In Mitteleuropa sind zwei Lindenarten heimisch: die Winterlinde (Tilia cordata) und die Sommerlinde (Tilia platyphyllos).  Beide Lindenarten gehören zur Familie der Malvengewächse und besitzen herzförmige Blätter mit gesägten Blatträndern und wechselständiger Anordnung am Zweig. Die Merkmale zur Unterscheidung der Arten zeigt Abbildung 1. Beide Linden besitzen eine gut zersetzliche Streu mit einem günstigen C/N-Verhältnis und gelten daher als humus- und bodenpflegliche Baumarten. Auch das Holz beider Lindenarten besitzt sehr ähnliche Eigenschaften: es ist hell, zerstreutporig, leicht, schlicht, weich und lässt sich gut bearbeiten. Daher ist und war Lindenholz im Schnitz- und Bildhauerhandwerk sowie zum Drechseln beliebt. Es wird aber auch als Blindholz für Möbel, für Zeichenbretter, Bleistifte und Spielwaren verwendet. 

Standortansprüche und Vorkommen in Bayern

Beide Linden sind wärmeliebender als die Buche und gelten als klimastabile Baumarten. Die Sommerlinde stellt jedoch höhere Ansprüche an den Standort als die Winterlinde – sie bevorzugt frische, nährstoffreiche und wintermilde Standorte und meidet sehr trockene Bedingungen. Am besten gedeiht sie in Block- und Schluchtwäldern des Hügellandes und der Mittelgebirge. Die Winterlinde hingegen ist ein Begleiter der Eichenmischwälder und besiedelt auch trockenere und nährstoffärmere Standorte. Sowohl die Sommerlinde als auch die Winterlinde treiben sehr gut wieder aus dem Stock aus, weshalb beide Arten durch die frühere Mittelwaldwirtschaft gefördert wurden. 

Linden kommen verstreut in vielen Wäldern Bayerns vor. Besonders wüchsige Linden findet man in den Laubmischwäldern auf der Fränkischen Platte. Daneben weisen noch das Oberfränkische Triashügelland, der Fränkische Keuper, der Fränkische Jura, das Oberpfälzer Becken- und Hügelland und die südbayerischen Auwälder nennenswerte Lindenvorkommen auf. Die Sommerlinde, die eine engere ökologische Amplitude besitzt als die Winterlinde, kommt v. a. in den Schlucht- und Steilhangwäldern der bayerischen Mittelgebirge und der bayerischen Alpen vor.

Mensch und Linde – eine lange Beziehung

Linden können sehr alt werden – angeblich bis 1.000 Jahre. Als Dorf-, Gerichts-, Friedens- und Hoflinden begleiten sie den Menschen und seine Gesellschaften schon lange. Eine Besonderheit sind die in Franken und Südthüringen noch vorhandenen Tanzlinden. Bekannt ist hier z. B. die Tanzlinde in Limmersdorf, wo heute noch zur “Lindenkerwa” in der Krone der Linde getanzt wird oder die Effeltricher Linde. In Deutschland führen über 1.100 Orte ihren Namen auf die Linde zurück. Während die Eiche das Harte, Dauerhafte, Kämpferische und Männliche verkörperte, wurde die Linde mit Wärme, Geborgenheit, Familie und Weiblichkeit gleichgesetzt. Die Dorf-, Hof- und Gerichtslinden in Dörfern, Städten und in der Flur sind meistens Sommerlinden.

Linden und ihre Tierwelt

An den beiden in Mitteleuropa heimischen Lindenarten konnten über 200 phytophage Insekten- und Milbenarten nachgewiesen werden. Die artenreichsten Tiergruppen sind dabei Großschmetterlinge (77 Arten), Kleinschmetterlinge (26 Arten) und Käfer (52 Arten). Typische Arten an Linden sind z. B. der Lindenschwärmer (Abbildung 6), die Linden-Gelbeule und der Linden-Prachtkäfer. Häufig findet man v. a. im Frühjahr unter Linden große Ansammlungen der auffällig schwarz-rot gefärbten Feuerwanzen. Seit dem Jahr 2004 kommen in Deutschland auch zwei neue Insektenarten an Linden vor: die aus Ostasien stammende Linden-Miniermotte (Phyllonorycter issikii) (Abbildung 4) und die mediterrane Malven- oder Lindenwanze (Oxycarenus lavateraea). Die Lindenwanzen sammeln sich vor der Überwinterung auf Stark-Ästen und an den Stämmen in oft riesigen Kolonien (Abbildung 5). Ökonomische oder ökologische Schäden sind bisher von beiden Arten nicht bekannt.

Beliebt bei Bienen und Imkern

Alle Lindenarten der Gattung Tilia sind wichtige Trachtpflanzen für Wild- und Honigbienen und liefern Nektar sowie Pollen. Bei blütenbesuchenden Insekten sind die Lindenblüten besonders beliebt (Abbildung 7). Honigbiene, Wildbienen, Schwebfliegen, Käfer und Schmetterlinge tanken hier gerne Nektar. 

Silberlinde – besser als ihr Ruf

Die in Südosteuropa verbreitete Silberlinde (Tilia tomentosa) wird hierzulande v. a. in urbanen Gebieten gepflanzt und könnte mit fortschreitendem Klimawandel auch in heimischen Wäldern an Bedeutung gewinnen. Über Jahre hinweg wurde ihre Pflanzung jedoch abgelehnt, weil ihr Nektar als giftig für Bienen und Hummeln galt. Forschungen belegen inzwischen, dass nicht der Nektar, sondern Nahrungsmangel die Ursache für tote Insekten unter Silberlinden ist. 

Die Silberlinden blühen später im Jahr als Sommer- und Winterlinde zu einer Zeit, wo in unserer Natur und v. a. in Städten nur wenig blühende Pflanzen vorhanden sind. Daher werden Bienen und Hummeln so stark von den blühenden Silberlinden angelockt. Nun sind aber die Blüten der Silberlinde nicht endlos mit Nektar gefüllt und bei großem Andrang sehr rasch leer. Die Bienen, Hummeln usw. taumeln kraftlos zu Boden und verhungern dort. Um das Nahrungsangebot für Insekten zu verbessern und den Nahrungszeitraum zu verlängern, erscheint es daher sinnvoll, insbesondere in Städten wieder vermehrt Silberlinden anzupflanzen.

Die Heilwirkung der Linde

Hinsichtlich ihrer pharmakologisch relevanten Inhaltsstoffe ähneln sich die heimischen Lindenarten sehr und können beide als Heilpflanze des Jahres betrachtet werden. Mit der Wahl der Linde zur Heilpflanze des Jahres soll v. a. an die Heilwirkung der Lindenblüten erinnert werden (Abbildung 7). Diese werden hauptsächlich als Tee genutzt. Ihre Hauptinhaltsstoffe sind Flavonoide, Schleime und ätherisches Öl. Früher wurde Lindenblütentee als klassischer Schwitztee bei grippalen Infekten und Husten angewendet. 

Zusammenfassung

Bislang spielten beide heimischen Linden­arten im Waldbau eine eher untergeord­nete Rolle. Mit der Klimaerwärmung wird die Bedeutung der Linden, auch der südeuropäischen Silberlinde, in unseren Wäldern und im urbanen Grün künftig steigen. Lindenarten sind an steigende Temperaturen gut angepasst und gelten als robuste Baumarten für den Klimawandel. Mit leicht zersetzlicher Streu und ihrer Schattenverträglichkeit in der Jugend können sie zum Aufbau zukunftsfähiger Mischwälder beitragen und helfen, die Artenvielfalt in unseren Wäldern zu steigern. Forstleute, Waldbesitzende und Naturfreunde sollten daher auch die Linden­arten in unseren Wäldern fördern.