Unsere Wälder gehören zu den wichtigsten naturnahen Gebieten, in denen sich die Bevölkerung erholen kann, insbesondere im urbanen und periurbanen* Raum (Abb. 1). Laut der schweizweiten Bevölkerungsumfrage WaMos3 gehen im Sommerhalbjahr 13% der Bevölkerung fast täglich in den Wald, 37% besuchen ihn ein- bis zweimal pro Woche und 34% immerhin noch ein- bis zweimal pro Monat.

* «Periurban» ist ein Begriff aus der Raumplanung. Er beschreibt Regionen, die geografisch an Städte und Agglomerationen angrenzen. Quelle: BAFU

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (Art. 699) und das Bundesgesetz über den Wald (Art. 14) räumen der Bevölkerung das Recht zum freien Betreten des Waldes und zum Sammeln von Beeren und Pilzen im ortsüblichen Umfang ein. Einschränkungen bestehen in Naturschutzgebieten und für Aktivitäten, die über das Betreten hinausgehen, z.B. Biken, Reiten, Skifahren. Zudem sind Grossanlässe bewilligungspflichtig, und der motorisierte Verkehr bleibt verboten.

Neben der Bevölkerungsbefragung WaMos gibt auch das Landesforstinventar (LFI) Auskunft über die Nutzung des Schweizer Waldes als Freizeit- und Erholungsraum. Dazu werden einerseits die Revierförster befragt, unter anderem zu den Wald- und Vorrangfunktionen sowie zur Intensität, Saisonalität und Art der Erholungsnutzung im Umkreis von 100 m um die LFI-Probeflächen. Andererseits werden Erholungseinrichtungen und Belastungen durch Freizeitaktivitäten von den Feldaufnahmeteams direkt auf den Probeflächen, jeweils in einem Quadrat von 50×50 m um das Probeflächenzentrum herum, erfasst.

Ein Zehntel der Waldfläche mit Erholungsfunktion

In der Regel ist ein Wald multifunktional, was bedeutet, dass er mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt. Im LFI4 (2009–2017) weisen 10% der Schweizer Waldfläche die Waldfunktion «Erholung» auf. Im Mittelland ist der Anteil deutlich höher, insbesondere in dessen östlichem Teil, wo gemäss den Angaben der Revierförster die Waldfunktion «Erholung» auf über einem Viertel der Waldfläche von Bedeutung ist (Abb. 2). Im landesweiten Mittel hat sich der Anteil der Waldfläche mit Funktion «Erholung» seit dem LFI3 (2004–2006) nicht verändert. In einzelnen Regionen hat er aber zugenommen (Jura Ost, Mittelland Ost) oder abgenommen (Mittelland Mitte, Alpen Nordost, Alpen Südost).

Wo sich mehrere Waldfunktionen überlagern, wird in der Regel eine Vorrangfunktion festgelegt. Diese ist dann für die Art der Bewirtschaftung massgebend. Über die ganze Schweiz gesehen haben gemäss LFI4 lediglich 1,4% der Waldfläche die Vorrangfunktion «Erholung». Auch in der Region Mittelland Ost, wo ihr Anteil am höchsten ist, beträgt der Anteil nur 3,8%.

Im Vergleich zum LFI3 hat der Anteil des Schweizer Waldes mit Vorrangfunktion «Erholung» um einen Prozentpunkt abgenommen. Grund dafür ist, dass der Schutzwald zwischen dem LFI3 und dem LFI4 schweizweit nach harmonisierten Kriterien ausgeschieden wurde und dabei die Schutzwaldfläche zunahm. Weil die Vorrangfunktionen zusammen nicht mehr als 100% ergeben können, gingen die Anteile bei allen anderen Vorrangfunktionen zurück, nicht nur bei der Vorrangfunktion «Erholung».

Erholungsnutzung steigt

Bei 30% der Probeflächen findet im Umkreis von 100 m keine Erholungsnutzung statt, das heisst, pro Jahr halten sich dort schätzungsweise weniger als 10 Personen auf (Abb. 3). Bei 50% der Probeflächen ist die Erholungsnutzung gering (≤10 Personen/Tag), bei 18% mässig (11–100 Personen/Tag) und bei lediglich 3% ist sie mit über 100 Personen pro Tag gross.

Erwartungsgemäss gibt es zwischen den Regionen grosse Unterschiede: So ist im dicht besiedelten Mittelland bei nur 7% der Probeflächen keine Erholungsnutzung zu verzeichnen, in den Alpen und auf der Alpensüdseite ist dies aber bei gut 40% derselben der Fall. Auch ist im Mittelland die Nutzungsintensität mit einem Anteil der Kategorie «mässig» von 37% deutlich höher als in den anderen Regionen.

Seit dem LFI3 wird der Schweizer Wald intensiver für Freizeitaktivitäten genutzt. So ging der Anteil der Probeflächen ohne Erholungsnutzung um 3 Prozentpunkte zurück und der Anteil mit mässiger Erholungsnutzung stieg um 4 Prozentpunkte an. Auffallend gross sind die Veränderungen in den Voralpen, auf der Alpensüdseite und im Mittelland. In den beiden erstgenannten Regionen nahm der Probeflächenanteil ohne Erholungsnutzung stark – um 9 bzw. 14 Prozentpunkte – ab. Im Mittelland gab es dagegen eine Verschiebung von geringer zu mässiger Erholungsnutzung um etwa 8 Prozentpunkte. Die Entwicklung überrascht nicht, nahm doch die Wohnbevölkerung in der Schweiz in den 14 Jahren zwischen dem Start des LFI3 (2004) und dem Abschluss des LFI4 (2017) um über eine Million Menschen zu.

Erholungsnutzung vielerorts ganzjährig

Wo der Schweizer Wald für Erholungszwecke genutzt wird, finden die Aktivitäten gemäss LFI4 entweder ganzjährig (57%) oder während der Vegetationsperiode (42%) statt. Nur bei 1% der Probeflächen erfolgt die Erholungsnutzung ausschliesslich im Winter. Im Mittelland (91%) und im Jura (74%) ist die ganzjährige Erholungsnutzung stark verbreitet, auf der Alpensüdseite (84%) und in den Alpen (62%) überwiegt dagegen die saisonale Erholungsnutzung während der Vegetationsperiode deutlich. Die Voralpen liegen dazwischen mit einem Anteil der ganzjährigen Erholungsnutzung von 55% und einem solchen von 44% für diejenige während der Vegetationsperiode.

Im Vergleich zum LFI3 war im Jura eine Ausdehnung der Erholungsaktivitäten von der Vegetationsperiode auf das ganze Jahr zu verzeichnen, unter anderem hervorgerufen durch die Zunahme der Wintersportart «Schneeschuhwandern». Auf der Alpensüdseite haben sich dagegen die Anteile zugunsten der saisonalen Erholungsnutzung während der Vegetationsperiode verschoben.

Viele verschiedene Freizeitaktivitäten

Im LFI4 sind wie schon im LFI3 Wandern, Biken und Spazieren die wichtigsten Freizeitaktivitäten im Schweizer Wald. Gewandert wird bei 52% der LFI4-Probeflächen (100-m-Umkreis), gebikt bei 39% und spaziert bei 37% derselben (Abb. 4).

Fast alle der vom LFI erfassten Freizeitaktivitäten haben im landesweiten Durchschnitt wie auch in der Mehrheit der Regionen zugenommen. Stark war die Zunahme insbesondere beim Biken (Abb. 4), vorab im Jura und im Mittelland (je +13 Prozentpunkte). Bei den Wintersportarten hat das Schneeschuhwandern im Jura und in den Voralpen zugelegt (je +9 Prozentpunkte). Besonders stark angestiegen ist der Anteil der Probeflächen, bei denen «andere» Freizeitaktivitäten (Abb.5) ausgeübt werden. Vor allem auf der Alpensüdseite ist die Zunahme gross (+22 Prozentpunkte). In diese Sammelkategorie fallen Aktivitäten wie Pilze und Beeren sammeln, Orientierungslauf, Nordic Walking oder Geocaching. Die Zunahme dieser Kategorie deutet auf eine Diversifizierung der Aktivitäten im Wald hin.

Die beschriebenen Zunahmen führen dazu, dass immer öfter mehrere Freizeitaktivitäten im gleichen Waldgebiet stattfinden. So hat vom LFI3 zum LFI4 nicht nur der Anteil der Probeflächen ohne Erholungsnutzung landesweit abgenommen (–3 Prozentpunkte), sondern auch der Anteil, bei dem nur eine oder zwei Erholungsarten ausgeübt werden (–1 bzw. –2 Prozentpunkte). Stark zugenommen hat dafür der Probeflächenanteil mit vier oder mehr Erholungsarten (+7 Prozentpunkte).

Dies ist vor allem auf Anstiege im Jura, im Mittelland und in den Voralpen zurückzuführen. Die Alpensüdseite hingegen weist ein leicht anderes Muster auf: Konsistent mit dem Befund, dass in dieser Region die geringe Erholungsnutzung zugenommen hat, sind die Probeflächenanteile mit ein oder zwei Erholungsarten angestiegen, während bei den Probeflächen mit drei oder mehr Erholungsarten kaum Veränderungen aufgetreten sind.

Spezielle Infrastruktur vor allem im Erholungswald

Bei 30,5% der Probeflächen befinden sich im Beurteilungsquadrat von 50×50 m Wege, die sich für die Erholungsnutzung eignen.  Auf 1,8% dieser Flächen sind spezielle Erholungseinrichtungen vorhanden. Dazu zählen Bänke und Feuerstellen, aber auch Anlagen wie Seilparks oder Bikepisten. Im Wald mit Vorrangfunktion Erholung wie auch auf Probeflächen mit grosser Erholungsnutzung sind spezielle Erholungseinrichtungen deutlich öfter anzutreffen (auf 15,5% der Probeflächen) als im übrigen Wald. Der Anteil der Probeflächen mit speziellen Erholungseinrichtungen bewegt sich nach wie vor auf tiefem Niveau (1,8%), hat aber seit dem LFI3 um 30% zugenommen.

Belastung hat abgenommen

Trotz der Zunahme der Erholungsnutzung haben Probeflächen mit Schäden an Boden, Vegetation und Bäumen innerhalb des Beurteilungsquadrats landesweit von 1,4% auf 0,8% abgenommen. In der Vergangenheit wurde der Belastung von Boden und Vegetation durch Erholungsuchende viel Beachtung geschenkt und von Fachleuten auch als Problem wahrgenommen.

In der Folge wurden für mehrere Wälder der Schweiz Erholungskonzepte erstellt (z.B. Erholungskonzept Allschwiler Wald 2007). Darin festgehaltene Massnahmen zur Besucherlenkung umfassen die Förderung der Strauch- und Krautschicht entlang von Wegen, das Liegenlassen bzw. Platzieren von Astmaterial an neuralgischen Stellen, der Rückbau von Erholungseinrichtungen in ökologisch sensiblen Gebieten oder das Einzäunen von stark belasteten Flächen, damit sich der Boden regenerieren kann. Auch der Öffentlichkeitsarbeit wird eine grosse Bedeutung beigemessen. Zudem kann vermutlich auch mit der Anlage von speziellen Erholungseinrichtungen ein Beitrag zur Besucherlenkung geleistet werden. Möglicherweise haben all diese und weitere Massnahmen dazu beigetragen, den Anteil an belasteten Flächen zu verringern.

Die Konzentration von Freizeitaktivitäten auf wenige Flächen kann auch dazu führen, dass diese Flächen dann sehr stark belastet werden – der Schweregrad der Belastung wird im LFI allerdings nicht erfasst. Ebenfalls nicht erfasst werden Störungen von Wildtieren durch Erholungsuchende – auch diese können ein erhebliches Ausmass annehmen.

Fazit

Zusammengefasst kann man sagen, dass die Erholungsnutzung insgesamt zugenommen hat, sowohl flächenmässig als auch bezüglich der Anzahl Personen und der Anzahl Erholungsarten. Ebenfalls zugenommen haben die speziellen Erholungseinrichtungen. Dennoch haben durch Erholungsnutzung belastete Probeflächen abgenommen – ein Zeichen dafür, dass Massnahmen zur Besucherlenkung in dieser Hinsicht greifen.

Dieser Artikel ist der sechste Teil einer Serie zu den Ergebnissen des vierten Schweizerischen Landesforstinventars LFI4. Die weiteren Beiträge sind:

1) Die Holznutzung im Privatwald hat zugenommen
2) Deutlicher Rückgang der Fichte im Mittelland
3) Effizientere Forstbetriebe in der Schweiz
4) Momentan schützt der Schutzwald besser
5) Die Waldbiodiversität entwickelt sich weiterhin positiv
7) Wildverbiss: wichtige Baumarten unter Druck
8) Pathogene, Schädlinge und Trockenheit setzen dem Wald zu
9) Wie gut ist der Schweizer Wald für die Holzernte erschlossen?

(TR)