Diese Arbeit repräsentiert den Stand des Wissens, zeigt zukünftige Herausforderungen auf und enthält Optionen für ein integriertes Waldbrandmanagement im alpinen Raum. Auf Grundlage der englischen Publikation wurde eine deutsche Version des White Papers erstellt. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Übersetzung, sondern um eine vollständig überarbeitete und ergänzte Fassung, die an den österreichischen Kontext angepasst worden ist.

Diese Arbeit kann somit als Grundlage für die strategische Realisierung der vorgeschlagenen Initiativen für ein integriertes Waldbrandmanagement in Österreich dienen. Mit dem Beschluss des Nationalrats zum Waldfondsgesetz im Juli 2020, ist das Weißbuch auch eine wichtige Unterstützung für die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen in der Waldbrandprävention.

Die letzten trockenen und heißen Sommer in Teilen des Alpenraums, etwa 2013, 2015, 2017 und 2018, haben gezeigt, dass es einer guten Vorbereitung bedarf, um dem sich ändernden Feuerregime mit intensiveren und häufigeren Bränden zu begegnen. In diesem Zusammenhang betonten Feuermanagement-Experten bei der 4. Europäischen Konferenz zur Anpassung an den Klimawandel (ECCA) im Mai 2019 in Lissabon, Portugal, die Bedeutung der "Einbeziehung der sozialen Dimension von Bränden in die Landschaftsplanung und das Management des ländlichen Raumes, indem unkontrollierte Feuer nicht nur als ökologisches, sondern auch als wirtschaftliches und soziales Problem betrachtet werden".

Definition und Ursachen

Im alpinen Kontext werden Waldbrände als unkontrollierte Feuer in bewaldeten Gebieten definiert, unabhängig von der Ursache, Größe und Brandart, einschließlich Bränden auf Kahlschlägen, im Jung- und Niederwald sowie Feuer an der alpinen Waldgrenze. Die wichtigsten Faktoren, welche die Entzündung eines Feuers bestimmen, sind das Vorhandensein einer Zündquelle und der Feuchtigkeitsgehalt des Brennmaterials (primär abgestorbene Pflanzenteile).

Etwa 90% aller Brände im Alpenraum werden direkt oder indirekt durch den Menschen ausgelöst. Hauptursachen sind weggeworfene Zigaretten, außer Kontrolle geratene Brände, Funkenflug durch Züge oder bei Arbeiten im Freien, Brandstiftung, heiße Asche sowie Stromleitungen. Rund 10% der Waldbrände in den Alpen werden durch Blitzschläge ausgelöst. Das Feuerverhalten, einschließlich der Ausbreitung und Intensität, hängt vom Feuchtigkeitsgehalt des Brennmaterials, der Vegetationsstruktur und -kontinuität, der Topographie und dem auftretenden Wind ab.

Treiber und Auswirkungen von Bränden

Die Waldbrandaktivität im Alpenraum wird in naher Zukunft wahrscheinlich zunehmen, da die Intensität von Dürreperioden und Hitzewellen ansteigt und die Brandgefahr durch die Aufgabe von ländlichen Gebieten und mehr Freizeitaktivitäten zunimmt. Die Bergwälder der Alpen erfüllen eine wichtige Schutzfunktion gegen Naturgefahren und stellen zahlreiche Ökosystemleistungen für die Bevölkerung zur Verfügung. Waldbrände können das Anbruchsrisiko für Lawinen in gefährdeten Gebieten sowie die Gefahr von Steinschlag, Muren und Bodenerosion erhöhen. 


Daneben sind lokale Veränderungen der hydraulischen Verhältnisse möglich. Gefährdet sind vor allem Wälder an steilen, nach Süden ausgerichteten Hängen. Generell stellt die Brandbekämpfung in den Alpen aufgrund der zerklüfteten Topographie und der schwierigen Zugänglichkeit eine Herausforderung dar. Durch die erwartete Änderung des Waldbrandregimes ist es wahrscheinlich, dass die Kosten für die Brandbekämpfung, für Katastrophenschutzmaßnahmen, für die Wiederherstellung von Flächen nach einem Brand und für notwendige präventive Schutzmaßnahmen stark ansteigen werden. Die negativen Auswirkungen von Waldbränden in den Alpen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Reduktion der Schutzfunktion von Bergwäldern.
  • Erhöhte Anfälligkeit gegenüber anderen Naturgefahren.
  • Verlust von natürlichen Ressourcen und verminderte Produktivität durch verstärkte Bodenerosion.
  • Hohe Kosten durch die Brandbekämpfung sowie durch Renaturierungsmaßnahmen auf Brandflächen.
  • Erhöhte Gefahr für Mensch und Infrastruktur im Bereich des Wildland-Urban-Interface (WUI).
  • Erhöhte Luftverschmutzung und vermehrte Freisetzung von Kohlenstoff.

Die direkten Gesamtkosten für die Brandbekämpfung und für erforderliche Maßnahmen auf Brandflächen (ohne Präventivmaßnahmen) im Zusammenhang mit Waldbränden werden in der Alpenregion derzeit auf rund 75 Mio. Euro pro Jahr geschätzt.

Die Bemühungen zur Brandbekämpfung im Alpenraum sind derzeit nicht in der Lage, das Auftreten extremer Waldbrandereignisse zu verhindern. Die Umsetzung eines präventiven, integrierten Waldbrandmanagements ist dringend erforderlich und umfasst Maßnahmen zur Brandvorbeugung, Brandbekämpfung und zur Behandlung von Waldbrandflächen.

Lösungsvorschläge

Wir empfehlen daher ein Rahmenwerk für ein integriertes Waldbrandmanagement im Alpenraum, das sich mit den Treibern des gegenwärtigen und zukünftigen Feuerregimes in Bergwäldern befasst, die Bedürfnisse der Menschen, die im Alpenraum leben und ihn besuchen, berücksichtigt, und darauf abzielt, die negativen Auswirkungen von Bränden zu minimieren. Das Rahmenwerk umfasst eine Reihe an Empfehlungen und vorgeschlagenen Maßnahmen, um dem sich ändernden Feuerregime im Alpenraum zu begegnen. Die Kosten für diese Maßnahmen werden auf rund 10 Mio. € pro Jahr geschätzt.

1. Konzeption und Umsetzung von kurz- und langfristigen Präventionsmaßnahmen
  • Verbesserung der Abschätzung der kurzfristigen Waldbrandgefahr unter Berücksichtigung von Topographie, Vegetation, dem menschlichen Einfluss und den spezifischen Standortbedingungen im Alpenraum.
  • Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit heimischer Wälder durch die Förderung von brandresistenten, standortsangepassten Baumarten im Klimawandel.
  • Antizipation der zukünftigen Auswirkungen von Naturgefahren durch Förderung interdisziplinärer Ansätze sowie durch ein adaptives Management des Brennmaterials in den Wäldern.
  • Verbesserung der Waldbewirtschaftungsplanung unter Berücksichtigung von Entzündungsgefahr und Brandverhalten.
  • Anpassung der Waldbewirtschaftung, einschließlich der Nutzung von kontrollierten Abbrenntätigkeiten, und Umsetzung von Schutzmaßnahmen am Wildland-Urban-Interface.
  • Förderung von Aktivitäten zur thematischen Sensibilisierung von Interessensvertretern und der Bevölkerung, um ein Bewusstsein für Waldbrände zu etablieren.
  • Erstellung dynamischer Risikokarten auf lokaler und nationaler Ebene zur Identifizierung aktueller und künftiger Hotspot-Gebiete sowie zur Ausweisung von Regionen mit geringer Brandintensität, um die Sicherheit der Einsatzkräfte zu gewährleisten und taktische Bekämpfungsmaßnahmen zu unterstützen.

Geschätzte direkte Kosten für diese Maßnahmen pro Jahr und für den gesamten Alpenraum: 5-7 Mio. €

2. Bekämpfungsmaßnahmen an die spezifischen Bedingungen im Alpenraum anpassen
  • Verbesserung des Wissens und der Fertigkeiten zu möglichen Bekämpfungsmaßnahmen und Aufbau einer angemessenen Waldinfrastruktur.
  • Förderung der Entsendung von spezialisierten Einsatzkräften zur Unterstützung der lokalen Einsatzkräfte.
  • Anpassung der Techniken zur Brandbekämpfung (z. B. bei Wassermangel) und Einsatz von technischen (kontrollierten) Feuern als Teil der Bekämpfungsstrategien.
  • Sicherstellung einer schnellen und effizienten Luftunterstützung durch Helikopter.

Geschätzte direkte Kosten für diese Maßnahmen pro Jahr und für den gesamten Alpenraum: 1,5-2,5 Mio. €

3. Verbessertes Verständnis zu Waldbränden und Optimierung der Maßnahmen auf Waldbrandflächen
  • Vollständige Dokumentation von Waldbrandereignissen in den Alpenländern und Aufbau einer einheitlichen Archiv-Datenbank.
  • Erneuerung der Waldbedeckung durch technische Maßnahmen und Verbesserung der auf ökologischen Grundlagen basierenden Aktivitäten zur Wiederherstellung von verbrannten Flächen.
  • Minimierung der Risiken von Brandauswirkungen und Naturgefahren.
  • Intensivierung der Untersuchungen zu Brennstoffmodellierungen und Brandverhalten.
  • Einrichtung von kontinuierlichen Monitoringflächen sowie von Fallstudien auf Brandflächen, um die     Mortalität von Baumindividuen zu untersuchen und die Regeneration zu überwachen.

Geschätzte direkte Kosten für diese Maßnahmen pro Jahr und für den gesamten Alpenraum: 1-2 Mio. €

4. Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch unterstützen
  • Etablierung eines Multi-Stakeholder-Ansatzes zwischen Behörden, Einsatzkräften und Wissenschaftlern.
  • Durchführung von transnationalen Trainings und realitätsnahen Waldbrandübungen für Feuerwehren und Einsatzkräfte.
  • Fortsetzung der Zusammenarbeit der Alpenländer im Bereich der Waldbrandforschung.
  • Reduktion der negativen Auswirkungen auf die Brandbekämpfung und die Entzündungsgefahr von Waldbränden durch die Aufgabe ländlicher Gebiete sowie durch steigende touristische Nutzung und mehr Freizeitaktivitäten im Wald.
  • Organisation internationaler Workshops.
  • Verwendung einer gemeinsamen Terminologie.

Geschätzte direkte Kosten für diese Maßnahmen pro Jahr und für den gesamten Alpenraum: 0,5 Mio. €