Hoch, höher und noch höher lautet der derzeitige Wettstreit um das höchste Gebäude aus Holz. Diese Entwicklung bestätigt das Vertrauen der Investoren und Bauherrschaften in das Material Holz auch für den weltweiten Hochhausbau. Die Berner Fachhochschule BFH ist vorne dabei, wenn es darum geht, neues Know-how zu schaffen, zu etablieren und die Fachleute mittels Aus- und Weiterbildung für die neuen Entwicklungen in der Holzbaubranche fit zu machen.
Der mehrgeschossige Holzbau hat sich nicht nur in der Schweiz etabliert. Die hohe bauliche Qualität und die Leistungsfähigkeit der Holzwirtschaft haben diesen Trend ermöglicht.
Über den ganzen Globus verteilt entstehen immer höhere Gebäude mit Tragstrukturen aus Holz. Weltweit ist ein regelrechter Wettstreit um den Bau des schlanksten und höchsten Holzhochhauses entbrannt. Begonnen hat alles mit dem 14-geschossigen Holzhochhaus "Treet“ in Bergen/Norwegen, gefolgt vom 18-geschossigen Holzgebäude "Mjøsa Tower“ (ebenfalls in Norwegen). In Wien (Österreich) wurde 2019 ein 24-geschossiges und 84 m hohes Holzgebäude fertiggestellt und in Bordeaux wird ebenfalls ein 18-geschossigen Gebäude ("Silva“) errichtet. Weltweit sind noch weitere Projekte in Planung. Die meist in Hybrid- oder Massivholzbauweise aus Brettsperrholz (CLT – CROSS LAMINATED TIMBER) konstruierten Gebäude werden neu auch als "Plyscraper“ (plywood scarper) bezeichnet. Die Schweiz hält sich aus dem Wettbewerb um das weltweit höchste Holz-Hochhaus heraus. Denn in anderen Ländern hat sich gezeigt, dass man oft nur eine kurze Zeit über das höchste Gebäude verfügt. Der Wettbewerb geht weiter.
Vor diesem Hintergrund organisierte das BFH-Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur im September 2017 anlässlich des Internationalen Holzbauforums in Garmisch-Patenkirchen (D) den Themenblock "Konzepte und Konstruktionen für den mehrgeschossigen Holzbau". Holzbauspezialisten aus aller Welt präsentierten anlässlich der Fachtagung ihre Gebäudekonzepte.
Vier bis sechs Geschosse im Trend
Unbeeindruckt vom weltweiten Wettbewerb um das höchste Gebäude, verfolgt die Holzbaubranche in der Schweiz eine andere Strategie. Hierzulande wird das grosse Bauvolumen, das in den vergangenen zehn Jahren im mehrgeschossigen Holzbau im Bereich der 4- bis 6-geschossigen Gebäude realisiert wurde, als solide Basis für die nächste Höhenetappe genutzt. Heute sind zahlreiche 6- bis 8-geschossige Gebäude in der Planung und Umsetzung. Dieser stark nachgefragte Gebäudebereich ist damit ein neuer wichtiger Geschäftsbereich für den Holzbau respektive die Holzwirtschaft geworden. Neben einigen skandinavischen Ländern dürfte die Schweiz damit wohl die führende Nation im Mehrgeschossigen Holzbau sein. Gleichwohl wurde auch in der Schweiz 2017 das erste 10-geschossige Holzhochhaus "Suurstoffi 22“ in Rotkreuz realisiert. Ein weiteres 15-geschossiges Gebäude "Arbo" mit 60 m Höhe auf demselben Areal wird 2019 fertiggestellt. Es ist zu erwarten, dass Holzhochhäuser auch in der Schweiz in den kommenden Jahren zur Normalität werden.
Abb. 2 - Das erste 10-geschossige Holzhochhaus in der Schweiz - "Suurstoffi 22" in Rotkreuz. Visualisierung: ERNE AG Holzbau, Zug Estates AG, Burkhard Meyer Architekten
Sicherheit in der Planung schafft Vertrauen
Der mehrgeschossige Holzbau ist insbesondere in den Städten gefragt. Hier gilt es, auf engstem Raum, in kürzester Zeit und ohne grosse Lärmemissionen zu verdichten oder Ersatzneubauten zu schaffen. Dass damit der immer grössere Wunsch nach stetig höheren Gebäuden - auch in Holz – entsteht, überrascht nicht. Die baurechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz tragen das ihre dazu bei. Dank konsequenten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Hochschulen und Forschungsinstitute gemeinsam mit der Holzwirtschaft konnten tragfähige Grundlagen erarbeitet werden, die eine Liberalisierung des Schweizer Baurechts und die Öffnung für den Holzbau ermöglichten. So können seit 2015 mit dem "Standardkonzept" der Brandschutznormen (VKF 2015) mit genau definierten Anforderungen hinsichtlich Materialisierung und Feuerwiderstand, Holzbauten auch über die sogenannte Hochhausgrenze hinweg realisiert werden. Dies schafft die notwendige Rechts- und Planungssicherheit. Die Schweiz ist damit das erste Land, in dem auch Hochhäuser in Holz ohne ein individuelles, projektbezogenes Brandschutzkonzept realisiert werden können. Das grosse Vertrauen in die Holzbauweise machte dies möglich. Leistungsfähige Materialien wie Brettschichtholz, Brettsperrholz, Furnierschichtholz aus Fichte oder zukünftig auch aus Buche stehen für hochbeanspruchte Bauteile zur Verfügung.
Die in der Holzwirtschaft schon weitgehend automatisierten Produktions- und Fertigungsprozesse mit einer ausgefeiten Fertigungs-, Transport- und Montagelogistik führen zu extrem kurzen Bauzeiten. Die "just-in-time"-Anlieferung der Bauteile sowie Wand-, Decken- und Dachelemente ist im Holzbau Standard. Die Anforderungen an die statische Nachweisführung der Bauteile und die Herausforderungen bei der Montage steigen mit zunehmender Höhe und Grösse des Gebäudes exponentiell. Neben der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit (Schwing- und Verformungsverhalten) müssen die Gebäudestrukturen langfristig, z. B. auch unter Erdbebeneinwirkung, zuverlässig und damit in einem hohen Mass robust sein. Statisch-konstruktiv spielt man in einer besonderen (höheren) Liga.
Lehre auf Praxis ausgerichtet
Mit dem neuen Modul "Multi Story Timber and Hybrid Structures" in der Vertiefung "Complex Timber Structures" des Master Wood Technology trägt die BFH den steigenden Ansprüchen an die Fachleute Rechnung. Den Studierenden werden neben einer intensiven Diskussion und der Wissensvermittlung zu unterschiedlichen Konzepten beim Tragwerksentwurf auch Methoden zur numerischen Simulation und zur digitalen Modellbildung der Gebäudestruktur in räumlichen FEM- oder Stabswerksprogrammen vermittelt. Vielfältige Konzepte für mehrgeschossige Holzbauten – auch neu detailliert erarbeitet, präsentiert und diskutiert. Ein Vergleich der unterschiedlichen Bauweisen wird so möglich. Ausgewiesene Experten zeigen innovative Lösungen, intelligente Konzepte und Visionen. Sie haben das Vertrauen verdient: Schweizer Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Holzbauunternehmen sind weltweit nachgefragte Fachspezialisten, wenn es um die Planung und Umsetzung aussergewöhnlicher und anspruchsvoller Ingenieurholzbaukonstruktionen geht. Hierzu gehören auch immer mehr die sehr schlanken Holzhochhäuser.
Weiterbildung
Das besondere Ingenieur-Know-how für Tragwerksentwurf und Bemessung vermittelt die BFH auch in ihrer Weiterbildung "CAS Holztragewerke" für BauingenieurInnen, ArchitektInnen und TechnikerInnen HF Holzbau mit Berufserfahrung in der statischen Berechnung. Die nächste Durchführung findet von September 2020 bis Februar 2021 statt.