Entwicklung im Landesbetrieb HessenForst
Am 18. Januar 2018 kam es durch “Friederike” an vielen Stellen in Nord- und Mittelhessen zu kleineren und auch größeren Sturmschäden. Als besonders problematisch sollten sich im weiteren Verlauf die Vielzahl an Einzel- und Nesterwürfen erweisen, die das rechtzeitige Auffinden und Aufarbeiten des waldschutzrelevanten Holzes erschwerten. Ab März 2018 trat dann eine warmtrockene Witterung ein, die die Massenvermehrung von rindenbrütenden Borkenkäfern massiv begünstigte. Begleitet wurde dieses Szenario von einem zunehmenden Wettbewerb um Unternehmerkapazitäten, da in mehreren Bundesländern gleichzeitig versucht wurde, der sich zuspitzenden Lage Herr zu werden. Die schließlich eintretende Schadentwicklung der Fichte verlief in einer bislang unbekannten Dimension und Geschwindigkeit. In der Folge der anhaltenden warmtrockenen Vegetationszeiten der Jahre 2018 bis 2022 zeichnete zusätzlich vermehrt auch die Baumart Buche, womit beide am häufigsten vertretenen Baumarten Hessens betroffen waren. Diese Entwicklung schreitet bis zum heutigen Tag voran.
Nachdem die Tragweite des Schadgeschehens sukzessive deutlich wurde, entstand der Bedarf nach einem aktuellen Überblick über die betriebliche Schadflächensituation. Neben der Borkenkäfer-App, mit der aktuelle Befallsherde im Rahmen des Monitorings markiert und für die Aufarbeitung gemeldet werden konnten, entwickelte HessenForst ein Verfahren zur automatisierten Auswertung von Sentinel-Satellitendaten. Auf der Basis von Spektralfarbveränderungen konnten Schadflächen hinreichend genau detektiert und den Forstämtern jährlich im Frühsommer zur Verfügung gestellt werden. Anhand dieser Informationen konnten konkretere Planungen und Priorisierungen für die Wiederbewaldung vorgenommen werden.
Die Neuentstehung von Schadflächen ist seit 2023 rückläufig. Aufgrund jahreszeitlicher Wolkenabdeckungen war eine satellitengestützte Auswertung seither nur eingeschränkt möglich.
Die Wiederbewaldung seit 2018
Für die Wiederbewaldung des Staatswaldes wurden in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Forstministerium u.a. folgende Eckpunkte gesetzt:
- Ausrichtung der Wiederbewaldung an der künftig zu erwartenden klimatischen Wasserbilanz in der Vegetationsperiode bei Bevorzugung einheimischer Baumarten mit ausreichender genetischer Vielfalt.
- Etablierung von Mischbeständen mit mindestens drei, grundsätzlich vier bis fünf standortgerechten und vorzugsweise standortheimischen Baumarten, bei vorrangiger Nutzung auch künftig standortgerechter Naturverjüngung.
- Ergänzung mit klimastabilen Baumarten oder Umbau von Flächen mit nicht standortgerechter Naturverjüngung zum geeigneten Zeitpunkt.
- Nutzung von Pionierbaumarten und Vorwäldern. Auf Flächen, in denen sich kein ausreichender Vorwald natürlich etabliert, aktive Entwicklung oder Ergänzung.
- Berücksichtigung des Folgeaufwands und entsprechendes Vorhalten von Ressourcen für eine zielgerichtete Jungwuchspflege, um die gewünschten Mischungsanteile dauerhaft zu sichern und die Wachstumsprozesse frühzeitig zu steuern.
- Einrichtung einer auf konsequente Bejagung von Schalenwild ausgerichteten Infrastruktur und ebenso konsequente Bejagung, um teure Schutzmaßnahmen zu vermeiden.
- Beschränkung des Anbaus von in Hessen noch nicht erprobten, alternativen Baumarten auf Versuchsflächen, die mit der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt abgestimmt wurden, um auf dieser Basis Untersuchungen und Anbauempfehlungen zu ermöglichen.
Bei der operativen Umsetzung konnte auf die in 2007 nach dem Sturm “Kyrill” gesammelten und gut dokumentierten Erfahrungen zurückgegriffen werden. Der enorme Flächenumfang erforderte eine strikte Priorisierung, weshalb zunächst keine Klein- und Kleinstflächen bepflanzt wurden. Unkrautwüchsige wurden vor schwächer nährstoffversorgten Standorten sowie Kulturen auf wechselfeuchten Eichenzwangsstandorten priorisiert, um unerwünschte Fichtensukzessionen zu vermeiden.
Zu diesem Zeitpunkt war der Betrieb FSC-zertifiziert, was u.a. Beschränkungen beim Einsatz nicht heimischer Baumarten mit sich brachte. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig einen Operationalisierungsschritt für Betrieb und Forstbetriebsplanung zu gehen, wurde in Zusammenarbeit mit der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) ein neuer Katalog der Waldentwicklungsziele (WEZ) konzipiert. Die Standortzuordnung der WEZ beruhte neben Trophie vorrangig auf der neu von der NW-FVA entwickelten Standortswasserbilanz (Klimatische Wasserbilanz in der Vegetationszeit der Periode 2041 - 2070 + Bodenwasserspeicher, nFK).
Die Analyse der Standortswasserbilanz führte des Weiteren zur Identifikation von Baumarten mit erhöhtem Bewirtschaftungsrisiko, wobei neben der Fichte auch die Buche auf einem hohen Anteil der bisherigen Fläche in diese Kategorie fiel. Für Hessen, traditionell als "Buchenland" bekannt, markierte dies einen Paradigmenwechsel in der Baumartenwahl und der Bewirtschaftung der Buche, die trotz ihrer beeindruckenden Verjüngungspotenz, Vitalität und momentanen Konkurrenzkraft in zahlreichen planaren und submontanen Lagen Hessens zukünftig nur noch unter erhöhtem Risiko bewirtschaftet werden kann. Die aktive Einbringung klimaresilienter Baumarten zur Klimaanpassung ist daher nicht nur in ehemaligen und bestehenden Fichtenbeständen eine Daueraufgabe.
Im Juni 2024 entschied das Forstministerium nach einem Beschluss des Hessischen Landtags, dass es eine ausführliche Überprüfung der FSC-Zertifizierung des Hessischen Staatswalds einschließlich sämtlicher Vorgaben der geltenden FSC-Standards, und eine Evaluierung der Wirkung der FSC-Standards auch hinsichtlich ihrer Folgen für den Waldumbau, die Arbeit der Beschäftigten, die Kosten und die damit einhergehenden bürokratischen Regeln sowie den naturschutzfachlichen Nutzen für erforderlich hält. Für den Zeitraum der Evaluation bis März 2028 wurde ein Moratorium der FSC-Zertifizierung des Hessischen Staatswalds beschlossen, für die Dauer des Moratoriums ruht seitdem die FSC-Zertifizierung.
Zur Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung wurde ein zentralisiertes Pflanzenbeschaffungssystem implementiert. Dieses System sieht die ausschließliche Verwendung zertifizierten Saat- und Pflanzguts (FfV/ZüF) vor. Darüber hinaus wurden begleitete Lohnanzuchten eingeführt, um die Herkunftssicherheit zu erhöhen und die Preisentwicklung zu stabilisieren. Diese Maßnahmen gaben den Baumschulen mehr Planungssicherheit in sehr dynamischen Zeiten. Zusätzlich wurden die staatliche Baumschule und das Saatgutzentrum des Landesbetriebs HessenForst in Hanau-Wolfgang als wichtige Bausteine in den Wiederbewaldungsprozess integriert.
Seit 2018 wurden im hessischen Staatswald mit über 20 Mio. Pflanzen rd. 9.000 ha in Kultur gebracht. Erschwert wurden die Wiederbewaldungsbemühungen durch teilweise enorm trockene Witterungsperioden der Jahre 2018 bis 2022. In Kombination mit verlängerten Vegetationsperioden, die insbesondere bei der Eiche eine späte Verholzung zur Folge haben, führte dies zu Verzögerungen und Rückschlägen bei der Wiederbewaldung.
Ziel war es, zusätzlich etwa die Hälfte der Schadflächen durch standortgerechte Naturverjüngung wieder zu bewalden. Eine Bilanzierung der Naturverjüngungsleistung wird erst in den kommenden Jahren im Rahmen der fortlaufenden Forstbetriebsplanung in den betroffenen Forstbetrieben möglich sein.
Die Löwenanteile der Kunstverjüngung nehmen die Baumarten Eiche und Douglasie ein, gefolgt von Edellaubbäumen und den “sonstigen Laubbäumen”, die beispielsweise Erle, Linde, Birke und Esskastanie umfassen, sowie die “sonstigen Nadelbäume”, die Weißtanne, Küstentanne und Zedern beinhalten.
Fazit und Ausblick
Einen wichtigen Schritt zur Risikoabsicherung der Wiederbewaldung ging der Landesbetrieb HessenForst für den Staatswald durch die ausschließliche Verwendung von zertifiziertem Saat- und Pflanzgut (FfV/ZüF). Wie bedeutend es ist, dieses Ziel mit aller Konsequenz zu verfolgen, zeigt sich leider immer wieder an Unregelmäßigkeiten bei der Herkunftssicherheit einzelner Pflanzenlieferungen, die durch die Überprüfung von Rückstellproben aufgedeckt werden. Aus diesem Grund setzt HessenForst weiterhin auf die Zertifizierung von Saat- und Pflanzgut. Es bleibt zu hoffen, dass sich möglichst viele Waldeigentümer und deren Bewirtschafter dieser Sicht anschließen.
Eine weitere, nach wie vor hoch aktuelle Herausforderung stellt die Sicherung der Pflanzen- und Pflanzqualität dar. Der sehr heterogene und hoch volatile Unternehmermarkt schafft Unsicherheiten für den Betrieb und die verantwortlichen Revierleitungen. Als Reaktion auf die z.T. mangelnde Qualifikation der eingesetzten Unternehmerkräfte bietet HessenForst Zertifikatslehrgänge für Pflanzung und Pflege an, die durch das Forstliche Bildungszentrum Weilburg durchgeführt werden. Das Zertifikat wird gut angenommen, und die zertifizierten Kräfte werden bevorzugt eingesetzt.
Die erheblichen Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Waldes erfordern zweifellos eine langfristige Aufrechterhaltung hoher Standards. Die Qualitätssicherung bei Pflanzung und Pflanzen bleibt somit ein zentraler Pfeiler der nachhaltigen Waldbewirtschaftung und des erfolgreichen Waldumbaus in den kommenden Jahrzehnten. Aus diesem Grund wurde das Vorhaben einer zentralen Pflanzenbeschaffung und -versorgung der Staatswaldbetriebe Stück für Stück umgesetzt. Inzwischen vertrauen sich fast alle Forstämter der zentralen Beschaffung an. Neben der Erleichterung der gesamtbetrieblichen Steuerung umfangreicher Pflanzenbestände in eigener Baumschule sowie Lohnanzuchten, schafft sie ein hohes Maß an Herkunfts- und Versorgungssicherheit sowie Arbeitserleichterung bei den Staatswaldbetrieben.
Es wurde auch deutlich, dass die notwendige Flexibilität in der Baumartenwahl ein wichtiger Schlüssel für einen dauerhaften Erfolg ist. Das FSC-Moratorium für den Hessischen Staatswald verschafft dem Landesbetrieb HessenForst nun mehr Freiräume, sodass er in dem hoch dynamischen Prozess klimatischer Veränderungen auch auf eine wissenschaftsbasierte Erweiterung der Baumartenpalette zugreifen kann.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Wiederbewaldungsbemühungen in dieser Größenordnung als ein „Generationenauftrag“ zu verstehen sind. Es bedarf jahrzehntelanger konsequenter Arbeit, um nur annähernd die erlittenen Verluste auszugleichen und einen zukunftsfähigen Wald zu gestalten. Dabei spielen neben einer konsequenten Planung schließlich die Kultur- und Jungwuchspflegearbeiten und insbesondere die Mischwuchsregulierung in der Jungbestandspflege eine ganz zentrale Rolle. Ohne eine dauerhafte Ressourcenbereitstellung in Form von finanziellen Mitteln, Material, Arbeitskapazität und Know-How sind die Ziele nur eingeschränkt zu erreichen.










