Die forstlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan vor und nach dem 1. Weltkrieg

Am 05. Juli 1921 überreichten in der deutschen Botschaft in Tokio der Professor für Forstwissenschaft und Vorsitzender des japanischen Forstvereins, sanrinkai, Prof. Dr. Zentaro Kawase (kaiserl. Universität Tokio) und der Oberförster Baba (Ministerium für Landwirtschaft und Handel) dem Vertreter des Deutschen Reichs Herrn Botschafter Wilhelm Solf einen Barschreck über 100.000 Mark* (Abb. 1). Laut  Aus dem dazu überreichten Begleitschreiben geht hervor, dass es sich um eine Sammlung von Vereinen, Personen und Unternehmen handelt, die sich der deutschen Forstwissenschaft verbunden fühlten und denen von sich in Deutschland befindlichen japanischen Forststudenten mitgeteilt worden war, dass:

viele sehr tüchtige Erforscher der Forstwissenschaft wegen der Mängel von Studienmitteln als Folge der Not, die der diesmalige grosse Weltkrieg überall hergebracht hat, und daher dort wohl nur vorübergehend sein wird, kann ihre Arbeiten, die in der Welt von allgemeinem Nutzen sind, nicht vollenden kann. Dieser Bericht hat unsere Forstleute, die einst in Deutschland waren und die forstlichen Erkenntnisse erworben haben oder gut bewusst sind, dass die Entwicklung der forstlichen Tätigkeiten in Japan, wie es jetzt ist, hauptsächlich durch Erlernen bei ihnen gelungen sind, stark erregt, sodass jeder von uns entschlossen ist, einen kleinen Betrag, der im ganzen 100 000 Mark ausgemacht hat, Ihnen als Zeichen unserer Dankbarkeit für die deutschen Forstleute zu überreichen. Wir wagen zu hoffen, Sie werden gütigst Leuten, die Hilfe benötigen, nach Ihrem Gutdünken eine kleine Unterstützung zu Teil werden lassen“ (AA-R64949).

Über diese Spende berichteten sowohl deutsche Tageszeitungen (Abb 2.) aber auch forstliche Fachblätter wie das Forstwissenschaftliche Zentralblatt (1921) oder die Forstliche Wochenschrift Silva (1921).

* Laut einem Kaufkraftvergleich historischer Geldbeträge hätten die damaligen 100.000 Mark heute eine ungefähr gleiche Kaufkraft wie 40.000€ im Jahre 2015.

Einfluss der deutschen Forstwissenschaft auf das Japan der Meiji-Zeit

Was veranlasste nun die Japanischen Forstleute zu dieser freundschaftlichen Geste und welche Begegnungen und Erfahrung gingen dem voraus? Japan und Deutschland waren seit der Öffnung Japans ab 1861 durch Handelsverträge verbunden. Ein reger Austausch von Waren, Personal und Wissen etablierte sich schnell und Deutschland galt als wichtiger und verlässlicher Partner. Tatsächlich blickte auch der forstliche deutsch-japanische Austausch Anfang der 1920er Jahre auf diese seit nunmehr 60 Jahren andauernde Partnerschaft zurück. Kaum ein Land hatte den Aufbau der modernen Forstwissenschaft und der Forstorganisation derart beeinflusst, wie Deutschland. Bis Mitte der 1870er Jahre studierte der Japaner Hazama Matsuno unter dem berühmten preußischen Forstmann und Landesforstmeister Bernhard Danckelmann an der Forstakademie Eberswalde und gründete nach seiner Rückkehr nach Japan 1877 zunächst die erste forstliche Versuchsanstalt in einem Vorort von Tokio. Wenige Jahre später wurde daraus 1882 die erste Forstakademie Japans, angelehnt an das Vorbild in Eberswalde.

Matsuno war Direktor und unterrichtete die Studierenden in den allgemein forstwissenschaftlichen Fächern. Ihm zur Seite stand ab 1883 Dr. Yaroku Nakamura, der von 1880 bis 1882 in Deutschland, zunächst in Eisenach, dann in München studierte und sich 1882 mit einer forstwissenschaftlichen Arbeit zum Doktor der Staatswissenschaft der Universität München promovierte. Mit der Zusammenlegung der Forstakademie in Nishigahara und der Landwirtschaftsakademie in Komaba zur 1886 gegründeten Land- und Forstwirtschaftakademie Tokio, änderten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nun derart, dass ab 1887 auch erstmals ausländische Dozenten als sogenannte Kontraktausländer (oyatoigaikokujin) an die Hochschule berufen werden konnten.

Wohl vor allem aufgrund der engen Verbindung nach München wurden mit Dr. Heinrich Mayr und Dr. Eustach Grasmann zwei promovierte bayerische Staatsforstbeamte engagiert, die zu der Zeit an der Forstlichen Versuchsanstalt in München tätig waren. Mayr hatte gemeinsam mit Nakamura unter Prof. Dr. Robert Hartig promoviert. Beide kannten sich demnach persönlich gut und hatten sich auch bei Mayrs erster Japanreise 1886 wiedergetroffen. Grasmann erreichte Japan Ende 1887 und blieb insgesamt acht Jahre als Professor dort tätig und kehrte erst 1895 nach Deutschland in den Staatsforstdienst zurück. Mayr blieb von Anfang 1888 bis Anfang 1891 in Tokio, war nach seiner Rückkehr zunächst wieder im Forstdienst, ehe er 1893 die Nachfolge Prof. Gayers als Professor der forstlichen Produktionslehre in München antrat und diese bis zu seinem Tod 1911 innehatte.

Mayr machte sich vor allem in der Frage des Anbaus von fremdländischen Baumarten einen Namen und veröffentlichte dazu zahlreiche Schriften. Als Direktor der bayr. FVA vertrat er ab 1904 Bayern bei den jährlichen Zusammenkünften des Internationalen Verbandes der forstlichen Versuchsanstalten (heute IUFRO). Aus Japan kamen weiterhin Beamte und Akademiker zum Forststudium nach Deutschland an die forstlichen Akademien und Fakultäten in Tharandt, Eberswalde, München und Tübingen. Darunter auch der eingangs erwähnte Zentaro Kawase, der, selber ein Schüler Mayrs und Grasmanns, 1892 seitens des jap. Ministeriums für Handel und Landwirtschaft ausgewählt wurde, um in Deutschland in Tharandt und München Forstwissenschaft, vor allem Forstpolitik, zu studieren und ab 1895 den bis dahin durch Grasmann besetzten Lehrstuhl zu übernehmen.

Ein weiterer in Japan berühmter und herausragender Forstwissenschaftler war Seiroku Honda (Abb. 3), der auch zunächst in Tharandt studierte und 1892 in München promovierte und heute als der „Vater der Gärten“ in Japan verehrt wird. Unter seiner Planung entstand zum Beispiel der berühmte, nach westlichem Vorbild angelegte Hibiya Park in Tokio (Abb. 4).

Auswirkungen des 1. Weltkrieges

Der intensive Austausch setzte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts fort und wurde erst jäh durch den Einritt Japans in den 1. Weltkrieg unterbrochen. Unter den letzten Studierenden, die sich zu Kriegsbeginn noch zum Studium in Deutschland befanden waren Katsuji Uemura (Forstakademie Tharandt) und Monji Ito (Universität Tübingen). Beide gerieten in Dresden im Sommer 1914 in Haft und Uemura wurde aufgrund eines militärischen Offiziersranges in der Festung Königstein als politischer Gefangener für wenige Woche interniert. Gegen Ende 1914 konnten beide ausreisen und verließen Deutschland über die Schweiz und Amerika und kehrten bald nach Japan zurück. (Uemura, 1915). Uemura wurde später Direktor der Agrar- und Forstakademie in Morioka (heute Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Iwate).

Fortan befanden sich Deutschland und Japan im Krieg. Eine der umkämpften Fronten war die deutsche Kolonie Kiautschou. Auch dort hatten die Deutschen in ihren Kolonialbestrebungen, maßgeblich unter der Leitung des Oberförsters Malte Hass*, eine vorbildliche Forstorganisation aufgebaut und die kahlen Hänge wieder aufgeforstet. Sogar aus Japan hatte man dazu eine Vielzahl von Bäumen, überwiegend Schwarzkiefern, importiert (Nôshômushô, 1915) (Yae, 1917). Deutschland kapitulierte hier 1914 und deutsche Soldaten, darunter auch die beiden am Forstamt Tsingtao angestellten Förster Gustav Klimant und Adolf Krampe, gerieten in japanische Kriegsgefangenschaft. Im berühmten Lager Bandô (Shikoku) zum Beispiel waren bis Ende 1919 knapp 1000 deutsche und österreichische Soldaten interniert. Die ehemals deutsche Oberförsterei ging in die Zuständigkeit der japanischen Militärverwaltung für Tsingtao, der chintau gunseisho, über. Die von den Japanern erstellten Forstkarten belegen, wie akkurat das Forstwesen in Kiautschou fortgeführt wurde (chintau gunseisho, 1918).

* Oberförster Hass wurde noch 1914 vom Japanischen Kaiser mit einem Orden bedacht. Er hatte, noch zu Friedenszeiten, Japan besucht und Besuche aus Japan in der Oberförsterei Kiatschou empfangen und die Aufforstungserfolge präsentiert.

Friedensverhandlungen und Wiederbelebung des forstlichen Austausches

Kaum eineinhalb Jahre nach der Freilassung der letzten Kriegsgefangenen im Juli 1921, standen sich die beiden Länder nun wieder freundschaftlich gegenüber, die Spende über 100.000 Mark ist dabei ein wichtiger Beleg. Dass in Deutschland nur wenig Kenntnis über die engen forstlichen Verbindungen bestand, lässt sich aus den ministeriellen Schriftwechseln entnehmen, die nach Eingang der 100.000 Mark, abzüglich 27,50 Mark Bankspesen, erfolgte. So hatten die Japaner zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verteilung nach „Gutdünken“ erfolgen möge und auch aus dem Schreiben des Reichsministeriums des Inneren vom 18.10.192 geht hervor,

„dass in erster Linie die wissenschaftlichen Institute, denen sie ihre Ausbildung in Deutschland verdanken, zur Fortführung ihrer Forschungsarbeiten aus der Spende bedacht werden sollten“.

Jedoch zeigte sich, dass dieser Punkt nicht vorrangig verfolgt wurde, sondern die Entscheidung letztlich über eine Abfrage an die Landesministerien erfolgte. Zunächst sah die vom Ministerium in Berlin geplante Verteilung vor, an die Akademien in Preußen (Münden und Eberswalde) sowie Sachsen (Tharandt) insgesamt 58.000 Mark zu verteilen und an Bayern (München) 18.000, Württemberg (Hohenheim, Tübingen) 12.000 sowie Baden und Hessen je 6.000 zu überweisen. Prof. Dr. Udo Müller vom Forstlichen Institut der Universität Freiburg richtet sich in einem Schreiben vom 10. November 1921 an das Auswärtige Amt, da dieser über einen Artikel in der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung von der Spende in Kenntnis gelangt war und verlangt:

möge das forstliche Institut an der Universität Freiburg bei der Verteilung nicht übergangen werden“ (AA-R64949).

Tatsächlich waren bis zu diesem Zeitpunkt jedoch keine japanischen Forststudenten in Freiburg ausgebildet worden, alleine für die Universität Tübingen, wo die forstliche Fakultät bis 1920 bestanden hatte, sind Immatrikulation nachweisbar (Shitaro Kawai, Tsunesaburo Uemura, Monji Ito). Die Eingabe hatte dennoch Erfolg und so erhielt die Universität Freiburg zuletzt mit 20.000 Mark gar den größten Einzelbetrag an Spenden.

Erst ab dem WS 1921/22 immatrikulierte sich mit Ekizô Mutô (武藤益蔵, Forstakademie Morioka) erstmals ein Japanischer Studierender an der dortigen forstlichen Fakultät. Im SS 1922 kam dann Satô Yatarô佐藤彌太郎 (ab 1924 Professor an der Kaiserlichen Universität Kioto) als zweiter Studierender dazu. Bereits im Frühjahr 1920 hatten die Freiburger Professorenkollegen einen Aufruf an die Gemeinden in Baden gerichtet und um finanzielle Unterstützung für die notleidenden Studierenden gebeten. Später erst, ab 1921/22, folgten weitere Universitäten und Hochschulen diesem Beispiel. Der in Freiburg eingerichtete Hilfsfond sammelte bis Mitte 1923 ein Volumen von über 3,5 Millionen RM ein (Lickleder, 2009) und erreichte dies auch durch Aufrufe in Forstlichen Zeitschriften und erklärte die Notlage und geplante Verwendung der Spenden:

Ist auch die allgemeine Studentenhilfe in der Lage, zur Linderung der materiellen Not etwas beizutragen, so steht der junge Forststudent besonders der geistigen Not hilflos gegenüber. Die Schulung seines Auges zur Erfassung der praktischen Tätigkeit im Walde muß unterbleiben; Lehrwanderungen müssen sich auf die nächste Umgebung der Musenstadt beschränken, und die praktischen Kenntnisse der Wirtschaftsverschiedenheit der einzelnen Gegenden bleiben dem jungen Studenten vorenthalten. Der Besitz von Büchern und Schriften zur Bereicherung seines Wissens durch Erlernung der theoretischen Grundlagen sind bei ihm zur Seltenheit geworden“ (Silva, 1922).

Auch nach Tharandt, das bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs neben München die wichtigste Hochschule zum forstlichen Studium japanischer Studierender war, kehrten die Japaner ab 1921 zurück (Lochmann, 2011). Die Universität in München hingegen, ehemals das Zentrum des deutsch-japanischen Austauschs in den Forstwissenschaften, verzeichnete in den 20er Jahren keine Japanischen Studierenden im Forstfach. Ein Studium für Japaner in Deutschland, was offensichtlich bis zum 1. Weltkrieg noch ohne größere Schwierigkeiten machbar war, gestaltete sich nun komplizierter. Botschafter Solf informiert seinen japanischen Amtskollegen in einem Schreiben vom 27. August 1921,

dass sich die Unterrichtsverwaltungen der verschiedenen deutschen Länder mit den Hochschulen über eine bestimmte, grundsätzliche zuzulassende Zahl von ausländischen Studenten in fast allen Fällen noch nicht habe einigen können

Er könne lediglich die von den preußischen Universitäten zugesagten Plätze für 20 Studierende sowie 2 Plätze in Thüringen zusichern. Auf der Liste der 22 Japaner, die für das Studium in Deutschland ausgewählt werden, finden sich auch die beiden Forstwissenschaftler Daijirô Miura (Landwirtschafts- und Forstakademie Morioka) und Tohei Doi (kaiserl. Universität Kyûshû) (Abb 5, Amfa, 1921).

Bemerkenswert über die Höhe der Spende ist ein Vermerk aus dem Reichsministerium des Inneren vom 22.10.1921,

„dass besondere Dankschreiben im vorliegenden Fall bei der Geringfügigkeit der Summe nicht gewünscht werden, dass vielmehr der amtliche Dank des Botschafters genügt.“

Vielleicht ist heute, nach 100 Jahren, die Möglichkeit gekommen, diese Annahme noch einmal zu überdenken und dem Dank rückwirkend auch von hochoffizieller Seite zu bekräftigen.

Prof. Kawase und seine Kollegen sammelten jedoch nicht nur für die notleidenden Studenten in Deutschland, sondern riefen in der Vereinszeitschrift sanrin des Japanischen Forstvereins im Herbst 1921 noch einmal zu einer gemeinsamen Spendenaktion auf. Diese Spende sollte nun den ehemaligen Forstprofessoren Mayr, Grasmann, Hefele und Hofmann, die vormals an die Kaiserliche Universität Tokio berufen worden waren, zukommen (Sanrin, 1921). Ein Jahr später, in der Oktober-Ausgabe der sanrin, wird berichtet, was in der Zwischenzeit über die ehemaligen Kollegen in Erfahrung gebracht wurde. Mayr war bereits 1911 verstorben, der Kontakt zu dessen Frau bestand jedoch noch. Ein handschriftlicher Brief von Koide an dessen Witwe belegt das besondere Verhältnis des ehemaligen Schülers zu seinem Lehrer:

Geehrte und alte Bekannte!! Durch Ihr wertes Schreiben vom 22. Okt. freut es uns sehr, daß die gegenwärtigen Verhältnisse Ihrer geschätzten Familie uns ganz deutlich geworden sind, und daß Sie auch unsere moralische Sitte der früheren Schüler gegen den früheren Lehrer gut verstanden haben“ (Abb. 6, Koide, 1922).

1904 war Hefele kurz nach seiner Rückkehr aus Japan an Malaria verstorben. Er hinterließ keine Familie und somit sollte die in der Höhe nicht genannte Spende von über 2000 Spender aus ganz Japan auf die Familien Mayr, Grasmann und Hofmann verteilt werden (Sanrin, 1922).

Aktuelle Entwicklungen im Deutsch-Japanischen Austausch

Der forstliche Austausch mit den Forstwissenschaftlern in Japan ist heute unverändert intensiv und sehr lebendig. Japanische und deutsche Studierende nutzen die Möglichkeiten des Universitären Austauschs z. B. durch Förderprogramme des DAAD. Bilaterale Forschungsprojekte zwischen deutschen und japanischen Partnerhochschulen untersuchen gemeinschaftlich drängende Fragen, so zum Beispiel Lösungen zur Antwort auf den globalen Klimawandel oder zum Erhalt der Biodiversität. Die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg hat in den letzten zehn Jahren über 300 Gäste aus Japan empfangen und war 2016 Ausrichter des 1. Deutsch-Japanischen Forstsymposiums. Aktuell fördert das BMEL/ BLE das bilaterale Forschungsprojekt „3 Pfeile“. Darin werden im Schwerpunkt mit den japanischen Partnern in Gifu, Kagoshima, Iwate und Shinshû die Themen „Nachhaltige Waldbewirtschaftung“, „Nachhaltiges Wildtiermanagement“ und „Nachhaltige Wald- und Umweltpädagogik“ untersucht.

Auch wenn also vor 100 Jahren der „geringfügige“ Betrag möglicherweise nicht entscheidend gewesen sein sollte zur Linderung der Not der Studierenden, so trägt doch die 100-jährige „Bewirtschaftung“ des gemeinschaftlichen Austauschs reife und sichtbare Früchte. Stellen wir uns vor, wären mit den 100.000 Mark damals Bäume gepflanzt worden, in deren Schatten der heute hochgewachsenen Stämme wir uns freundschaftlich begegnen. Dass es nicht alleine bei dieser Vorstellung bleiben muss, verdanken wir unter anderem den Japanischen Forstwissenschaftlern Dr. Seiroku Honda und Dr. Takanori Hongo. Beide hatten bei Prof. Mayr Waldbau studiert und zu waldbaulichen Themen an der Universität München promoviert. Honda und Hongo waren von der japanischen Regierung damit beauftragt worden, die Park- und Gartenanlage für den Neubau des Schreins zu Ehren des verstorbenen Meiji-Kaisers zu planen, welche 1920 fertig gestellt wurde. Sie orientierten sich dabei am Konzept eines naturnahen Waldbaus bzw. eines Dauerwaldes*, welches beiden aus dem Studium in Deutschland her bekannt war und ließen aus ganz Japan mehrere tausend Bäume in die Brachfläche umpflanzen. Der Meiji-Schrein-Park, den jährlich einige Millionen besuchen, gilt heute als grüne Lunge der Millionenmetropole Tokio und feierte 2020 seinen 100. Geburtstag nach Eröffnung.

Und auch fast 100 Jahre ist es her, als die Dai Nippon Bunmei Kyokai 1922 den Entschluss fasste, den wichtigen Beitrag der zahlreichen ausländischen Experten, den sogenannten oyatoi gaikokujin, in einem Sammelband zu würdigen. Zwei Jahre sollte es dauern, bis ausreichend Material zusammen war und 1924 der Sammelband „The commemoration of Meiji-Civilization“ erschien. Darin heißt es im Vorwort:

In giving a glance at the building up of New Japan, we cannot lose sight of the important services of those foreigners who took part in the welding of the new civilization and made valuable contributions to the great work in their respective fields. They were our teachers, our co-workers, and our benefactors. The nation is well aware of this fact and deeply appreciate their shares in the work” (Bunmei Kyokai, 1924).

Dass diese Würdigung auch die Forstwissenschaftler ausdrücklich mitberücksichtigte, belegt der Aufsatz „Beitrag der vier Ausländer zu unserer Forstwirtschaft“ von Honda, in welchem er die vier zuvor gennannten Forstexperten aus Deutschland und Österreich portraitiert (Honda, 1924).

* Der Begriff „Dauerwald“ wurde im Wesentlichen in den 1920 er Jahren durch Alfred Möller geprägt. Sein Werk „Der Dauerwaldgedanke“ von 1922 wurde bereits 1927 ins Japanische übersetzt „恒續林思想“ Möller setzt hier eine Tradition fort, die zuvor bereits in der Hauptsache durch Karl Gayer und Heinrich Mayr begründet worden war.

Literaturverzeichnis}
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  • AMFA (1921): Admission of Japanese citizens in German high grade schools from November, 1921. In: 6-1-7-9: Diplomatic Archives of the Ministry of Foreign Affairs.
  • chintao gunseisho (1917): Die Wälder in Tsingtao (jap. Orig.: chintao no shinrin). Offizieller Bericht für das Außenministerium. In: Diplomatic Archives of the Ministry of Foreign Affairs, Ref. B07090748800, 3. Forest of Qingdao
  • Bunmei Kyokai (1924): Gedenkschrift zur Entwicklung der Kultur der Meiji Zeit. (jap. Orig. meiji bunka hasshô kinenshi). Tokio.  182 S.
  • HONDA, S. (1924): Beitrag der vier Ausländer zu unserer Forstwirtschaft. (jap. Orig.: waga ringakkai ni kôken shita yongaijin). In: Gedenkschrift zur Entwicklung der Kultur der Meiji Zeit. (jap. Orig. meiji bunka hasshô kinenshi). Tokio. S. 120 - 124.
  • FAZ (1921): Japanischer Dank. Ausgabe vom 04.12.1921.
  • FZB (1921): Eine japanische Spende für die deutsche Forstwissenschaft. In: Forstwissenschaftliches Centralblatt. 43. Jahrgang. S. 480.
  • KOIDE, F. (1922): Persönlicher Brief an Frau Mayer vom 15.12.1922 (Nachlass Mayr, Privatbesitz Fam. Pausinger).
  • LICKLEDER, S. (2009): Der forstwissenschaftliche Fachbereich der Universität Freiburg in der Zeit von 1920 bis 1945. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg. 475 S.
  • LOCHMANN, K. und E. LOCHMANN (2011): Das Ausländerstudium an der Tharandter Lehr- und Forschungsstätte von 1811 bis 1945. In: Forstwissenschaftliche Beiträge. Tharandt. 206 S.
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  • Sanrin (1922): Die Situation der früheren deutschen und österreichischen Forstprofessoren und die Geldspende (jap. Orig.: moto dokuô oyatoi ringaku kyôshi no genjô to mimaikin zôtei) In: sanrin. Band 479, Ausgabe Oktober 1922. S. 61-62.
  • Nôshômushô (1915): Das deutsche Forstbetriebswesen in Kiautschou (jap. Orig.: chintao ni okeru doitsu no shinrinkeiei) (Report von SHIRASAWA, Homi). Tokio. 72 S.
  • Silva (1921): Eine japanische Spende für die deutsche Forstwirtschaft. Band 09. S. 306.
  • Silva (1922): Die Not der Freiburger Forststudenten. In Forstliche Wochenschrift Silva. Band 10. S. 375.
  • UEMURA, K. (1915): Ein Lebenszeichen von Forstwissenschaftler Uemura (uemura ringakushi shôsoku). In: sanrin. Band 386. S. 97-98.
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