Das Tessin weist eine lange Tradition im Umgang mit Waldbränden auf. Hier werden Waldbrände systematisch dokumentiert und analysiert, und es existiert ein Waldbrandmanagement, das aufgrund der gesammelten Erfahrungen stetig verbessert wird.

Anders als beispielsweise im Mittelmeergebiet oder in Kalifornien, wo das Feuer eine unmittelbare Bedrohung für die Bevölkerung darstellt, sind die Waldbrände in den Alpen in erster Linie eine Gefahr für die Schutzfunktion des Waldes. Jedoch sind die Ansprüche der Gesellschaft an den Schutz von Bevölkerung, Siedlungen und Infrastrukturen gegenüber früher enorm gestiegen. Dazu kommt, dass aufgrund des Klimawandels trockenere und wärmere Sommer sowie schneearme Winter prognostiziert werden, die die Waldbrandgefahr in Zukunft ansteigen lassen.

Waldbrandkonzept 2020

Deshalb hat das Tessiner Kantonsforstamt in enger Zusammenarbeit mit dem kantonalen Feuerwehrverband und der WSL das kantonale Konzept "Waldbrand 2020" entwickelt. Dabei ist das oberste Ziel, das Waldbrandrisiko unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel dauernd auf ein für die Gesellschaft akzeptables Niveau zu begrenzen. Das Konzept besteht aus vier Handlungsfeldern, die eng ineinander verwoben sind:

  1. Prävention
  2. Technische und organisatorische Massnahmen
  3. Löschen
  4. Post-Brand-Management

Prävention

Langfristig ausgerichtete Präventionsmassnahmen beinhalten generell Aktivitäten, mit denen die Bevölkerung, insbesondere die Schulkinder, für einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt sensibilisiert und auf die Wichtigkeit der Schutzfunktion der Wälder hingewiesen wird. Das Waldbrandrisiko lässt sich langfristig auch durch waldbauliche Massnahmen reduzieren, zum Beispiel durch die Anpassung der Baumartenzusammensetzung oder durch gezielte Eingriffe in die krautige und verholzte Vegetation in besonders waldbrandgefährdeten Gebieten (Abb. 3).

Kurzfristige Präventionsmassnahmen sind vor allem im Fall von akuter Brandgefahr wichtig. Sie bestehen im Wesentlichen darin, ein absolutes Feuerverbot auszusprechen, um vom Menschen verursachte Waldbrände zu verhindern. Für die Einschätzung werden drei verschiedene Ansätze kombiniert:

  1. Das neu entwickelte Modell "FireNiche", das mithilfe von Daten aus der Waldbrandstatistik und von meteorologischen Angaben einer repräsentativen Wetterstation die tägliche Waldbrandgefahr für eine bestimmte Region vorhersagt.
  2. Kabellose, automatische Bodenfeuchtesensoren, die Feuchtigkeitswerte von Brandgut wie Streu und Humus im Wald erfassen und in Echtzeit übertragen (Fire Less 2).
  3. Die herkömmliche, gutachterliche Gefahrenabschätzung im Feld durch die Fachgruppe "Waldbrand", die aus zehn Fachleuten aus dem kantonalen Forstdienst besteht.

Damit soll die lokale Waldbrandgefahr zeit- und fachgerecht ermittelt und die Alarmbereitschaft der Feuerwehr situationsgerecht festgelegt werden. Daraus leitet sich die Gefahr nach einer fünfstufigen Skala ab.

Technische und organisatorische Massnahmen

Langfristig ausgerichtete Massnahmen zielen einerseits auf die Löschinfrastrukturen und andererseits auf die Organisation und Koordination aller in die Brandbekämpfung involvierten Dienste und Fachstellen ab. Die Planung, die Realisierung und der Unterhalt der Löschinfrastruktur, insbesondere der Wasserbecken für Löscheinsätze mit Helikopter (Abb. 4 und 5) sowie der Hydrantennetze und der natürlichen Wasserstellen für die Brandbekämpfung vom Boden aus, sind die aufwendigsten Aktivitäten.

Dank den Löschwasserbecken in besonders brandgefährdeten Gebieten lassen sich die Rotationszeiten der Helikopter wesentlich reduzieren und so die Löschaktionen effizienter machen. Eine weitere wichtige Massnahme betrifft die laufende Erneuerung, die Ergänzung und den Unterhalt des waldbrandspezifischen Fahrzeug- und Geräteparks. Für die Brandbekämpfung aus der Luft werden private Helikopterfirmen aufgeboten. Nur ausnahmsweise kommen auch Armeehelikopter zum Einsatz.

Tragende Säule der heutigen Feuerwehrorganisation ist die Unterteilung in eine Stadtfeuerwehr und eine Bergfeuerwehr. Die Stadtfeuerwehr besteht aus 1134 Mitgliedern (davon 28 vollberufliche Feuerwehrleute) und ist dezentral in 5 überregionale Hauptzentren, 15 regionale und 5 lokale Zentren organisiert. Diese Struktur garantiert eine gute Präsenz auf dem ganzen Territorium und eine rasche Einsatzbereitschaft. Bei der Bergfeuerwehr handelt es sich um auf Waldbrände spezialisierte Einheiten, die Anfang der 1980er-Jahre in den von Waldbränden am stärksten betroffenen Gebieten gegründet worden sind. Sie zählt heutzutage 317 Milizpersonen (von denen 37 auch in der Stadtfeuerwehr sind).

Die Aus- und Weiterbildung ist eine Daueraufgabe bei der Feuerwehr. Übungen, in die alle in die Waldbrandbekämpfung involvierten Dienste eingebunden sind, sind besonders nützlich, um die Löschtaktik und die Abstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren zu trainieren. Sehr wichtig ist auch die kritische Nachbearbeitung der Löschaktionen (Abb. 6), um Schwachpunkte zu erkennen und Korrekturmassnahmen zu implementieren.

Kurzfristige Massnahmen im Bereich der Organisation betreffen im Wesentlichen den Pikettdienst der in die Löschaktionen involvierten Stellen. Im Fall der Aktivierung des absoluten Feuerverbots wird der Bereitschaftsgrad des Forstpersonals und der Helikopterfirmen durch den Forstdienst vorgegeben. Die Feuerwehr bestimmt ihren Bereitschaftsgrad selbst, wobei derjenige der Bergfeuerwehr sich beim absoluten Feuerverbot automatisch erhöht.

Löschen

Zweck der Löscharbeiten ist nicht nur, die durch Brände direkt verursachten Personen- und Sachschäden möglichst gering zu halten, sondern auch Folgeschäden vorzubeugen, die durch Erosion, Murgang oder Steinschlag entstehen könnten. Die Grösse der Brandfläche ist in diesem Zusammenhang entscheidend, da kleine Brände die Schutzfunktion des Waldes selten beeinträchtigen. Grosse Brandflächen lassen sich vermeiden, wenn dank einem guten Einsatzdispositiv die Reaktionszeit kurz ist und wenn die richtige Löschtaktik und die richtigen Löschmittel zum Einsatz kommen.

In diesem Zusammenhang ist die Fähigkeit wichtig, den Bereitschaftsgrad flexibel an die Gefahrensituation anzupassen und unmittelbar auf Brandmeldungen reagieren zu können. Ein grosser Fortschritt diesbezüglich war die Einrichtung einer kantonalen Alarmzentrale, die alle Feuermeldungen direkt verwaltet und die den zum Waldbrand nächst gelegenen Feuerwehrstützpunkt sowie den Forstdienst aktiviert.

Bei den Löscharbeiten hat der Forstdienst beratende Funktion. In der ersten Löschphase ist es vor allem der Revierförster, der dank seinen Lokalkenntnissen den Einsatzleiter berät. Danach wird die Beratung eher vom auf Waldbrand spezialisierten Forstpersonal übernommen. Das betrifft die Einschätzung der Gefahrensituation und des Feuerverhaltens. Diese Einschätzung kann dazu führen, dass der Einsatzleiter die Löschtaktik oder die Prioritäten ändert. Normalerweise fällt der Einsatzleiter auch den Entscheid, Spezialgeräte wie Militärhelikopter beizuziehen.

Post-Brand-Management

Nach einem Waldbrand besichtigt der zuständige Revierförster die Brandfläche und erfasst alle für die Beschreibung des Ereignisses erforderlichen Angaben. Dazu gehören insbesondere die Brandursache, der Brandperimeter, der Waldtyp, die Hauptbaumart sowie der Umfang der Schäden. In einem zweiten Schritt klärt er zusammen mit dem Kreisförster, wie stark die Schutzwirkung des Waldes durch das Feuer reduziert worden ist, welche Folgen dies für Menschenleben und Sachwerte hat und wie rasch sich die betroffene Fläche erholen kann.

Problematisch auf Brandflächen sind – vor allem in den ersten Jahren nach dem Ereignis – der stärkere Oberflächenabfluss und die höhere Erosionsanfälligkeit, die je nachdem zu Murgängen führen können. Wenn die Schutzfunktion mittel- bis langfristig beeinträchtigt ist, müssen technische (z.B. temporäre Verbauungen) und waldbauliche Massnahmen (z.B. Aufforstung) getroffen werden, um die drohenden Gefahren einzudämmen und die Erholungszeit des Waldes zu verkürzen (Abb. 7). Langfristig sollten die betroffenen Waldflächen so bewirtschaftet werden, dass deren Resistenz und Resilienz gegenüber den Effekten von Feuer und Klimaveränderungen steigen.

Erste Evaluation

Das Konzept "Waldbrand 2020" ist erst zwei Jahre in Kraft, und es sind noch nicht alle vorgesehenen Massnahmen implementiert.

Die Methoden und Technologien zur Ermittlung der täglichen Brandgefahr (Fire Niche, Fire Less 2, Fachgruppe Waldbrand des Forstdienstes) haben sich in den Trockenperioden bewährt. Ebenso hat sich die Organisation zur Bekämpfung von Waldbränden in den letzten zwei Jahren im Grundsatz bewährt. Sie hat aber noch Verbesserungspotenzial. Bei 31 der 40 Waldbrände konnte die Fläche unter der Schwelle von einer Hektare gehalten werden. Bei Ereignissen, bei denen das Feuer trotz Löscheinsatz auf weitere Flächen übergriff, zeigte sich, wie wichtig das Vorhandensein von Löschwasserbecken in der entsprechenden Höhenlage ist. Denn kurze Rotationszeiten erhöhten die Löscheffizienz der Helikopter markant. Für viele wichtige Schutzwälder muss das Löschbeckennetz noch vervollständigt werden.

Die Arbeit der Feuerwehr am Boden bleibt entscheidend und muss ständig mit dem Helikoptereinsatz koordiniert werden. Einerseits können die Leute im Feld die Prioritäten für die Löschaktionen aus der Luft am besten erkennen, anderseits können sie die verbleibenden Brandherde (brennende Stöcke, Schwelbrände, unterirdische Glutnester) direkt löschen. Auch in diesem Bereich gibt es Verbesserungsmöglichkeiten, vor allem auf der Ebene der spezifischen Fachkenntnisse und Löschtechniken, damit solch komplexe Vorgänge während des Einsatzes reibungslos funktionieren. Die gezielte und vertiefte Ausbildung aller Akteure ist auch hier zentral.

Dass die Stadtfeuerwehr bei Waldbränden zuerst ausrückt und die Bergfeuerwehr ihr bei anspruchsvollen Bränden zu Hilfe kommt, ist mehrheitlich eine gute Lösung. Allerdings kann es zu gravierenden Engpässen kommen, falls die Stadtfeuerwehr am Löschen eines Waldbrands ist und sich gleichzeitig auch noch andere Brände oder Unfälle ereignen.

(TR)