Am Bayerischen Amt für Waldgenetik (AWG) in Teisendorf wurden im Rahmen des Projekts P34 ("Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen und Verbesserung der Erntebasis für Feldahorn, Flatterulme, Speierling und Eibe in Bayern auf genetischer Grundlage") bayerische Vorkommen des Speierlings auf ihre genetischen Vielfältigkeitsparameter untersucht. Das heutige Auftreten ist ein Resultat aus seinen klimatischen und standörtlichen Ansprüchen sowie dem Rückwanderungsgeschehen nach der letzten Eiszeit. Diese Rückwanderung erfolgte aus den Refugien Südfrankreichs über das Tal der Rhône und das Juramassiv. Sehr wahrscheinlich fand auch eine Kultivierung durch die Römer in ihren Kolonien statt, die die Vorzüge der Speierlingsfrüchte bereits zu nutzen wussten.

Zur Verbreitung des Speierlings

Der Speierling (Sorbus domestica, L.) ist eine Baumart des subatlantischen Klimas und fühlt sich im mediterranen Raum am wohlsten. Er besitzt eine gewisse Toleranz gegenüber Frösten bis -20 °C und ist kaum spätfrostgefährdet. Der Speierling kommt in Südeuropa von Spanien über Italien, den Balkan bis Griechenland häufiger als im restlichen Europa vor. In Mitteleuropa gedeiht der Speierling im Weinbauklima (Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich, Ungarn) am besten, ist dort aber eine sehr seltene Baumart, die nur einzeln oder in kleinen Trupps wächst. Im Norden verläuft die Grenze seiner Verbreitung über Rumänien, Ungarn, Niederösterreich und das nördliche Tschechien bis nach Sachsen-Anhalt (Abb. 2).

In einer Studie der BLE von 2013 wird mit einer Zahl von 4.889 Speierlingen (davon 2.084 gepflanzt) in Deutschland gerechnet. Er ist somit eine der seltensten heimischen Baumarten in Deutschland. Aufgrund seiner geringen Stückzahlen und seiner besonderen Ökologie ist sein Fortbestand bedroht. In Bayern kommen nach Riederer et al. rund 1.055 Speierlinge vor. Hier werden wärmebegünstigte Lagen in den Naturräumen Fränkische Platte, Fränkischer Keuper und Albvorland besiedelt ("Weinbauklima"). Speierlinge, die außerhalb dieser Regionen in Wald und Feld vorkommen, sind überwiegend gepflanzt und von unbekanntem Ursprung.

Was kann der Speierling

Auffallend sind die enorme Trockenheitstoleranz und die Vergesellschaftung mit der Elsbeere. Günstige Standorte der Elsbeere passen auch gut für den Speierling. Nährstoffreichere und karbonathaltige Bodentypen des Muschelkalks und des Keupers werden vom Speierling bevorzugt. Nährstoffärmere oder feuchte und nasse Böden werden eher gemieden. Mit seinem tief reichenden Herzwurzelsystem kann der Speierling auch tonige Böden erschließen und längere warme und trockene Phasen ertragen.

Der Speierling besitzt ein hohes Ausschlagsvermögen sowie die Fähigkeit zu starker Wurzelbrut. Auf diese Art verjüngen sich auch die meisten Speierlinge. Junge etablierte Bäume, in deren Nähe weder Altbäume noch alte Stöcke zu finden sind, sind äußerst selten. Die Fähigkeit zur generativen Vermehrung durch Samen scheint seit vielen Jahrzehnten stark eingeschränkt zu sein. Das könnte ein Hinweis auf mögliche Isolationseffekte (Selbstbestäubung) oder eine Inzuchtdepression sein.

Als ausgesprochene Lichtbaumart und trotz ihrer geringen Konkurrenzkraft erreichen Speierlinge, die in ihrem Bestandesleben gefördert wurden, lange, astfreie Stämme mit einer großen Krone, Baumhöhen bis zu 30 m und Brusthöhendurchmesser von bis zu 70 cm (z. B. Abb. 3). Die Art ist wärmeliebend und bei gutem Lichtgenuss in der Jugend raschwüchsig. Beim Höhenzuwachs kann die II. und III. Ertragsklasse der Eiche bei starker Durchforstung angesetzt werden. Über die forstlich angestrebten Umtriebszeiten von 100 bis 180 Jahren hinaus können Speierlinge bis zu 500 Jahre alt werden.

Das Holz des Speierlings ist mit einer mittleren Dichte von 0,88 g/cm³ sehr hart, wohl eines der härtesten in Europa. Es zählt wegen seiner Festigkeit und schönen Farbgebung zu den wertvollsten heimischen Hölzern und ist aufgrund seiner Seltenheit sehr begehrt.

Eine wichtige Rolle in seinem Verbreitungsgebiet spielt seit jeher die Nutzung der Früchte. Als Beispiel können der Verzehr als Obst oder Marmeladen sowie die Herstellung von Schnaps und Apfelwein genannt werden. Außerdem lassen sich die Früchte des Speierlings bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum, zur Linderung bei Durchfall und Erbrechen sowie zur Verwendung als Viehfutter und zur Wildäsung nutzen.

Der Speierling ist heute bedroht

Der Fortbestand des Speierlings ist heute enorm bedroht. Er galt allerdings schon immer als seltene Baumart mit einer schwachen Konkurrenzkraft. Die Bestände sind überaltert mit einer geringen Verjüngungsfähigkeit. Nur 11 % der Speierlinge in Deutschland besitzen einen BHD kleiner 7 cm – in Bayern sind es 4 %.

Mit gezielten Inventuren wurde der Rückgang des Speierlings vor allem im 20. Jahrhundert deutlich belegt. So profitierten aufgrund der Mittelwaldbewirtschaftung Lichtbaumarten wie der Speierling, die jedoch nach der Umstellung auf die Hochwaldbewirtschaftung wegen der Konkurrenz des Nadelholzes oder der Buche zunehmend verloren gingen. Er wurde im Waldbau nicht berücksichtigt und bei Pflegemaßnahmen nicht erkannt oder mit der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) verwechselt.

Die Nachzucht in Baumschulen gelang bis Ende der 1980er-Jahre nur schwer. Die Keimlinge waren anfällig für die Umfallkrankheit und im zweiten und dritten Jahr drohte ein Befall mit Schorfpilzen. Heutzutage beinhaltet eine Speierlingsfrucht ein bis zwei Samen, früher waren es zwei bis fünf Samen (sogar bis zu zehn). Zudem findet keine Rekombination während der generativen Fortpflanzung mehr statt. Es drohen Inzuchtdepressionen, die genetische Vielfalt nimmt ab.

Zusätzlicher Verlust droht durch Mäuse- und Vogelfraß. Wird die Frucht von größeren Säugetieren aufgenommen, verlässt der Samen den Darm unbeschadet und wird so verbreitet. Leider kommt eine natürliche Verjüngung über Kernwüchse heute kaum mehr vor. Seltene Baumarten sind grundsätzlich stärker durch Wildverbiss und Verfegen gefährdet. Bei den Aufnahmen zum Projekt wurden keine Pflanzen gefunden, die nicht verbissen oder verfegt waren.

Auswahl und Beprobungen

Zum Speierling gab es in Bayern Kartierungen von über 121 Einzelvorkommen mit insgesamt 1.055 Speierlingen, die größer als 3 m waren. Darunter befanden sich Feldspeierlinge und gepflanzte Bäume mit unbekanntem Ursprung, die vorerst nicht für eine genetische Untersuchung infrage kamen (15 Kartierungen). In einem ersten Schritt wurde versucht, die Speierlinge nach der Größe der Vorkommen zu sortieren. Ziel war es, vier bis sechs große Vorkommen mit insgesamt 250 bis 300 Individuen zu beproben. Die Baumabstände innerhalb der Populationen sollten einen genetischen Austausch über den Pollenflug ermöglichen. Bei der Beprobung wurde auf die Auswahl von benachbarten Bäumen nach Möglichkeit verzichtet oder es wurde nur ein Baum aus einer Gruppe beprobt.

Abb. 5 zeigt die größten Vorkommen in Bayern, die auch einer genetischen Analyse unterzogen wurden. Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 282 Speierlinge beprobt und genetisch analysiert. Es wurden Regionen ausgewählt, die eine große Dichte an Speierlingen aufweisen und sich durch natürliche Barrieren gegeneinander abgrenzen ließen, z. B. durch den Main zwischen Zellingen und Arnstein.

Bei entsprechender Pflege und Berücksichtigung bei Durchforstungen waren die aufgesuchten Speierlinge in 2019 und 2020 recht vital – im Gegensatz zu den in der Nähe stehenden Buchen, Fichten oder Kiefern, die Trockenschäden und Absterbeerscheinungen aufwiesen. Die Speierlinge zeigten aufgrund des guten Gesundheitszustands ein normales Blühverhalten und eine ausreichende Fruchtbildung.

Genetische Ausstattung

Im Rahmen des Projekts wurden sechs Speierlingsvorkommen für genetische Untersuchungen ausgewählt (Abb. 5). Die genetische Charakterisierung soll einen Überblick über die genetische Variabilität des Speierlings in Bayern ermöglichen. Daraus sollen Hinweise für Maßnahmen zur Erhaltung dieser bedrohten Baumart abgeleitet werden. Für die genetischen Analysen des Speierlings wurden acht Kernmikrosatelliten-Marker und ein zusätzlicher Marker aus dem Chloroplastengenom (sog. Minisatellit) für die Routine-Analyse ausgewählt.

Die genetische Variation innerhalb der sechs untersuchten Vorkommen ist in Abblidlung 6 dargestellt. Die Gruppe der Plusbäume setzt sich aus Plusbäumen der einzelnen Populationen sowie 14 weiteren Wald-Speierlingen zusammen, die über das gesamte bayerische Vorkommensgebiet beprobt wurden. Insgesamt standen damit 71 Plusbäume für die weiteren Analysen zur Verfügung. Die genetische Vielfalt, d. h. die mittlere Anzahl der Genvarianten je Genort, variiert in den Speierlingsvorkommen. Diese Unterschiede sind als nicht sehr hoch einzuschätzen.

Die durchschnittlichen Werte der mittleren Anzahl an verschiedenen Allelen sowie der Allelic richness (Ar) sind in der Gruppe der Plusbäume höher als der Mittelwert in den natürlichen Populationen (Abb. 6). Das bedeutet, dass dieses Kollektiv für die Erhaltung und Nutzung geeignet ist und den Genpool gut abbildet.

Unter den 282 Bäumen aus diesen sechs untersuchten Vorkommen, die für die DNA-Analyse beprobt wurden, befanden sich 39 Klone. Das ist eine wichtige Erkenntnis bei der Auswahl von Plusbäumen und der späteren Planung von Erhaltungsplantagen.

Genetische Abstände, Differenzierung und räumlich-genetische Struktur

Die Verteilung der genetischen Variation wurde auf unterschiedlichen Ebenen dargestellt. Die gesamte Variation ist aufgeteilt auf 4 % zwischen den Populationen und 96 % innerhalb der Populationen. Die höchsten genetischen Abstände wurden mit jeweils 0,173 zwischen den Vorkommen Zellingen und Gerolzhofen und zwischen Sailershausen und Gerolzhofen gefunden. Demgegenüber ist der Abstand zwischen den Vorkommen Limpurger Forst und Iphofen mit nur 0,046 deutlich geringer. Diese Vorkommen sind sich somit am ähnlichsten.

Es wurden nur drei Haplotypen identifiziert, wobei der dominierende Haplotyp 2 in allen sechs Populationen gefunden wurde (Abb. 7). Das gesamte Speierlingsvorkommen im Nordwesten Bayerns nimmt nur eine kleine Fläche ein, daher war anzunehmen, dass keine geografisch-genetischen Strukturen identifiziert werden können.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Speierling gilt als eine der seltensten Baumarten Deutschlands und ist mit den 4.889 kartierten Bäumen kaum in deutschen Wäldern vorhanden. In Bayern stocken laut der bundesweiten Studie von 2013 insgesamt nur 1.055 Bäume. Die heutige Verbreitung des Speierlings ist das Ergebnis seiner ökologischen Ansprüche sowie der Rückwanderungsgeschichte nach der letzten Eiszeit. Die bayerischen Hauptvorkommen liegen in den klimatisch begünstigten Gebieten in Unter- und Mittelfranken. Im Rahmen des Projekts wurden sechs Hauptvorkommen und einzelne Speierlinge untersucht.

Wie erwartet, konnte keine räumlich-genetische Struktur identifiziert werden. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass alle sechs Speierlingsvorkommen zur Erhaltung dieser bedrohten Baumart geeignet sind und als In-situ-Erhaltungsbestände ausgewiesen werden sollten.

Besonderes Augenmerk sollte auf die Verwendung des Vermehrungsguts und die Verjüngung der vorhandenen Speierlingsvorkommen gerichtet werden. Für die Erhaltung und Verjüngung der vorhandenen Vorkommen wird empfohlen, ausschließlich Vermehrungsgut aus dem ursprünglichen Bestand zu gewinnen, in den das Pflanzmaterial wieder ausgebracht wird. Bei der Anlage von neuen Kulturen sollte das Vermehrungsgut aus den sechs untersuchten Vorkommen oder aus Samenplantagen stammen.

Pflanzmaterial, das für die Verwendung als Landschaftsgehölz produziert wird, sollte in den autochthonen Waldvorkommen nicht verwendet werden. Spezialisierte Baumschulen haben durch langjährige Erfahrung bereits gute Erfolge bei der Speierlingsnachzucht erzielt. Neben der Etablierung möglicher Erhaltungsbestände wird der Aufbau einer Erhaltungssamenplantage angestrebt. Nach Abschluss der genetischen Analysen zu den Speierlingsvorkommen im angrenzenden Taubergrund in Baden-Württemberg, die im Auftrag der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW (FVA) durchgeführt werden, kann bei einer ähnlichen genetischen Ausstattung (Struktur, Vielfalt und Diversität) über den Aufbau von gemeinsamen Samenplantagen nachgedacht werden. Dadurch könnte die Anzahl der Plusbäume deutlich gesteigert werden.