Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass Leistungen und Vorzüge einfach hingenommen werden, solange kein Mangel an ihnen besteht. Das Interesse für deren Bereitstellung wächst erst, sobald Krisen oder Engpässe sich abzeichnen. Die Pandemie von Covid-19 hat deutlich gemacht, wo in unserem Gesundheitssystem Engpässe entstehen. Genauso haben die zwei aufeinander folgenden Trockenjahre 2018 und 2019 verdeutlicht, wo sich in unseren Wäldern Bestände befinden, die auf Stress nicht bestmöglich angepasst sind und ihre Gemeinwohlleistungen (z. B. Rohstoffbereitstellung, CO2-Bindung, aber auch gefahrlose Waldspaziergänge) mit steigenden Temperaturen nicht mehr erbringen können.

Die Ausgangssituation

2018 und 2019 zeigte sich eine Situation in den Wäldern Deutschlands, die derzeitige Baumgenerationen noch nicht verkraften mussten – zwei Jahre mit überdurchschnittlich hoher Trockenheit über einen langen Zeitraum (Abb. 1). Große Flächen von Kiefer und Fichte sind dieser Dürre zum Opfer gefallen, aber auch die Rotbuche zeigt in vielen Regionen deutliche Vitalitätsschäden bis hin zu Totalausfällen (Langer et al. 2020).

Diese Tatsache ist umso dramatischer, da es die Rotbuche ist, deren Anbau in den letzten Jahrzehnten überproportional vorangetrieben wurde, um den Wald der Zukunft naturnäher und damit auch resilienter zu gestalten. Doch auch für die Buche zeigen Studien, dass es in Zukunft für die Baumart in ihrem Kerngebiet schwieriger werden kann (Geßler et al. 2007; Weber et al. 2013; Thurm et al. 2018). Eine laufende Untersuchung des Forstlichen Versuchswesens (BuVit-MV, Buchenvitalitätsschäden) soll aufbauend auf die Jahre 2018/19 zeigen, wo sich Risikostandorte für die Rotbuche im Land befinden.

Das Klima verändert sich in Mecklenburg-Vorpommern

Die Jahre 2018 und 2019 sind eine Fortsetzung eines Klimatrends, der sich schon in den letzten Jahrzehnten abzeichnete. Die Jahresmitteltemperaturen in Mecklenburg-Vorpommern stiegen von durchschnittlich 8,2 °C 1961 bis 1990 auf 9,2 °C im Zeitraum 1990 bis 2019 – ein Temperaturanstieg in 30 Jahren um 1,02 °C (Abb. 2). Die Jahresniederschläge verblieben auf einem vergleichbaren Niveau: 597 mm im Zeitraum 1961 bis 1990, 621 mm im Zeitraum 1990-2019 (+ 24 mm).

Klimaszenarien für die Zukunft (Zeitraum 2071 bis 2100) sehen vor, dass die Jahrestemperatur um 1,5 °C (Szenario mit starken Klimaschutzbestrebungen) bis zu 4.0 °C (Weiter-wie-bisher-Szenario) steigen kann (DWD 2018, Referenzzeitraum 1961 bis 1990). Den Anstieg um 1,5 °C haben wir als Folge der letzten Jahre fast erreicht. Aber selbst dieser mild erscheinende Verlauf würde bedeuten, dass die Abfolge von Trockenevents der letzten zwei Jahrzehnte (2003, 2015, 2018/19) in Zukunft als Normalzustand zu gelten hätte! Selbstverständlich macht es die Komplexität des weltweiten Klimasystems schwer, langfristige Aussagen bis 2100 zu treffen. Zahlreiche Studien von wissenschaftlichen Einrichtungen weisen jedoch darauf hin, dass der derzeitige Trend der Erwärmung bestehen bleibt (Moss et al. 2010; IPCC 2014). Es ist somit wichtig, sich auf ein wahrscheinliches Erwärmungsszenario einzustellen.

Die fünf Handlungsoptionen

Bei einer solchen Zukunftsperspektive stellt sich die Frage: Wie kann der Waldbewirtschafter darauf reagieren? Maßgeblich haben sich fünf Handlungsoptionen herauskristallisiert (siehe auch Bolte et al. 2009; Brang et al. 2016; Thurm et al. 2017). Sie unterscheiden sich unter anderem im Zeitpunkt ihrer Anwendung im Bestandesleben und in ihrer Anpassungsstärke an den Klimawandel. Die Optionen werden im Folgenden bezüglich ihrer Anpassungsstärke aufgezählt (Abb. 3).

  1. Erhöhung der Einzelbaumstabilität : Den Standraum für den Einzelbaum zu erhöhen hat einen wesentlichen Einfluss auf die verfügbaren Ressourcen eines Baumes. Über die Pflanzzahl schon frühzeitig den Konkurrenzdruck des Baumes zu mindern, erhöht die Resistenz des (Einzel-)Baumes zu Dürrezeiten (Rais et al. 2014). Auch die Durchforstung als kurzfristige Maßnahme ist in der Lage, die Wasserverfügbarkeit des einzelnen Baumes zu verbessern (Aussenac und Granier 1988; Kohler et al. 2010). Baumartenspezifisch ist hier stets das richtige Verhältnis zwischen Stabilität und Qualität zu prüfen.
  2. Verkürzung der Umtriebszeit: Einige Studien sprechen dafür, dass mit steigendem Alter der Bäume auch deren Trockenstressrisiko ansteigt (Stovall et al. 2019; Lloret et al. 2011). Die steigende Baumhöhe macht es notwendig, einen immer höheren Unterdruck zur Wasserversorgung des Baumes zu erzeugen. Bei starker Trockenheit reißen die Wassersäulen und es kommt zu Embolien (Brodribb et al. 2016). Auch die Anfälligkeit gegenüber Schädlingen (Christiansen et al. 1987) sowie das Sturmrisiko steigen mit höherem Baumalter. Zusätzlich bietet die verkürzte Umtriebszeit die Möglichkeit, den Wald stetig an sich verändernde Klimabedingungen anzupassen. Zu beachten ist, dass diese Maßnahme zu Lasten des Gesamtzuwachses und der Altersstruktur geht. Auch die naturschutzfachliche Verträglichkeit ist fallspezifisch zu überprüfen.
  3. Baumartenmischung: Der naheliegendste Weg, die Vorteile einer Baumartenmischung im Klimawandel zu beschreiben, ist wohl der über die Ausfallwahrscheinlichkeit. Zwei Baumarten mit unterschiedlichen ökologischen Anforderungen (Nischen) befinden sich in einem Bestand. Ein Trockenstressereignis führt dazu, dass Baumart 1, die weniger an dieser Situation angepasst ist, ausfällt. Somit entsteht kein Totalausfall, sondern Baumart 2 bestockt zumindest noch die Fläche. Darüber hinaus gibt es jedoch Effekte, die durch eine Interaktion der Baumarten zueinander auftreten (Faszilitation oder Komplementarität, siehe auch Pretzsch et al. 2013a; Larocque et al. 2013). Diese Mischungseffekte führen dazu, dass der Trockenstress für ein oder sogar beide Baumarten signifikant gemindert wird gegenüber den Reinbeständen (z. B. Pretzsch et al. 2013b; Thurm et al. 2016; Schäfer et al. 2018).
  4. Genetische Anpassung: Hiermit ist gemeint, dass die bestehende Baumart beibehalten wird, jedoch die aktuelle Herkunft durch eine Herkunft ersetzt wird, die erwartungsgemäß besser an höhere Temperaturen angepasst ist. Der sonst natürliche Prozess der Selektion und Mutation wird hier wegen der hohen Geschwindigkeit des Klimawandels aktiv "übersprungen" durch den sogenannten „Assisted gene flow“ (Aitken und Bemmels 2016). Für die Rotbuche wäre es zum Beispiel die Beschaffung und Ausbringung von Saatgut südeuropäischer Rotbuchenherkünfte auf die derzeit trockensten Buchenstandorte in MV. Die Prüfung, ob diese Herkünfte auch frostresistent sind, ob das Saatgut den hiesigen Anforderungen entspricht und ob eine Einfuhr mit dem Forstvermehrungsgutrecht im Einklang steht, sind dabei wichtige Fragen.
  5. Baumartenwechsel: Ökologisch aber auch betrieblich ist die wohl drastischste Maßnahme der Wechsel einer Baumart zu Baumarten, die derzeit im Wuchsgebiet entweder stark unterrepräsentiert sind (seltene Baumarten), oder zu Baumarten aus Regionen, die im Wuchsgebiet gar nicht vorkommen (nicht-heimische Baumarten). Das Beispiel der Douglasie zeigt, dass ein solches Unterfangen durchaus erfolgversprechend sein kann, aber auch Zeit benötigt. In Abbildung 1 ist dargestellt, wie die verschiedenen Versuchsanlagen aufeinander aufbauen und dazu geführt haben, dass die Douglasie heute hinsichtlich der Auswahl der richtigen Standorte (Anbauversuche), der passenden Herkunft (Herkunftsversuche) und der waldbaulichen Behandlung (Durchforstungs-, Mischbestandsversuche) fachlich fundiert in unseren Waldbausystemen integriert ist.

Die genannten Optionen sind präventive Maßnahmen und sie haben eine unterschiedliche finanzielle sowie ökologische Tragweite. Auch die Unsicherheit steigt von Handlungsoption 1 zu 5 an. Eine Herabsetzung der Bestandesdichte ist schnell erfolgt und birgt vergleichsweise geringe wirtschaftliche Risiken. Die Einführung einer neuen Baumart hat deutlich weitreichendere Folgen für den Betrieb und das Ökosystem.

Letztlich werden wir im Klimawandel alle fünf Handlungsoptionen mehr oder weniger in Anspruch nehmen. Das hängt dabei maßgeblich davon ab, wie risikofreudig oder -avers der einzelne Waldbesitzer ist. Deutlich wird auch, wie wichtig es ist, dass die Entscheidungsträger bestmöglich mit Informationen versorgt werden, was die Zukunft bringt und in welchen Gebieten die Handlungsoptionen am erfolgversprechendsten zur Anwendung gelangen.

Ein Ausblick in die Zukunft

Der Klimawandel stellt die Forstwirtschaft vor eine große Herausforderung. Die Frage ist, auf welche Art der Wald heute und in der Zukunft von uns bewirtschaftet werden muss, damit er weiterhin die an ihn gesetzten Anforderungen der Gesellschaft nachhaltig erfüllt. Neben den oben genannten waldbaulichen Optionen gilt es für die Forstwissenschaft, zusätzlich deren Anwendungsgebiet zu beschreiben. Die langfristigen Versuchsflächen sind hier eine wichtige Informationsquelle. Die Versuchsflächen Ruthenbeck 99, Dargun 18 und Satow 97 dienen beispielsweise dazu, sinnvolle Baumartenkombinationen (Handlungsoption 3) für entsprechende Standorte abzuleiten. Die zu einem großen IUFRO-Versuch gehörenden Versuchsflächen Eldena 10 und Parchim 21 hatten zum Zweck, die produktivste Douglasien-Herkunft für die hiesigen Standortsverhältnisse zu ermitteln. Nun können diese Flächen genutzt werden, um trockenresistente Herkünfte zu detektieren. Insofern bilden die langfristigen Versuchsflächen weiterhin eine wichtige Informationsbasis, denn sie sind eine mit Daten hinterlegte Beschreibung der Veränderung und Anpassung unserer heimischen Standorte und Wälder.

Zusätzlich müssen im Zeitalter der Digitalisierung auch neue Informationsquellen ausgeschöpft werden. Mittlerweile ist es möglich, mit Wachstums- und Risikomodellen eine noch stärkere Verknüpfung zwischen dem Standort (und dessen Veränderung) und dem Risiko einer Baumart herzustellen (Taeger et al. 2016). Diese Modelle verschneiden mithilfe von "Machine Learning"-Algorithmen zahlreiche Versuchsflächen oder Großrauminventuren mit Standortdaten und schätzen so Wachstum oder Mortalität verschiedenster Baumarten flächenscharf ab. Letztlich ist der Klimawandel eine Herausforderung, in der alle Informationsquellen genutzt werden sollten.