Jedes Jahr brechen in der Schweiz Waldbrände aus. Um schwere Schäden zu verhindern, stehen heute in besonders gefährdeten Gebieten Feldtruppen und Löschhelikopter samt Wasserwanne während trockenen Perioden fast jederzeit startbereit. Dauert jedoch die Trockenheit zu lange und herrscht bald fast überall erhöhte Gefahr, können Hubschrauber und Einsatzkräfte nicht über Wochen in Alarmbereitschaft bleiben. Das wäre zu teuer und würde die Pikettdienste zu stark belasten.

Den Aufwand beträchtlich verringern könnte ein neues System namens FireLess2, das Experten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Bellinzona und der Startup EnvEve entwickelt haben. "Dieses Frühwarnsystem erfasst unmittelbare Brandrisiken direkt im Waldboden", sagt Marco Conedera, Forstingenieur an der WSL. Sensoren stecken in der Streuschicht aus Blättern, Nadeln und Feinästen sowie in der darunterliegenden Humusschicht und messen die Feuchtigkeit. Die Messwerte werden einem Server per Mobilfunk übermittelt. So können Forstexperten die Gefahr online abschätzen.

Ist die Streuschicht trocken, aber der darunterliegende Humus noch feucht, können Waldbrände leicht ausbrechen, sie breiten sich allerdings nur langsam aus. Sind dagegen beide Schichten trocken, ist das Risiko gross, dass ein Feuer rasch auf grosse Flächen übergreift. Da lohnt es sich, einen Löschhelikopter startbereit zu halten sowie Feuerwehr und Forstleute auf höchste Alarmbereitschaft zu setzen.

Kabelloses System zur Evaluation der Waldbrandgefahr

FireLess2 ist ein drahtloses Sensoren-Netzwerk, das in Echtzeit Feuchtigkeitswerte von Brandgut wie Streu und Humus im Wald automatisch erfasst. Dieses System soll es ermöglichen, die lokale Waldbrandgefahr zeit- und fachgerecht zu ermitteln und die Alarmbereitschaft und die Verlagerung der Feuerwehr situationsgerecht festzulegen. So sollen Waldbrände so frühzeitig gelöscht werden, dass sie kein unbeherrschbares Ausmass annehmen.

Das System ist so konzipiert, dass es zwei Sensor-Typen gibt: einen für die Streuschicht und einen für die darunter liegende Humusschicht (Abb. 2). Diese unterschiedlichen Brandguttypen bzw. Bodentiefen dienen dazu, ein vollständiges Bild der Feuergefahr zu erhalten. Hohe Trockenheitsgrade in der Streuschicht allein geben nämlich nur Auskunft über die Gefahr der Entstehung eines Waldbrandes, sagen aber wenig aus über dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit und mögliche Intensität.

Viel relevanter sind für diesen Zweck die Daten aus der Humusschicht. Diese Schicht ist der Nährboden für ein Feuer. Ist sie besonders trocken, braucht ein Feuer nur wenig Energie um die verbleibende Feuchtigkeit verdunsten zu lassen und durch die nachfolgende Verbrennung rasch an Intensität und Ausbreitungsgeschwindigkeit zu gewinnen. Ist die Trockenheit hingegen auf die Streuschicht begrenzt, so ist zwar ein Waldbrand möglich, kann aber im Normalfall rasch unter Kontrolle gebracht werden, da das Feuer viel Energie für die Ausbreitung in die Humus­schicht benötigt.

Das komplette FireLess2-Netzwerk (Abb. 3) besteht aus den erwähnten Sonden, die laufend Feuchtig­keitsdaten an eine vor Ort installierte Empfangs­station, einen sogenannten Gateway, übermit­teln. Diese schickt die Daten per Mobilfunk an einen Server, wo sie auf Konsistenz geprüft, gespeichert und visualisiert werden. Das Gate­way ist solarbetrieben und hat einen Empfangsradius, der sich je nach Geländemorphologie bis zu 5 km erstrecken kann.

Vielversprechende Ergebnisse

Erste Tests zur Eichung des Systems haben gezeigt, dass die von den Son­den ermittelte Brandgutfeuchtigkeit gut mit der effektiven Brandgutfeuchte im Wald korreliert. In der anschliessenden Pilotphase in der Südschweiz während der Waldbrandsaison 2011 liess sich mit FireLess2 sowohl die Feuerausbruchgefahr als auch das Risiko von grösseren Bränden zuverlässig abschätzen. Grössere Waldbrände treten erst ein, wenn sowohl die Streu- als auch die Humusschicht niedrige Feuchtigkeitswerte aufzeigen (Abb. 4).

FireLess2-System ermittelt keine automatischen Alarmstufen, da es für eine laufende Beobachtung der Gefahren­situation durch Fachleute konzipiert ist. Es stellt somit eine ideale Ergänzung zu den herkömmlichen Feuerwetterindices dar, die eher für eine grossräumige Abschätzung von Feuergefahr gedacht sind, vor allem in sehr he­terogenen Gebieten und Waldtypen, wie es oft im Gebirge der Fall ist. Auch für die Planung von kontrolliertem Feuer ist das System sehr gut geeignet, weil die Messstation direkt am Einsatzort in Betrieb gesetzt werden kann. Das FireLess2-Netzwerk hat sich zudem als sehr stabil in Bezug auf Witterungsbeständigkeit, Energieverbrauch und Datentransfer erwiesen.

Nach Waldbrand folgen oft Erdrutsche

"Nicht alle kleinen Waldbrände müssen um jeden Preis im Keim erstickt werden", sagt Conedera. "Es gibt sogar Tier- und Pflanzenarten, die auf Waldbrände angewiesen sind." 70 Prozent aller Feuerereignisse brennen weniger als 0,5 Hektaren Wald ab. Sie verursachen keine Probleme und ergeben zusammengerechnet weniger als fünf Prozent der gesamten verbrannten Fläche. "Aber grossflächige Brände dürfen nicht entstehen. Ihre Auswirkungen auf die Sicherheit der Bevölkerung können gravierend sein."

Und zwar nicht nur durch das Feuer selbst: Asche verstopft die Poren des Bodens, Wasser kann ihn nicht mehr durchdringen. "Der Waldboden wird wie geteert." In Alpengebieten, wo es im Sommer starke Gewitter gibt, "wächst das Risiko einer Schlamm- und Gerölllawine beim nächsten Gewitter umso mehr, je grösser die abgebrannte Fläche ist". Im Tessin wurde ein Dorfteil von Ronco ein halbes Jahr nach dem Waldbrand von März 1997 verschüttet. Und in Visp, im Wallis, gingen letzten August drei Murgänge auf die Kantonsstrasse nieder, just dort wo der Wald wenige Monate zuvor abgebrannt war (Abb. 5).

Südlich der Alpen ist das Waldbrandrisiko in den letzten 60 Jahren gestiegen. Nahezu 200 Hektaren sind jährlich betroffen. Viele Wälder werden nicht mehr genutzt, es gibt mehr brennbares Totholz und Gestrüpp auf dem Boden. "Feuer kann sich leichter ausbreiten", sagt Conedera. Zudem erschweren die klimatischen Veränderungen und häufigere extreme Wetterlagen die Situation.

"Aus denselben Gründen droht das Waldbrandrisiko sich auch nördlich der Alpen zu verschärfen", sagt Michael Reinhard, Chef der Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Diese Befürchtungen sieht der Experte bestätigt durch häufigere und längere Trockenperioden. Die Weiterentwicklung wirkungsvoller Vorbeugungsmassnahmen gewinne deshalb an Bedeutung. "Früher ging man raus, wenn es brannte", ergänzt Marco Conedera. "Heute streben wir ein effizientes präventives Feuermanagement an."

Deshalb haben WSL, BAFU und die kantonalen Forstdienste 2008 die Datenbank Swissfire erstellt. Sie vereinigt alle Informationen über bisherige Waldbrände in der Schweiz. Diese Daten helfen den Fachleuten, Strategien für die Langzeitprävention zu entwickeln. Für die Analyse des unmittelbaren Waldbrandrisikos stützen sich Fachleute auf regionale Gefahrenindexe wie Niederschläge, Temperatur und Wind. Die Voraussagen, die sie so erhalten, bleiben jedoch recht ungenau. Zu wesentlich exakteren Prognosen könne FireLess2 beitragen, sagt Conedera.