Vergleich Totalreservat und Wirtschaftswald

Ist die Buche künftigen Trockenperioden noch gewachsen? In vielen Beständen sind in den Dürrejahren ab 2018 Buchen verstärkt abgestorben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) und der Universität Freiburg haben Ausmaß und Ursachen des Absterbens in hessischen Naturwaldreservaten (Totalreservat) und ihren bewirtschafteten Vergleichsflächen näher untersucht. Die Untersuchungsgebiete bestehen seit über 30 Jahren und wurden vor der aktuellen Untersuchung bereits zweimal (Ende der 1980er bis Anfang der 1990er-Jahre und 2003 bis 2016) inventarisiert. Ausgewählt wurden elf buchengeprägte Reservate einschließlich ihrer bewirtschafteten Vergleichsflächen. Dort fand im Jahr 2020 auf insgesamt 276 Probekreisen (von 0,1 ha Größe) in über hundertjährigen Beständen eine erneute Erfassung des Derbholzbestands (Bäume mit einem Brusthöhendurchmesser von mindestens 7 cm) statt.

In Totalreservaten höhere Ausfälle

Für jeden toten Baum wurde der Absterbezeitraum bestimmt und notiert, ob die Bäume natürlicherweise abgestorben oder aktiv entnommen worden waren. Analysiert wurden allein die natürlich abgestorbenen Buchen. Neben den Daten zur Waldstruktur (vor allem Brusthöhendurchmesser) wurden der Geländewasserhaushalt und die klimatische Wasserbilanz in der Vegetationsperiode in die Auswertung einbezogen. Ergebnis: Während der Dürrejahre war die natürliche Mortalitätsrate in den Totalreservaten zwar signifikant angestiegen, blieb aber immer noch auf moderatem Niveau. Auf den bewirtschafteten Vergleichsflächen konnte nur ein geringer (nicht signifikanter) Anstieg beobachtet werden.

Konkurrenz trifft die Schwachen

Von besonderem Interesse war, inwieweit eher herrschende oder eher unterdrückte Bäume abgestorben waren. Dafür wurde ein sogenannter Dominanz-Index entwickelt. In den beiden untersuchten früheren Perioden sind sowohl in den Totalreservaten als auch in den bewirtschafteten Vergleichsflächen aus natürlichen Gründen überwiegend unterdrückte Bäume abgestorben. Während der Dürrejahre zeigten sich jedoch große qualitative Unterschiede: In den bewirtschafteten Vergleichsflächen starben vermehrt stärkere Bäume ab, während in den Totalreservaten weiterhin hauptsächlich schwächere Bäume betroffen waren. Standörtliche Faktoren wie Geländewasserhaushalt, Nährstoffverfügbarkeit sowie die anfängliche Bestandsdichte hatten nur einen sehr geringen Einfluss – über sie lässt sich die Variation der Mortalitätsraten nicht erklären. Die Auswertungen zeigten jedoch, dass die natürliche Sterbewahrscheinlichkeit bei einer schlechteren klimatischen Wasserbilanz in der Vegetationszeit und einer geringeren sozialen Stellung des Einzelbaums ansteigt. Die untersuchten Waldgebiete können hinsichtlich des Bodenwasserhaushalts und der Nährstoffverfügbarkeit als repräsentativ für die hessischen Buchenwälder gelten. Die auftretende Mortalität blieb während der Dürrejahre im Vergleich zu trockeneren Regionen Deutschlands vergleichsweise gering.

Kontroverse Debatten

Zwei Grundpositionen dominieren die Debatte (seit 2018) um die Auswirkungen der Dürrejahre auf Buchenwälder. Auf der einen Seite erschienen Schreckensmeldungen, die das baldige Ende unserer Buchenwälder nahelegten. Auf der anderen Seite wurde die Nutzung älterer Buchenbestände für Vitalitätseinbußen und das Absterben verantwortlich gemacht. Literaturecherchen zeigen, dass die Diskussion über die Vitalität von Buchenbeständen schon deutlich länger geführt wird: Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde über Wellen des Buchensterbens nach Trockenperioden insbesondere auf flachgründigen Kalkböden berichtet. Grundsätzlich zeichnen sich Buchen durch ein hohes Anpassungsvermögen an veränderte Standraumbedingungen aus. Sie können frei gewordenen Wuchsraum in der Regel schnell nutzen und in ein erhöhtes Dickenwachstum und in die Ausdehnung ihrer Kronen umsetzen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Klimaänderungen diskutieren Forstwissenschaftlerinnen und Forstwissenschaftler  heute kontrovers, ob das Kronendach von Buchenwäldern so dicht wie möglich gehalten werden sollte, um ein kühles Mikroklima zu erhalten, oder ob Bestände intensiv durchforstet werden sollten, um die Vitalität des Einzelbaums zu erhöhen.

Großkronige ältere Buchen gefährdet

Die Untersuchungen in den hessischen Naturwaldreservaten bestätigen, dass Buchen mit niedrigeren Wachstumsraten, wie sie typisch bei intensiver Konkurrenz sind, einem erhöhten Absterberisiko ausgesetzt sind. Das spricht für Durchforstungen, um die Ausbildung umfangreicherer Wurzelsysteme und damit die Widerstandsfähigkeit der Bäume in Trockenperioden zu fördern. Insbesondere in älteren Beständen kann sich die Auflichtung des Kronendachs allerdings auch negativ auf den Wasserhaushalt der Einzelbäume auswirken. Das Mikroklima wird durch erhöhte Sonneneinstrahlung verändert und stärkere Windbewegungen im Kronendach erhöhen den Wasserverlust durch Transpiration. Dies geschieht insbesondere kurz nach der Holzernte. Für ältere Bäume mit großen Kronen und hohem Wasserbedarf kann diese zusätzliche Transpirationsbelastung zum Problem werden. Dieser Effekt ist vermutlich ausschlaggebend dafür, dass stärkere Bäume in den bewirtschafteten Beständen eher absterben.

Die Sterblichkeit während der Dürrejahre 2018 und 2019 hat sich nur mäßig erhöht – das gibt also eine leichte Entwarnung für die typischen Buchenstandorte im Zentrum des Verbreitungsgebietes. Die Ergebnisse der NW-FVA in Hessen können jedoch nicht ohne weiteres auf andere Standorte übertragen werden. Die Auswirkungen von Trockenheit, standörtlicher Ausgangssituation, Befall mit Schaderregern und der Auflichtung des Kronendachs auf die Mortalität von Buchen sind leider sehr komplex und erst teilweise aufgeklärt.

 

Folgen für die Bewirtschaftung

Es entspricht dem waldbaulichen Erfahrungswissen, dass ältere, vormals geschlossene Buchenwälder auf starke und rasche Auflichtungen oftmals mit einer schütteren Belaubung und Absterbeerscheinungen reagieren. Eine Studie aus dem Jahr 2022 zur Buchen-Vitalitätsschwäche in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt die Erhöhung des Trockenstressrisikos mit dem Bestandesalter und die verstärkende Wirkung von Auflichtungen (insbesondere älter als 80 Jahre). Vermutlich ist vor allem der zeitliche Zusammenhang zwischen Baumentnahmen und der Witterung in den Folgejahren von entscheidender Bedeutung. So können sich einerseits bei günstiger Witterung starke Auflichtungen in einer deutlichen Zuwachserhöhung des verbleibenden Bestandes niederschlagen, folgt jedoch andererseits auf den Eingriff eine Trockenperiode, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch oberständige Bäume absterben und sich der Bestand auflöst. Auch unsere Untersuchung weist darauf hin, dass Auflichtungen des Kronendaches älterer Buchenbestände in Dürrejahren das Ausfallrisiko oberständiger Bäume erhöhen. Wenn es das Ziel ist, den älteren Buchenbestand weiter zu erhalten, wird empfohlen nach Dürrejahren keine starken Einschläge in den noch überwiegend geschlossenen Beständen durchzuführen.