Die Trockenheit der letzten Jahre zeigt, wie empfindlich Wälder auf extreme Klima­ereignisse reagieren. Sommer­dürren beeinflussen das Wachs­tum und die chemischen Prozesse in den Bäumen, was sich wiederum auf die Beziehungen zwischen Bäumen und anderen Organis­men wie pflanzen­fressenden Insekten auswirken kann. Das Verständnis der langfristigen Auswirkungen dieser Wechsel­wirkungen auf die Wald­öko­systeme ist eine Voraus­setzung für die Ent­wicklung zukunftssicherer Wald­bewirtschaftungs­strategien. 

Bäume und Herbivoren: Ein komplexes Wechselspiel

Pflanzenfressende (herbivore) Insekten spielen eine zentrale Rolle in Waldökosystemen. Sie lassen sich anhand ihrer Ernährungsweise in sogenannte Frassgilden unterteilen, etwa blattkauende Insekten wie Schmetterlingslarven oder pflanzensaftsaugende Arten wie Blattläuse. Beide Gruppen reagieren unterschiedlich auf Trockenstress der Bäume: Wäh­rend Pflanzensaft­sauger oft gestresste Pflanzen bevorzugen, gedeihen Blatt­fresser besser auf ungestressten Bäumen. Diese Reaktionen sind unter anderem auf Veränderungen in der chemischen Zusammen­setzung der Blätter zurückzuführen, die durch Trocken­heit hervorgerufen werden.

Die Buche als Schlüsselart

Die Rotbuche (Fagus sylvatica), die dominierende Laubbaumart in Mitteleuropa, bietet vielen Organismen Lebensraum und Nahrung. Ihre Blätter enthalten unzählige chemische Metabolite mit verschiedenen Funktionen. Primäre Metaboliten sind für Wachstum und Energiehaushalt nötig, spezialisierte Metaboliten dienen zum Beispiel als Abwehrstoffe gegen Frassfeinde. Trockenstress kann dieses chemische Profil stark verändern und damit die Interaktionen zwischen Buche und Insekten nachhaltig beeinflussen.

Im Sommer 2018 reagierten viele Buchen auf den extremen Trockenstress mit vorzeitigem Laubfall, während andere Bäume an denselben Standorten keine sichtbaren Stress­symptome zeigten. Dieses Phänomen bot eine einzigartige Gelegenheit, die langfristigen Folgen der Trockenheit zu untersuchen. 

Chemie und Frassschäden im Fokus

Der Vergleich der chemischen Profile der Blätter von zuvor trockengestressten und ungestressten Bäumen zeigt klare Unterschiede (s. Abb. 5). Um Unterschiede innerhalb der Baumkrone zu erfassen, wurden Blätter aus der Sonnen- und der Schattenkrone analysiert. 

Veränderungen über Jahre hinweg

Trockenstress hinterliess keine langfristigen Spuren in den primären Metaboliten der Buchenblätter (Abb. 5a). Hingegen veränderten sich die Profile der spezialisierten Metaboliten deutlich zwischen gestressten und ungestressten Bäumen – nicht nur im Jahr direkt nach der Dürre, sondern auch im darauffolgenden Jahr (Abb. 5b).

Frassschäden durch blattkauende Insekten traten im ersten Jahr ähnlich häufig auf. Im zweiten Jahr nahm die Wahrscheinlichkeit solcher Schäden bei gestressten Bäumen jedoch um 10 % ab, besonders in den schattigen Bereichen der Baumkronen (Abb. 6a). Pflanzen­saft­saugende Insekten zeigten kaum Unterschiede zwischen den Bäumen, aber der Trocken­stress beeinflusste Schadens­wahr­schein­lich­keiten je nach Kronen­bereich unterschiedlich (Abb. 6b).

Der Einfluss des Trockenstresses variierte je nach Position in der Krone deutlich: In der Schattenkrone fiel die Wahrscheinlichkeit für sichtbare Schäden durch blattkauende Insekten deutlich ab (Abb. 6a), während dem die Schadenswahrscheinlichkeit durch saugende Insekten etwas anstieg (Abb. 6b). Im Sonnenkronenbereich finden sich kaum noch Unterschiede im Blattschaden zwischen trockengestressten und nicht gestressten Bäumen. Diese Muster deuten darauf hin, dass der Trockenstress nicht gleichmässig auf die gesamte Baumkrone wirkt.

Bedeutung für Ökosysteme und Forstwirtschaft

Die langfristigen Auswirkungen von Dürreereignissen auf Ökosysteme sind vielschichtig und reichen weit über die Baum-Herbivor-Interaktionen hinaus. Wenn sich chemische Veränderungen in den Blättern der Bäume langfristig manifestieren, hat dies potenziell Folgen für ganze Nahrungsketten. Weniger blattkauende Insekten können dazu führen, dass spezialisierte Fressfeinde wie Vögel oder andere Insekten weniger Nahrung finden, was wiederum die Populationsentwicklung dieser Arten beeinflusst. Gleichzeitig können vermehrte Saugschäden an gestressten Bäumen deren Regenerationsfähigkeit beeinträchtigen. 

Für den Nährstoffkreislauf in Wäldern sind die veränderten Frassmuster ebenfalls relevant. Wenn beispielsweise weniger Blattmasse zersetzt wird, kann dies die Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden verändern und somit die Wachstumsbedingungen für nachfolgende Baumgenerationen beeinflussen. Langfristig können solche Effekte zu einer Verschiebung der Baumartenstruktur in Wäldern führen. 

Konkrete Handlungsansätze

Massnahmen, die sich auf die kurzfristigen Folgen von Dürre­ereignissen konzentrieren, sind weitgehend etabliert. Dazu zählen unter anderem die gezielte Entnahme geschwächter oder abgestorbener Bäume, die Durchführung sanitärer Holzschläge zur Eindämmung sekundärer Schädlinge wie Borkenkäfer, sowie präventive Massnahmen zur Wald­brand­vermeidung. Ergänzend werden Jung­pflanzen in kritischen Phasen punktuell bewässert, und die Boden­struktur wird durch angepasste Pflege­eingriffe geschützt. 

Langfristig braucht es jedoch ergänzende Strategien, um Wälder klimaresilient zu bewirt­schaften. Monitoring­programme sollten ausgebaut werden, um die langfristige Entwicklung von Baum­gesundheit differenzierter zu betrachten. Indikatoren wie die chemische Zusammen­setzung der Blätter könnten möglicherweise frühzeitig auf schleichende Vitalitäts­verluste oder veränderte Verbiss­risiken hinweisen – noch bevor sichtbare Kronen­schäden auftreten. Dadurch könnten kritische Entwicklungen frühzeitig erkannt und waldbauliche Eingriffe besser geplant werden.

Die Forschung ist gefordert, genauer zu untersuchen, wie verschiedene Baumarten auf wiederholte Dürre­ereignisse reagieren und wie sich deren Resilienz langfristig verbessern lässt. Hierbei können Simulationen und Modellie­rungen helfen, künftige Szenarien unter sich verschärfenden Klima­bedingungen besser vorherzusagen. Sie liefern wertvolle Entscheidungs­grundlagen, um die Resilienz der Wälder im Klima­wandel zu erhöhen – etwa für die Wahl trockenheits­angepasster Baum­arten, die Zusammen­setzung stabiler Misch­bestände oder das Timing waldbaulicher Massnahmen.

Fazit

Extreme Dürreereignisse verändern die Balance in Wald­öko­systemen nachhaltig. Lang­fris­ti­ge Beobachtungen wie diese sind entscheidend, um wider­stands­fähigere Wälder zu schaffen und die Folgen des Klima­wandels besser zu bewältigen.