Eine zentrale Frage ist, ob für Aufforstungen im Schutzwald geeignetes und genügend Saat- und Pflanzgut zur Verfügung steht. Um diese Frage zu beantworten, wurden im Rahmen einer Studie im Auftrag der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) verschiedene aktuelle Datenquellen miteinander verschnitten, dazu gehören die Hinweiskarte Schutzwald, die Ergebnisse der österreichischen Waldinventur 2016/21, die nationalen Listen der Saatguterntebestände und Samenplantagen sowie die Statistiken der Saatgutbeerntungen der letzten 25 Jahre. 

Der Schwerpunkt der Analysen lag auf dem Schutzwald mit direkter Objektschutzfunktion, der derzeit etwa 16 % der österreichischen Waldfläche (rund 616.000 ha) umfasst. Die Verknüpfung der Hinweiskarte Schutzwald mit den Kriterien der Waldinventur „Verjüngungsnotwendigkeit“ und „fehlende Verjüngung“ zeigt , dass auf rund 138.000 ha des Schutzwaldes mit Objektschutzfunktion dringend eine Verjüngung geboten ist, um mittelfristig den Schutz von Objekten sicherzustellen (Abb. 1). Eine überdurchschnittlich hohe Verjüngungsnotwendigkeit und fehlende Verjüngung zeigen sich insbesondere in den inneralpinen Wuchsgebieten und den nördlichen Zwischenalpen auf Seehöhen zwischen 800 und 1.400 m. 

Naturverjüngung in Kombination mit gezielten Aufforstungen


Unterstellt man für diese Flächen eine sofort notwendige Aufforstung mit 1.500 - 2.500 Pflanzen pro ha, so ergibt sich daraus ein Bedarf an 207 - 345 Millionen Forstpflanzen. Diese Menge an Forstpflanzen entspricht in etwa dem Zehnfachen der jährlichen Forstpflanzenproduktion Österreichs und überschreitet die Kapazitäten der Forstpflanzenproduktion bei Weitem. Daher kann der ermittelte Verjüngungsbedarf im Schutzwald mit Objektschutzfunktion auch keinesfalls alleine mit Aufforstungen gedeckt werden. Stattdessen erscheint eine stärkere Förderung der Naturverjüngung in Kombination mit gezielten Aufforstungen in besonders sensiblen und dringend verjüngungsnotwendigen Flächen als zielführend. Von besonderer Bedeutung ist für diese Flächen das Vorhandensein von geeignetem forstlichem Vermehrungsgut. 

In Österreich ist Forstsaat- und Pflanzgut dem forstlichen Vermehrungsgutgesetz 2002 unterworfen. Das betrifft vollumfänglich auch das Forstsaat- und Pflanzgut für den Schutzwald. Das Forstsaat- und Pflanzgut, das im Wirtschaftswald zum Einsatz kommt, ist gleichermaßen für den Schutzwald einsetzbar, sofern die Eignung für das jeweilige Herkunftsgebiet (bzw. Ersatzherkunftsgebiet) und die Höhenstufe sichergestellt sind.

 

Abb. 2: Übersicht über die Anzahl an zugelassenen Saatguterntebeständen und Samenplantagen der zehn wichtigsten Baumarten für den Schutzwald.

Beerntung je nach Wuchsgebiet und Höhenstufe unterschiedlich

Die aktuellen nationalen Listen für Saatguterntebestände und Samenplantagen zeigen, dass es für die schutzwaldrelevanten Bereiche und wichtigsten zehn Baumarten auf diesen Standorten nicht weniger als 3.919 Erntebestände und 57 Plantagen gibt (Abb. 2). Die Erntebestände und Plantagen wurden in den letzten 25 Jahren regelmäßig beerntet. Allerdings unterscheidet sich die Beerntungshäufigkeit sehr stark zwischen den Wuchsgebieten und Höhenstufen. In einigen Wuchsgebieten mit hohem Schutzwaldanteil und Verjüngungsbedarf (wie Wuchsgebiet 1.1., 1.2, 1.3, 4.1) wurden nur rund 20 % der zugelassenen Bestände tatsächlich beerntet (Abb. 3). In diesen Regionen sind verstärkte Beerntungen dringend notwendig, um das Angebot an Saatgut und die genetische Vielfalt der zu erzeugenden Forstpflanzen langfristig zu verbessern. 

Ursachen für die geringe Beerntungshäufigkeit: Erntebestände waren schwer zugänglich, ein Monitoring der Samenproduktion in den teilweise höheren Lagen fehlt oder die Beerntung in steileren Lagen ist technisch anspruchsvoll. So könnten etwa bessere Vorort-Beobachtungen der Blüte und der Samenproduktion dazu beitragen, die Beerntungssituation zu verbessern.
Als eine große Unsicherheit für die Planung von Aufforstungen wird von den im Rahmen des Projektes befragten WLV-Gebietsbauleitungen der Klimawandel eingeschätzt. Dieser wird sehr wahrscheinlich zu einem höheren Pflanzenbedarf führen (als Folge von Kalamitäten) als auch zur Nachfrage nach einem breiterem Baumartenspektrum. Schon in den vergangenen Jahren haben die  Gebietsbauleitungen eine sehr hohe Vielfalt an Baumarten eingesetzt. Es wird erwartet, dass sich diese Vielfalt in Zukunft noch vergrößert und die Eignung der Pflanzen für die erwarteten Klimaänderungen eine zunehmende Rolle spielt. 

Saatguterntebestände und Plantagen neu bewerten

Vor diesem Hintergrund sollten auch die derzeit in Österreich zugelassenen Saatguterntebestände und Plantagen neu bewertet werden. Vergleicht man die Beerntungen der eher als „klimafit“ bewerteten Baumarten (u.a. Tanne, Kiefern, Bergahorn) mit den Beerntungen von Fichte, Lärche und Buche, so stellen diese insgesamt nur etwa ein Zehntel der möglichen Forstpflanzenproduktion dar. Das liegt unter anderem an dem geringeren zahlenmäßigen Anteil an Erntebeständen/Plantagen und Beerntungen, aber auch daran, dass die „klimafitten“ Arten überwiegend schwerfrüchtige Samen mit kurzer Lebensdauer und geringerer Lagerkapazität besitzen. Daher kann das Samenangebot im Einzelfall noch deutlich geringer ausfallen. Mittelfristig sollten, sofern möglich, die Zulassungen dieser Baumarten erhöht und gegebenenfalls zusätzliche Samenplantagen dieser Arten aufgebaut werden, um auch für den Schutzwald langfristig eine größere Vielfalt an klimafitten Baumarten für Aufforstungen bereitstellen zu können.