Extreme Witterungsereignisse wie Stürme, Nassschnee, Hitze und Trockenheit in Kombination mit einer Massenvermehrung von Borkenkäfern waren und sind die Ursache für eine zunehmende Anzahl von Freiflächen in Wäldern unterschiedlicher Größe. Die Wiederbewaldung vor allem größerer Freiflächen ist auf Grund der ihnen eigenen klimatischen Bedingungen sehr oft mit Risiken verbunden.
Eine erfolgreiche Sukzession ist abhängig von dem Vorhandensein einer ausreichenden Anzahl vitaler und qualitativ befriedigender Elternbäume sowie waldverträglicher Wildbestände.
Eine natürliche Wiederbewaldung ist nicht immer erfolgreich oder kann wieder zu Reinbeständen mit nicht mehr erwünschten Baumarten wie der Fichte führen.
Die unmittelbare Wiederaufforstung setzt das Vorhandensein von geeignetem Pflanzgut, ausreichend Arbeitskapazitäten und finanziellen Spielräumen voraus. Zudem sind viele Zielbaumarten für eine Freiflächenaufforstung nur bedingt geeignet.
Ist eine befriedigende Sukzession nicht zu erwarten und eine zeitnahe Wiederaufforstung mit den gewünschten Zielbaumarten nicht möglich oder aufgrund der Freiflächensituation nicht erwünscht, stellt die Begründung eines Vorwaldes eine interessante Alternative dar.
Vorteil: Ein Vorwald aus Pionierbaumarten wirkt einer Vergrasung der Fläche oder einer Naturverjüngung mit unerwünschten Baumarten entgegen, bietet Schutz vor klimatischen Extremereignissen und eröffnet Spielräume bei der Baumartenwahl in Zeiten schneller Umweltveränderungen. Der Zeitrahmen für die Pflanzung der geplanten Zielbaumarten kann so auf einen späteren Zeitpunkt mit ausreichender Pflanzgutversorgung und Arbeitskapazität verschoben werden, ausserdem reduziert sich der Aufwand für die Kulturpflege.
Die Etablierung von Vorwäldern bietet sich auch bei der Erstaufforstung landwirtschaftlicher Flächen und bei Rekultivierungsaufforstungen von Bergbaufolgelandschaften an.
Vorteil: Vorwälder können während der Kulturphase schattenliebender Zielbaumarten wie Buche, Weißtanne oder auch Eiche die Gefahr von Frost- und Mäuseschäden verringern.
Neben Birke, Erle, Weide, Aspe oder (Hybrid-)Lärche könnten auf einem Teil dieser Flächen auch Pappeln zur Überschirmung verwendet werden.
Welche Vorteile haben Pappeln als Vorwaldbaumart und wie werden sie vermehrt?
Pappeln fördern durch eine sehr gute Streuumsetzung die Humusbildung im Boden. Auf vielen Flächen haben Pappeln in den ersten Jahrzehnten den höchsten Zuwachs aller Vorwaldbaumarten und können mit geringen Pflanzenzahlen (500 - 1.200 St./ha) Freiflächen schon nach wenigen Jahren überschirmen und nennenswerte Vorerträge liefern.
Für den Anbau im Wald wurden bisher Pappeln vegetativ über Steckhölzer vermehrt und als ein- oder zweijährige bewurzelte, teilweise zurückgeschnittene Pflanzen abgegeben.
Für die Anlage von Kurzumtriebsplantagen auf landwirtschaftlichen Flächen werden solche 20 cm (bis max. 30 cm) langen Steckhölzer direkt in den Boden gesteckt.
Hierfür ist aber im Anlagejahr eine intensive Kulturpflege, vergleichbar der im landwirtschaftlichen Hackfruchtanbau, nötig. Dies ist nur auf Erstaufforstungsflächen denkbar, dort dann aber sehr effektiv und kostengünstig.
Die generative Vermehrung über Saatgut spielt in Deutschland nur bei der Aspe und der heimischen Schwarzpappel im Rahmen von Generhaltungsmaßnahmen sowie in der Züchtung eine gewisse Rolle.
Eine weitere Möglichkeit ist das Pflanzen von l,20 bis 2,50 m langen meist 1-jährigen Ruten oder Setzstangen. Hierzulande wurde dies bisher vereinzelt nur als Versuchsanbau praktiziert. Gelegentlich werden Schwarzpappeln auch im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen als Setzstangen gepflanzt.
Verbreitet ist diese Vermehrungsmethode in Italien , Spanien, Franbkreich und mehreren Ländern entlang der Donau, wo Pappelplantagen für die stoffliche Nutzung bis hin zur Wertholzerzeugung erfolgreich mit Setzstangen begründet werden.
Die meisten Pappel- und Weidenarten lassen sind vegetativ relativ einfach über Steckhölzer oder Setzstangen vermehren. Nicht möglich ist dies bei Weiß- und Zitterpappeln (Sektion Leuce), wozu auch die Aspe zählt.
Welche Vorteile haben Pappel-Setzstangen gegenüber bewurzelten Pflanzen?
Setzstangen sind bei vorhandenen "Mutterquartieren", z. B. nach Kalamitäten, sehr kurzfristig verfügbar und brauchen keine vorgeschaltete 1- bis 3-jährige Baumschulphase. Sie können ohne Zaun angebaut werden und haben abgesehen vom Anlagejahr einen sehr geringen Pflegeaufwand. Während die Höhe der Setzstangen bereits bei der Pflanzung einen gewissen Höhenvorsprung gegenüber aufkommender Begleitvegetation ermöglicht, ist ein Fegeschutz jedoch fast immer nötig.
Bei entsprechender Setztiefe können Pappeln grundwasserfernere Standorte erschließen und trockene Witterung im Pflanzjahr sogar besser als bewurzelte Pflanzen überstehen.
Abb. 2. Pappelstreifen auf Kalamitätsfläche im FoB Taura, Sommer 2019; Foto: Wolfgang Hüller
Pappel-Setzstangen – welche Standorte sind dafür geeignet?
Abb. 3. 7-jährige Setzstangenpflanzung mit Weißtanne im Unterstand; Foto: Wolfgang Hüller
Pappeln haben eine breite Standortamplitude und können auf terrestrischen Standorten je nach Topografie vom Flachland bis in Höhen von 600 m verwendet werden. Leicht staunasse Standorte können nach anfänglichen Wuchsstockungen durch die Pappeln selbst drainiert werden, bei stärker verdichteten, staunassen Böden sollte von einem Anbau abgesehen werden.
Gut durchlüftete, nicht zu trockene Standorte führen zu hohen Zuwächsen. An die Nährstoffversorgung haben Pappeln keine besonderen Ansprüche.
Pappeln sind nicht invasiv. Sie werden von den heimischen Zielbaumarten ab einem Alter von 40 Jahren im Wachstum eingeholt, überholt, und, wenn nicht vorher genutzt, ausgedunkelt und sterben im Unterstand ab.
Pappel-Naturverjüngung im Wald ist selten und gegenüber der Bodenvegetation und anderen Baumarten nicht konkurrenzfähig.
Ein massiver Stockausschlag ist nach der Beerntung zu erwarten, vergeht aber schnell bei verbleibender Teilüberschirmung und durch die Konkurrenz der schattenertragenden Zielbaumarten.
Eine Hybridisierung mit der heimischen Schwarzpappel ist zwar durch gezielte Kreuzung möglich, in der Natur aber unwahrscheinlich. Durch eine räumliche Trennung zu vorhandenen Schwarzpappelvorkommen kann dieser Gefahr begegnet werden.
Die meisten Pappelanbauten im Wald aus den 1950er- und 1960er-Jahren sind heute "rückstandsfrei" verschwunden. Eine Weiterverbreitung in Nachbarbestände ist nicht bekannt.
Neben der Herstellung von Heizhackschnitzeln ergeben sich bei stärkeren Dimensionen auch Möglichkeiten der stofflichen Nutzung. Hierzu zählt die Herstellung von Span-, Faser- und Holzwolleplatten für den Bau- und Dämmstoffbereich sowie die Zellstoffproduktion. Durch neuere Forschungsvorhaben im Bereich der Bioökonomie werden weitere Verwendungszwecke erschlossen, um einer zu erwartenden Holzverknappung entgegenzuwirken und den Verbrauch fossiler Rohstoffe zu kompensieren.
Bisherige Erfahrungen mit Setzstangen
Sachsenforst führte seit 2013 im Rahmen des durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) geförderten Projektes "DendroMax" in geringem Umfang auch Anbauversuche mit Pappeln-Setzstangen für den zeitlich begrenzten Anbau als Vorwald durch.
Die Ergebnisse fielen zunächst recht unterschiedlich aus. Auf einigen Flächen wurden Anwuchsergebnisse von fast 100 % erreicht. Die weiteren Wuchsleistungen lagen oft deutlich über denen aller anderen getesteten Baumarten. Es gab aber auch immer wieder Flächen mit unbefriedigenden Ergebnissen bis hin zum Totalausfall.
Es konnte hieraus eine Reihe von Erkenntnissen gesammelt werden, die bei konsequenter Umsetzung den Kulturerfolg wahrsscheinlicher werden lassen.
Wichtige Kriterien für einen Anbauerfolg
Die Qualität der Setzstangen wird durch den Erntezeitpunkt, die Lagerbedingungen bis zum Setzen und den Frischezustand bei der Pflanzung bestimmt.
- Eine frühe Ernte in der absoluten Vegetationsruhe im Januar hat sich bewährt.
- Eine dunkle, kalte, aber frostfreie, nicht zu trockene Lagerung verhindert ein zu starkes Austrocknen oder ein vorzeitiges Austreiben vor der Pflanzung.
Für eine gute Qualität der Pflanzung sind eine ausreichende Setztiefe und ein fester Bodenschluss (Verbindung zu Mineralboden) wichtig. Eine Setztiefe von mind. 40 cm, auf grundwasserfernen Standorten auch tiefer, und ein festes Verfüllen des Pflanzloches fördern eine schnelle Wurzelbildung. Die Pappel darf weder wackeln noch leicht mit der Hand aus dem Pflanzloch herausgezogen werden können. Das Pflanzloch kann mit einem 4-6 cm-Bohrer (z. B. Pflanzfuchs) ausgehoben werden. Bei Erstaufforstungen nicht zu flachgründiger Standorte sind auch rationellere Pflugscharpflanzverfahren möglich.
Der Zeitpunkt der Pflanzung, die aktuelle Bodenfeuchte, das Boden-Lufttemperatur-Verhältnis und der anschließende Witterungsverlauf beeinflussen das Anwuchsverhalten.
Warme Bodentemperaturen ab 10 °C fördern das wichtige Wurzelwachstum. Eine Witterung mit viel Sonne, Wind und kalten Nachttemperaturen beschleunigt zwar den Blattaustrieb, behindert aber das Wurzelwachstum und führt oft zum Austrocken und Absterben der Pappeln. Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung der Bodentemperaturen kann hilfreich sein. Bei guten Lagerbedingungen ist eine Pflanzung bis Ende Mai möglich.
Die Reduktion der Blattfläche (Verdunstungsschutz) sofort nach dem Austreiben bis auf die obersten 2-3 Triebe und das zeitnahe Anbringen eines Fegeschutzes sind weitere erfolgversprechende Maßnahmen.
Im Anlagejahr ist eine zeitige Kulturpflege bei starker Vergrasung der Fläche, vor allem bei geringem Niederschlag, förderlich für den Anwuchserfolg.
Ein massives Auftreten des Pappelblattkäfers im Pflanzjahr kann in seltenen Einzelfällen das Austreiben der Pflanzen komplett verhindern. Hier sollten, wenn möglich, die Käfer bei sonnigem Wetter eingesammelt sowie die Eiablagen und Larven mechanisch vernichtet werden. Ähnlich wie beim Kartoffelkäfer lässt sich der Pappelblattkäfer bei der kleinsten Störung fallen und kann so leicht in einem unterhalb platzierten Behälter aufgefangen werden.
Abb. 4. Die Weibchen des Pappelblattrollers (Byctiscus populi) rollen die Pappelblätter verschiedener Arten zu Wickeln, von den sich dann später die Larven ernähren. Die Oberseite der Tiere glänzt goldgrün, violett oder metallisch blau. Foto: SIGA
Abb. 5. 7-jähriger Pappelschirm; Foto: Wolfgang Hüller
Auswahl von Sorten/Klonen
Die Anbaueigenschaften der verschiedenen Pappelklone und -sorten spielen für die erfolgreiche Verwendung als Vorwaldbaumart eine entscheidende Rolle. Gefordert sind eine hohe Resistenz gegenüber verschiedenen Blatt- und Rindenkrankheiten sowie eine breite Standorttoleranz u. a. in Bezug auf Trockenstress, Staunässe und Schneebruch. Eine geradschaftige, feinastige und schmalkronige Wuchsform erleichtern die spätere Ernte über der dann schon vorhandenen Zielbestockung beispielsweise aus Buchen oder Weißtannen und reduziert die Gefahr von Schlag- und Rückeschäden. Für die spätere stoffliche Nutzung wäre neben der Holzqualität auch eine befriedigende Stammform wichtig.
Für die Anlage von Vorwäldern, die 10 bis 40 Jahre ihre Funktion ausüben sollen, haben sich aufgrund einer breiteren Standorttoleranz vor allem Balsampappeln (Populus trichocarpa) und deren Hybride (Populus maximowiczii x Populus trichocorpa) bewährt.
Nach aktuellem Wissensstand sind folgende Klone für den Vorwald zu empfehlen:
- Unter den Amerikanischen Balsampappeln (Populus trichocarpa): Muhle Larsen, Scott Pauley, Trichobel, Brühl (Mehrklonsorte)
- Unter den Balsampappelhybriden (z. B. Populus maximowiczii x Populus trichocarpa): Androscoggin, Oxford, Hybride 275, Matrix 24
In der dritten Phase des von der FNR geförderten Projektes "DendroMax" wurden 2019 und 2020 in Pilotversuchen zur Wiederbestockung von Kalamitätsflächen die Baumarten Hybridlärche und Aspe gepflanzt. Auf ausgewählten Flächen wurden zudem Streifen mit Pappelsetzstangen angelegt. Die Anwuchsergebnisse sind trotz wiederholter Trockenheit auf den meisten Flächen gut und bestätigen die Erfahrungen der letzten Jahre.
Weiterer Forschungsbedarf
Es besteht weiterer Forschungsbedarf bei der Sortenwahl, der Anlageoptimierung und der Entwicklung von Waldbaukonzepten.
Besonders im Hinblick auf die zu erwartenden Klimaveränderungen wäre es wichtig,
- weitere Pappelklone in Anbauprüfungen mit langen Umtriebszeiten auf unterschiedlichen Standorten zu testen und somit die Auswahlmöglichkeiten für die forstliche Praxis zu erhöhen.
- Bei Pflanzungen auf nur mäßig geräumten Kalamitätsflächen und flachgründigen Standorten können die Arbeitsverfahren noch optimiert werden.
- Auch bei den Lagerbedingungen der Setzstangen zwischen Ernte und Pflanzung sind Verbesserungen denkbar.
- Letztlich sind waldbauliche Fragestellungen, vom optimalen Verband des Pappelvorwaldes über die spätere Teilentnahme des Schirms, dem Einbringen der Zielbaumarten und dem rechtzeitigen Räumen des restlichen Oberstandes zu bearbeiten.