkäste mit einem Durchmesser über 7 cmMäßige bis geringe Entflammbarkeit und geringer Beitrag zur Brandausbreitung. Ausgetrocknete, noch stehende Stämme können bei starken Bodenfeuern wie Fackeln brennen.
BarriereflächenBereiche, in denen Baum­teile oder Vegetation* den Zugang bzw. das Durch­queren erschwe­ren oder verhindernBehinderung des Zugangs zum Einsatzort. Insbe­sondere im Falle eines Rückzugs aus der Fläche kann dies zu einer akuten Gefährdung von Einsatzkräften führen.
Schadholz(-fläche)**Abgestorbene stehende, Bäume oder Wald­flä­chen mit totem Holz­ma­terial unter­schied­licher Brand-eigen­schaf­ten, das aber noch eine weit­ge­hende mecha­ni­sche Stabilität aufweistFolgen des Auftretens oft natürlicher Mortalität, meistens in Beständen mittleren bis höheren Alters. Vor Beginn der natürlichen Zersetzung mit wenig dynamisch brennbarem Totholz (Stammholz) in Bodennähe und Totastmaterial im Kronenraum. Ge­ringe Gefährdung und Behin­derung von Ein­satz­kräf­ten. Geringe Entflamm­barkeit und Brand­aus­brei­tungs­ge­schwindigkeit bei Bodenfeuern. Wird im Rahmen von Pflege­maßnahmen entfernt und einer holz­wirt­schaftlichen Verwertung zugeführt oder entwickelt sich zu Totholz (-flächen).
Totholz (-flächen)Bäume, die primär aus öko­logischen Gründen be­lassen werden und in ei­nen natürlichen Zer­setzungs­prozess über­gehenUnterschiedliche Eigenschaften in den ver­schie­de­nen Zersetzungsstufen. Bis zum Um­stürzen zuneh­men­de Gefährdung von Einsatz­kräften durch herab­fal­lende Baumbe­standteile, die sich im Brand­fall u. a. durch Verbrennen von Wurzeln oder Ther­mik ver­stär­ken kann. Mit dem natürlichen Ab­wurf des Ast­ma­te­rials bzw. dem Umstürzen des Baumes im noch (teil-)beasteten Zustand temporäre Akkumulation von Totreisig. Im liegenden Zustand kann bei größe­rer flächiger Ausbreitung eine Bildung von Barriere­flä­chen stattfinden. Beim Einsatz von Luftfahrzeugen besteht zusätzlich Gefahr beim Ab­wurf von Lösch­was­ser durch umstürzende Bäume bzw. Baum­be­stand­teile. Bei Hubschraubern besteht zudem Gefahr durch Abwind.
SicherungszonenWaldflächen außerhalb von Bereichen, in denen Totholzanreicherung zielkonform er­wünscht oder toleriert ist (z.B. Bannwälder, Habitatbaumgruppen etc.), in denen stehendes Totholz vollständig gefällt oder entnommen wird. Anlage nur in der Nähe
Tab. 1: Typisierung von Baumteilen und Waldflächen im Kontext Waldbrandmanagement 

* Sowohl lebend als auch abgestorben oder temporär ausgetrocknet.
** Der Schadensbegriff wird hier nur im Sinne der Schädigung von Bäumen verwendet.

Methodik und Ergebnisse

Im Projekt sollte zum einen die Verwendbarkeit von bisher vorliegenden, frei verfügbaren Infor­ma­tionen aus Fernerkundungsdaten zur Identifikation von totholzreichen Flächen untersucht werden. Zum anderen sollten Strategien des Umgangs mit Schad- und Totholzflächen durch eine Akteurs­befra­gung vertiefend erforscht werden. Diese Befragung wurde über knapp sechs Wochen im September und Oktober 2024 im Rahmen einer Onlinebefragung bei Forstpersonal und optional bei Waldbe­sitzenden durchgeführt. 

Verschiedene Projekte befassen sich derzeit mit der Erkennung von Totholz über verschiedene Me­tho­den der Nah- und Fernerkundung. Mit dem der Untersuchung zugrundeliegenden Ziel, den Feuer­weh­ren und dem Forstpersonal im Land eine flächige Information bereitzustellen, schied die Mehrzahl aller Verfahren, die Daten nur für einzelne Gebiete bereitstellen können, von vorneherein aus. Eine Verifizierung von vorhandener, flächig vorliegender Information vor Ort führte zu der Erkenntnis, dass in ausgewiesenen Flächen mit abgestorbenen Bäumen diese häufig nicht (mehr) vorhanden sind. Dabei zeigen die nachfolgend dargestellten Ergebnisse, dass dies oft weniger auf eine fehlerhafte Erkennung als auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass Schadholz in der überwiegenden Zahl der Fälle rasch entnommen wird. 

Damit bekamen die Ergebnisse der Akteursbefragung eine wesentliche Bedeutung für die Beschrei­bung der Wirkungen von Totholz auf das Waldbrandmanagement. Hierbei wurde auf eine Erhebung von Flächen fokussiert, die außerhalb von (i. d. R. kartographisch erfassten) Flächen liegen, in denen eine Totholzanreicherung explizit erwünscht, mindestens aber toleriert wird (z. B. Bannwälder, Waldrefugien, Habitatbaumgruppen; Teile von Nationalparks und Naturschutzgebieten; im Weiteren vereinfacht als “Naturschutzflächen” bezeichnet).

Die Umfrage wurde von insgesamt 189 Personen beantwortet, ca. 85% davon waren Revierleiter und Revierleiterinnen. Am häufigsten vertreten waren Reviere zwischen 1000-1500 ha Größe (48%) was auf eine Repräsentativität innerhalb Baden-Württembergs hindeutet. 

Vorkommen und Totholzinseln

Abb. 3 zeigt die Verteilung der Zahl der Totholzflächen in den Jahren 2018 bis 2024 je Revier. Durchschnittlich wurden ca. acht Totholzflächen pro Revier bzw. Waldbesitz außerhalb von Naturschutzwäldern angegeben, wobei eine weite Bandbreite der von 0 bis 65 Flächen je Revier vorliegt. Daraus kann zunächst abgeleitet werden, dass die Dichte solcher Flächen außerhalb von Naturschutzflächen im Durchschnitt unter einer Fläche je Quadratkilometer liegt und damit eine ins­ge­samt geringe Wahrscheinlichkeit vorliegt, im Brandfall mit solchen, nicht räumlich bekannten Totholzflächen konfrontiert zu werden. Ein Drittel der Befragten gibt an, dass keine solchen Flächen existieren; die Zahl von 20 Flächen je Revier oder Waldbesitz wird nur vereinzelt überschritten, so dass nur sehr selten mit mehr als einer totholzreichen Fläche je 100 ha gerechnet werden muss.

Zahl und räumliche Ausdehnung von Totholzflächen werden maßgeblich von der Aufarbeitungsquote von Schadholzflächen bestimmt. Die Ergebnisse zeigen klar auf, dass man sich vorhandenem Schadholz meist schnell widmet, da ca. 70% der genannten Flächen aufgearbeitet wurden. Dadurch kommt es zu einer hohen räumlichen Dynamik im Vorkommen der Schadholzflächen, wodurch eine Kartierung der Flächen ständig aktualisiert werden müsste, da sie ansonsten nicht mehr den tatsächlichen Zustand im Wald widerspiegeln würde. 

Die Gründe für den hohen Anteil der Flächen, in denen Schadholz aufgearbeitet wird, sind breit gestreut. Dominierend sind Ertragsverluste, Bewirtschaftungshindernisse und Waldschutzaspekte. Aber auch Haftungsrisiken und der öffentliche Wunsch nach einer Beseitigung spielen bei der Aufarbeitungsentscheidung eine wichtige Rolle (Abb. 4).

Da das Zusammenbrechen des Totholzes bei den meisten Baumarten schon nach wenigen Monaten bis wenigen Jahren einsetzt, kommt Totholz überwiegend in liegender Form vor. Der durchschnittliche Laubholzanteil lag bei knapp 30%, was ebenfalls mit der größeren Betroffenheit der Nadelhölzer durch biotische und abiotische Schadursachen korrespondiert. Damit unterscheidet sich Totholz, das infolge von natürlicher Mortalität entsteht, deutlich von Bereichen, in denen totholzreiche Flächen zunächst ohne den Einfluss natürlicher Mortalität ausgewiesen werden, da hier Laubholz über­wiegt.

Einsätze im Wald

146 Umfrageteilnehmer haben für die letzten sechs Jahre insgesamt 607 Einsätze angegeben, wobei hier alle Einsatzarten (also auch Rettungseinsätze etc.) eingeschlossen waren. In der Größenordnung kann revierbezogen daher im Mittel von einem Einsatz pro Jahr ausgegangen werden. Bei knapp einem Drittel der Fälle kam es zu einer Kontaktaufnahme mit dem Revierpersonal, in 22% der Einsätze konnte das Forstpersonal bzw. der Waldbesitzende unterstützen. Letzteres zeigt auf, dass die Kooperation von Feuerwehr und Forst eine wichtige Bedeutung hat. Meist konnten sie durch eine gute Ortskenntnis oder Spezialgeräte weiterhelfen. In deutlich weniger als zehn Prozent der angegebenen Fälle haben Schad- oder Totholz den Einsatz behindert, etwa durch einen erschwerten Zugang oder herabstürzende Teile. Dabei ist zu beachten, dass Revierleitende und Waldbesitzende nicht über alle Einsätze im Wald in Kenntnis gesetzt werden, und es daher eine Dunkelziffer gibt. Es ist tendenziell aber davon auszugehen, dass Forst­per­sonal eher bei Einsätzen, bei denen es Schwierigkeiten gab, hinzugezogen wurde und in der Folge diese mit höherer Wahrscheinlichkeit in die Erhebung eingeflossen sind. Die Gefahr einer Unterschätzung des Anteils von Einsätzen, in denen Probleme durch die oben genannten Baum- und Flächenstrukturen eingetreten sind, scheint daher überschaubar zu sein.

Folgerungen für den Umgang mit Totholz im Kontext des Waldbrandmanagements

Die Ergebnisse der Befragung wurden in der Plattform Integriertes Waldbrandmanagement Baden-Württemberg erörtert und in Leitsätze zum Umgang mit Schad- und Totholz überführt, deren wesent­liche Kernaussagen nachfolgend zusammengefasst sind:

  • Totholzreiche Flächen sollten beim Löscheinsatz nicht betreten werden
  • Vor Aufnahme der Löscharbeiten sollten vorhandene Informationsquellen (Karten/GIS-System) ge­nutzt werden, um einen Eindruck über die Wahrscheinlichkeit von Totholzvorkommen zu bekom­men
  • Es sollte stets eine Zusammenarbeit von Forstpersonal und Feuerwehren am Einsatzort angestrebt werden, da örtlich vertrautes Forstpersonal die Gefahren kennt bzw. vor Ort besser einschätzen kann
  • In der Nähe (Richtwert doppelte Baumlänge) von schutzwürdigen Objekten (Siedlungsbereiche, Straßen, sonstige kritische Infrastruktur) sollte keine aktive Totholzanreicherung betrieben werden und stehendes totes Holz vollständig gefällt werden, um so genannte Sicherungszonen auszubilden.
  • Auf Dauerhaftigkeit angelegte, totholzreiche Flächen (z. B. Waldrefugien, Habitatbaum­gruppen) sollten kartographisch erfasst und den Feuerwehren bekannt gegeben werden

 

Zusammenfassung

Methoden der Fernerkundung, die einen ausreichend hohen Aktualisierungsturnus aufweisen, um die hohe Dynamik der Aufarbeitung von Schadholzflächen abzubilden, sind derzeit noch nicht verfügbar. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen klar auf, dass aus einer Vielzahl durchaus unter­schied­licher Gründe die überwiegende Zahl von Schadholzflächen aufgearbeitet werden und daher nicht zur Entstehung von Totholzflächen führen. 

Außerhalb von den meistens kartierten (Naturschutz)-Flächen, in denen eine Totholzanreicherung gewünscht oder toleriert wird, ist daher mit einer vergleichsweise geringen Wahrscheinlichkeit zu rechnen. In seltenen Einzelfällen kann jedoch regional eine Häufung dieser Flächen vorkommen. Behinderungen durch Tot- und Schadholz bei Einsätzen werden daher auch für etwas weniger als 5% der den Revierleitenden bekannten Fälle berichtet. 

Trotzdem ist ein proaktiver Informationsaustausch zwischen Forst- und Feuerwehr in dieser Frage sehr wichtig. Dies gilt auch für unterschiedliche Einsätze der Feuerwehren in Wald, wo in knapp einem Drittel der Fälle Kontakt mit den Forstkollegen gesucht und in etwas mehr als einem Fünftel der Fälle aktive Unterstützung geleistet wurde.