Das Auerhuhn (Tetrao urogallus) gilt als Charaktervogel der bayerischen Bergwälder und ist schon seit langem "Flaggschiff-Art" des Naturschutzes im Bergwald. In der nationalen Roten Liste wird es als "vom Aussterben bedroht" eingestuft, die Bestandstrends sind negativ. Bayern beherbergt den größten Teil der in Deutschland noch vorhandenen Populationen und trägt daher eine große Verantwortung für diesen Waldvogel.

Das Auerhuhn als Schirmart naturnaher Bergwälder

Als größter Vertreter der heimischen Raufußhühner ist das Auerhuhn (Abb. 1) ein typischer Bewohner boreo-montaner Nadelwälder. Doch während es in der Taiga ein riesiges, von Skandinavien bis nach Zentralsibirien reichendes Verbreitungsgebiet besitzt, sind die Lebensräume in Mitteleuropa natürlicherweise auf die Nadelmischwälder der Gebirge oder Moorwälder beschränkt und damit stark zersplittert. In Bayern verteilen sich die verbliebenen Bestände auf den Bayerischen Wald, auf eine kleine Restpopulation im Fichtelgebirge sowie auf die Alpen. Einzelnachweise sind auch aus dem Nürnberger Reichswald bekannt.

Als Taigawaldbewohner ist das Auerhuhn an eher lichte, großflächige und störungsarme Nadelmischwälder angepasst wie es sie in den hochmontanen Bereichen der Alpen ab einer Höhe von circa 1.200-1.300 m gibt. Da sich die Vögel in den Sommermonaten tagsüber überwiegend auf dem Boden aufhalten, ist eine lockere und gut durchdringbare Krautschicht entscheidend. Sie bietet gleichermaßen Deckung und Nahrung. Beersträucher wie die Heidelbeere spielen dabei eine besondere Rolle. Auch Habitatstrukturen wie Sandbadestellen oder aufgeklappte Wurzelteller, an denen Magensteinchen zur Verdauung aufgenommen werden, sind essentiell. Vor allem aber braucht es viel Ruhe. Die in den letzten Jahren räumlich wie zeitlich zunehmenden Freizeitaktivitäten im Lebensraum der Auerhühner, z. B. Schneeschuhtouren, Skitouren, Geocaching, Fahrradfahren oder Nachtwanderungen, wirken sich daher als gravierende Störungen negativ auf die Bestände aus.

Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an sein Habitat, der Störungsempfindlichkeit und der großen Raumansprüche kann das Auerhuhn auch als "Schirmart" für die Artengemeinschaft strukturreicher Bergwälder bezeichnet werden. Maßnahmen zu seinem Schutz kommen daher auch einer Vielzahl montaner Arten wie beispielsweise Dreizehenspecht, Raufußkauz oder Ringdrossel zugute. Somit hat das Auerhuhn als Leitart im Bergwald einen sehr hohen Stellenwert für den Naturschutz.

Auerhuhn-Management in Bayern

Das Auerhuhn gilt nach dem Bundesnaturschutzgesetz als streng geschützte Vogelart und ist im Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie der EU gelistet. Aufgrund der europäischen Vorgaben muss die Trendentwicklung für diese Art alle sechs Jahre an die EU berichtet werden. Das Auerhuhn wurde in den letzten 15 Jahren in 16 bayerischen Vogelschutzgebieten (Special Protection Areas bzw. SPA-Gebieten) auf insgesamt 232.000 ha kartiert und bewertet. Dabei ist ein umfassender Datenschatz entstanden, der in die jeweiligen Managementpläne eingeflossen ist und zum langfristigen Schutz der Art beiträgt.

In allen kartierten SPA-Gebieten wurden zudem insgesamt 16.000 ha wertvoller Vorrangflächen für das Auerhuhn ausgewiesen, in denen besondere Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dazu gehören die Vermeidung von Störungen im Winter sowie zur Brut- und Aufzuchtszeit und der Abbau bzw. die Markierung von Zäunen als potentielle Gefahrenquellen (Kollisionsgefahr). Zudem sollen waldbauliche Maßnahmen in diesen Kernhabitaten auerhuhnfreundliche lichte Strukturen erhalten bzw. schaffen.

2021 erarbeitete die LWF auf Grundlage der bisherigen Nachweise und anhand spezifischer Geländemerkmale (z. B. Kronenrauigkeit, Höhenlage, Hangneigung, etc.) in den Vogelschutz-Gebieten ein "Habitatmodell", das die potentiell geeigneten Auerhuhn-Lebensräume für den gesamten bayerischen Alpenraum darstellt. Dieses Modell erlaubt es, eine relative Vorkommens-Wahrscheinlichkeit für das Auerhuhn anzugeben. Es war damit auch Grundlage für die Auswahl der Probeflächen des 2022 gestarteten Monitorings.

Im Staatswald integrieren die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) das Auerhuhn-Management schon seit vielen Jahren in ihre forstlichen Bewirtschaftungspläne. Darüber hinaus läuft bereits seit 2014 das verwaltungsübergreifende Projekt "Raufußhuhnschutz in Bayern", bei dem das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU), die LWF und die BaySF in regelmäßigen Abständen gemeinsame Fortbildungen zum Auerhuhnschutz anbieten.

Das Monitoring – Grundlagen und Ablauf

Das bayernweite Auerhuhnmonitoring dokumentiert künftig alle drei Jahre die Entwicklung der Populationen und der Lebensräume dieser Art in Bayern. Dabei beschränken sich die Erfassungen nicht nur auf die rechtsverbindlich ausgewiesenen FFH- und Vogelschutz-Gebiete, sondern werden – wie von der EU gefordert – im gesamten bayerischen Verbreitungsgebiet des Auerhuhns durchgeführt.

Wegen der komplexen "Arenabalz" des Auerhuhns ist eine herkömmliche Revierkartierung wie bei anderen Vogelarten nicht möglich. Da sich junge Hähne meist nur versteckt am Rande der Balzplätze aufhalten und oft den Standort wechseln, sind auch die althergebrachten Balzplatz-Zählungen ungenau und zudem sehr störungsintensiv für die sensiblen Vögel.

Die Entscheidung für das Monitoring fiel daher auf ein Verfahren, das an die von Professorin Ilse Storch aus Freiburg entwickelte Stichproben-Inventur (STORCH 1999) angelehnt ist und sich bereits bei der Kartierung des Auerhuhns in den bayerischen Vogelschutzgebieten bewährt hat. Dabei werden im 200x200-m-Raster in einem Radius von fünf Metern um festgelegte Probepunkte direkte und indirekte Nachweise wie beispielsweise Losung, Federn und Sandbadeplätze dokumentiert. Zusätzlich erfolgt auch eine Aufnahme wichtiger Habitatstrukturen im 20-m-Radius (z. B. Überschirmungsgrad der Baumkronen, Deckungsgrad der Heidelbeere). Auch direkte Beeinträchtigungen wie nicht verblendete Wildschutzzäune oder intensiv genutzte Forstwege im Umfeld der Punkte werden aufgenommen (Abb. 2).

Um die Störungen für die Vögel so gering wie möglich zu halten, erfolgen die Aufnahmen erst nach Ende der sensiblen Aufzucht-Zeiten zwischen Anfang August und Ende Oktober. Die besonders in der ersten Hälfte dieser Spanne einsetzende Vollmauser erhöht zudem die Chance von Federfunden.

Neben dem Monitoring sollen die Aufnahmen auch dazu dienen, gemeinsam mit externen Expertinnen und Experten in Zukunft die Zusammenarbeit beim Auerhuhnschutz zu intensivieren. Bei vier bayernweiten Schulungen im Juni und Juli 2022 wiesen LWF-Experten daher neben Forstpersonal auch Kolleginnen und Kollegen aus der Naturschutzverwaltung, Gebietsbetreuerinnen und Gebietsbetreuer, Rangerinnen und Ranger, Mitarbeitende der Bayerischen Staatsforsten, Mitglieder von Verbänden sowie engagierte Privatpersonen in die Methodik des Monitorings ein, um den Austausch zu befördern und einen einheitlichen Erfassungsstandard zu gewährleisten (Abb. 3).

Flächenauswahl in Bayern

Um die wesentlichen, potentiell überlebensfähigen Populationen durch das Monitoring abzudecken, wurden im Fichtelgebirge (4 Flächen), im Bayerischen Wald (6 Flächen), in Schwaben (12 Flächen) und in Oberbayern (32 Flächen) insgesamt 54 Monitoringflächen angelegt. Dabei liegen die Flächen sowohl innerhalb wie auch außerhalb von kartierten Vogelschutzgebieten.

Im Fichtelgebirge, dessen isolierte Restpopulation besonders bedroht ist, wurden zusätzlich zu den vier Pflichtflächen sämtliche potentiell geeignete Habitate erfasst. Diese 187 Punkte nahmen Studierende und Personal des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV) Oberfranken auf.

Auf diese Weise kartierten im Sommer und Herbst 2022 über 60 Mitwirkende bayernweit insgesamt 2.632 Stichprobenpunkte.

Ergebnisse des ersten Monitorings

Die Kooperation der Forstverwaltung mit der Naturschutzverwaltung, mit Grundeigentümern, Naturschutzverbänden und engagierten Privatpersonen hat sich bestens bewährt. Trotz hohem Aufwand konnten neben den Pflichtflächen bayernweit auch fast alle Verdichtungsflächen aufgenommen werden. Der erste Monitoring-Durchgang 2022 ist sehr gut verlaufen und es wurden verlässliche und belastbare Ergebnisse generiert.

Insgesamt ergaben sich aus dem Monitoring in den Bayerischen Alpen und im Bayerischen Wald 304 Auerhuhnnachweise an den Inventurpunkten (im 5-m-Radius). Diese verteilen sich auf 228 Inventurpunkte. Der größte Anteil dieser Funde waren Federn und Losungen, aber es gab auch einige Sichtungsnachweise von Auerhühnern.

Über die Funde in den Probekreisen hinaus wurden in den Monitoringflächen Zusatznachweise von Federn, Losungen, Sichtungen etc. außerhalb der Probekreise aufgenommen. Diese belaufen sich bayernweit auf 503.

Im Fichtelgebirge wurde trotz jahrzehntelanger Schutzbemühungen für das Auerhuhn und intensiver Suche an insgesamt 777 Inventurpunkten nur eine Auerhenne während des Monitorings gesichtet. Zudem fand man im Sommer – außerhalb des Monitoringzeitraums – eine Auerhennenfeder. Die sehr vereinzelten Nachweise bei gleichzeitig hoher Probeflächendichte lassen auf eine sehr geringe Populationsgröße schließen.

Die Aktivitätsdichte ergibt sich aus den Nachweisen, die innerhalb des 5-m-Radius um die Stichprobenpunkte gefunden werden. Anhand der Aktivitätsdichte lassen sich in den folgenden Jahren Bewertungen zur Population und zum Bestandstrend abgeben. Durch die einheitliche Erfassungsmethode sind die Ergebnisse sowohl zwischen den Gebieten vergleichbar als auch an denselben Punkten wiederholbar.

Die Auswertungen 2022 zeigen, dass die durchschnittliche Aktivitätsdichte in den bayerischen Alpen bei 12,7 % und im Bayerischen Wald bei 11,2 % liegt. Dies bedeutet, dass in den bayerischen Alpen an knapp jedem achten Probekreis und im Bayerischen Wald an knapp jedem neunten Probekreis ein Auerhuhnnachweis im 5 Meter-Radius erbracht wurde. Bezogen auf die einzelnen Monitoringflächen gibt es sowohl Flächen, die eine Aktivitätsdichte von 0 % aufweisen, als auch Flächen mit einer Aktivitätsdichte von bis zu 53,6 % (Abb. 4).

Abb. 4a: Aktivitätsdichte in % der einzelnen Monitoringflächen in den bayerischen Alpen. Quelle: LWF

Auch die erfassten Waldstrukturen lassen – langfristig betrachtet – wertvolle Rückschlüsse auf mögliche Veränderungen im Lebensraum des Auerhuhns zu. Aktuell liegt der Anteil der Flächen mit Heidelbeer-Vorkommen im Bayerischen Wald bei 89,3 % und in den Bayerischen Alpen bei 73,4 %. Auch die Heidelbeerdeckung auf den Flächen ist mit durchschnittlich 21,7 % im Bayerischen Wald deutlich höher als in den Bayerischen Alpen mit 13,1 %. Die Auswertungen zeigen, dass in den Auerhuhn-Lebensräumen Heidelbeeren zwar auf großer Fläche vorhanden sind, diese aber vor allem auf Kalkböden im Alpenraum nur sehr geringe Deckungsgrade aufweisen. An den Inventurpunkten mit Auerhuhnnachweisen war der Heidelbeeranteil tendenziell höher als an Punkten ohne Nachweise.

Der Anteil der Punkte mit kartierten Beeinträchtigungen wie Zäunen, Gräben, Wanderwegen und Loipen oder intensiv genutzten Wegen im 20-m-Radius um den Inventurpunkt liegt in den Bayerischen Alpen bei 26,2 % und im Bayerischen Wald bei 14,0 %.

Der Anteil lichter Baumbestände (maximal 70 % Überschirmung) beträgt in den Bayerischen Alpen 71,7 % und im Bayerischen Wald 75,5 % der Inventurpunkte. Wälder mit lichtem Überschirmungsgrad stellen damit in den Bergregionen derzeit keinen Minimumfaktor für das Auerhuhn dar. Jedoch muss vor allem die Entwicklung der Krautschicht zukünftig besondere Beachtung finden.

Die ermittelten Kartierergebnisse liefern eine belastbare Grundlage zur Abschätzung der künftigen Entwicklungstrends im Hinblick auf Vorkommen, Verbreitung, Aktivitätsdichte und charakteristische Habitatstrukturen des Auerhuhns.

Besonderer Dank gebührt den zahlreichen Kartiererinnen und Kartierern, ohne deren Mitwirkung dieses Monitoring nicht möglich gewesen wäre.

Zusammenfassung

Im Spätsommer und Herbst 2022 fand erstmalig das bayernweite Auerhuhnmonitoring statt. Die Erhebungen erfolgten im Bayerischen Wald, im Fichtelgebirge und in den bayerischen Alpen. Auf 59 Monitoringflächen kartierten über 60 Personen insgesamt 2.632 Stichprobenflächen. An 228 dieser Inventurpunkte wurden insgesamt 304 Auerhuhnnachweise gefunden. Weitere 503 Zusatznachweise konnten außerhalb der untersuchten Inventurpunkte erbracht werden. Während in den Bayerischen Alpen und im Bayerischen Wald viele Nachweise erfolgten und mehrere Monitoringflächen eine erfreulich hohe Aktivitätsdichte aufwiesen, blieben im Fichtelgebirge mit Ausnahme einer Auerhennensichtung weitere Nachweise aus. Die kommenden Monitoringdurchgänge werden in den nächsten Jahren zeigen, wie sich die Auerhuhn-Populationen und ihre Lebensräume weiterentwickeln.