Sie sind klein oder sogar unsichtbar, richten aber im Wald und in der Landwirtschaft grosse Schäden an: eingeschleppte Insekten, Bakterien, Pilze und Viren. Der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst hat den Auftrag, solch gefährliche Schadorganismen von der Schweiz fernzuhalten.

Schädlinge und Krankheiten

"Wir erwischten den Kiefernholznematoden gerade noch rechtzeitig", sagt Therese Plüss – und zwar noch bevor er aus Portugal mit einer Ladung Baumrinde in der Schweiz ankam und in unsere Wälder entwich. Bei diesem Organismus handelt es sich um einen der gefährlichsten Kiefernschädlinge weltweit. Die Co-Leiterin des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes (EPSD) und Sektionschefin Waldschutz und Waldgesundheit beim BAFU schildert, wie die Behörden nach dem Alarm, der 2011 von deutschen Kollegen einging, alle Hebel in Bewegung setzten: Der Transport wurde sofort gestoppt und die Ladung vernichtet. "Bis heute kommt der gefährliche Schädling in der Schweiz nicht vor", stellt Plüss fest. In Nordamerika heimisch, wurde der 1 Millimeter grosse Fadenwurm zuerst in Japan eingeschleppt und tauchte dann vor 20 Jahren auch in Europa auf. Er lässt befallene Kiefern innerhalb von zwei bis drei Monaten absterben. "In Japan verursacht der winzige Organismus" laut Plüss",  jährlich rund 1 Million Kubikmeter Schadholz".

Damit dies in der Schweiz nicht passiert, ist der EPSD im Einsatz: Gemeinsam vom BAFU und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BWL) geführt, verhindert der Pflanzenschutzdienst zusammen mit den Kantonen, dass gefährliche Schädlinge und Krankheiten eingeschleppt werden und sich ausbreiten. Er sorgt dafür, dass bei der Einfuhr von Pflanzenmaterial die Vorschriften eingehalten werden, führt Warenkontrollen durch und veranlasst Laboranalysen.

Die Liste wird länger

In regem Kontakt mit nationalen und internationalen Stellen stehend, hat der Dienst alle Hände voll zu tun, denn die Liste der Quarantäneorganismen ist lang. So werden die melde- und bekämpfungspflichtigen Insekten, Bakterien, Pilze und Viren genannt, die unsere Wälder zerstören und Schäden in der Landwirtschaft sowie im Gartenbau anrichten können – falls sie sich ansiedeln. "Genau das wollen wir aber verhindern", sagt Plüss. Auf der Liste steht neben dem Kiefernholznematoden auch der berüchtigte Asiatische Laubholzbockkäfer. Er frisst sich durch Stämme und Äste von Laubbäumen und musste in der Schweiz bereits an vier Standorten getilgt werden. Viele Bäume wurden gefällt und vernichtet, "aber den Käfer sind wir losgeworden", betont die BAFU-Biologin. Ein anderer Käfer ist der Japankäfer. "Er ist im Sommer 2019 im Südtessin an mehreren Stellen in Überwachungsfallen getappt", sagt Peter Kupferschmied vom BLW, der auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter im EPSD tätig ist. Aus der Lombardei eingewandert, war der Schädling, der unter anderem Blätter von Trauben, Mais und Steinobstbaumen oder Ahorn und Haselnuss frisst, bereits 2017 im Südtessin entdeckt worden. "Zusammen mit dem Pflanzenschutzdienst des Kantons Tessin tun wir alles, um die Ausbreitung des Japankäfers möglichst zu verhindern", erklärt Kupferschmied. So dürfen aus der Quarantänezone rund um den Fundort in Stabio weder Erde noch Pflanzen mit Bodenmaterial abtransportiert werden.

Das Besorgniserregende an der Liste der gefährlichen Schadorganismen ist: " Sie wird immer länger, da der internationale Handel und der Reiseverkehr zunehmen, und damit steigt auch das Risiko, solche Organismen einzuschleppen", erklärt Plüss. Dabei steht nicht nur die Importware im Zentrum der Beobachtung, sondern auch deren Verpackung: Der Asiatische Laubholzbockkäfer gelangte beispielsweise als blinder Passagier in Holzpaletten von Steinlieferungen aus China in die Schweiz. Verpackungsholz muss daher nach internationalem Standard vorbehandelt werden und ein Label tragen.

Anpassung an die EU

Das neue Schweizer Pflanzengesundheitsrecht verhindert seit dem 01.01.2020 die Einschleppung und Verbreitung von besonders gefährlichen Schadorganismen wirksamer. Die Bestimmungen im Bereich Pflanzengesundheit sind in der "Verordnung über den Schutz von Pflanzen vor besonders gefährlichen Schadorganismen" verankert. Eine zweite Verordnung enthält technische Bestimmungen sowie die Listen mit den geregelten Schadorganismen und Waren. Da die Europäische Union (EU) das europäische Recht im Bereich Pflanzengesundheit modernisiert hat, wurde aufgrund des bilateralen Agrarabkommens eine rechtliche Anpassung nötig, um die Gleichwertigkeit der phytosanitären Bestimmungen sicherzustellen. Nur so ist der freie Warenverkehr für Agrar- und Holzprodukte sowie Waldpflanzen mit der EU auch weiterhin gewährleistet.

Grosse Herausforderungen

Verschärft wird die Situation durch den Klimawandel. "Um sein pflanzenschädigendes Potenzial zu entwickeln, benötigt zum Beispiel der Kiefernholznematode im Juli und August Temperaturen von durchschnittlich über 20 °C. Was, wenn nun  die Sommer hierzulande immer wärmer werden?", fragt Plüss. Sie und Kupferschmied stehen vor grossen Herausforderungen. Jetzt kommt ihnen ein strengeres Regelwerk zu Hilfe. Seit dem 1. Januar 2020 ist in der Schweiz ein neues Pflanzengesundheitsrecht in Kraft (s. Box).

"Kern des neuen Rechts ist die Vorsorge", erläutert Plüss die neue Pflanzengesundheitsverordnung. "Wir verstärken die risikobasierte Gebietsüberwachung sowie die Importkontrollen und investieren in Schulungen und die Sensibilisierung – dies in der Hoffnung, Eindringlinge möglichst frühzeitig zu entdecken." Prävention sei zudem kostengünstiger als die Bekämpfung von Quarantäneorganismen: So kostete zum Beispiel die Tilgung des Asiatischen Laubholzbockkäfers die Stadt Winterthur rund 3,3 Millionen Franken.

Eine zentrale Rolle bei der Vorsorge spielen die Betriebe, die Pflanzen importieren, produzieren oder verkaufen. "Sie werden zu mehr Eigenverantwortung verpflichtet", erklärt die BAFU-Spezialistin. Das heisst: Produzenten, wie z.B. Baumschulen, und Händler müssen ihre Parzellen und Produkte noch besser inspizieren und Schädlinge eindeutig erkennen können.

Einheitlicher Pflanzenpass

Für mehr Sicherheit im Handel sorgt auch der vereinheitlichte Pflanzenpass. In der Handelskette lässt sich so exakt eruieren, woher eine Ware stammt. Der Pflanzenpass ist ein zentrales Element des freien Warenverkehrs zwischen der Schweiz und der EU im Rahmen des bilateralen Agrarabkommens. Er beschleunigt, dass die Produkte die Vorschriften zur Pflanzengesundheit erfüllen.

Ab sofort gilt die Passpflicht für alle Gewächse, die zum Anpflanzen bestimmt sind. Dazu gehören auch Knollen, Stecklinge, Zwiebeln, Wurzeln und einige Samenarten.

Werden Waren im Internet oder per Telefon bestellt, muss ebenfalls immer ein Pass mit. "Kundinennen und Kunden, die online Kaufen, können aktiv zum Pflanzenschutz beitragen, indem sie die bestellte Ware überprüfen", sagt Aline Knoblauch von der Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim BAFU. Einzig bei der direkten Abgabe an Privatpersonen vor Ort für den Eigengebrauch (z.B. Gartencenter) wird kein Pflanzenpass verlangt.

Achtung bei Feriensouvenirs

Auch Importe aus Ländern ausserhalb der eu unterliegen strengeren Vorschriften: Durch den Zoll kommen nur noch Pflanzen, Früchte, Gemüse, Samen und anderes frisches Pflanzenmaterial mit einem Pflanzengesundheitszeugnis. Dies gilt auch für Waren, die von Touristen eingeführt werden: beispielsweise für den Ferienkaktus aus Marokko oder die Orchidee aus Thailand. "Reisende müssen sich für solche Souvenirs im Ferienland ein Zeugnis ausstellen lassen", sagt Knoblauch. Das sei wichtig, weil man mit einer nicht zertifizierten Pflanze womöglich einen Schadorganismus einschleppen könne. Plakate an Schweizer Flughäfen und solchen in der EU sollen die Feriengäste an ihre Pflichten erinnern.

Notfallplanung als Teil der Prävention

Zu einer guten Prävention gehört auch die Planung des Notfalls. "Taucht ein Quarantäneorganismus bei uns auf, müssen alle zuständigen Stellen korrekt und koordiniert handeln", stellt Plüss klar. Und zwar vom EPSD über die kantonalen Pflanzen- und Waldschutzdienste, die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL und die Agroscope bis hin zu den Kontrolleuren und den betroffenen Betrieben. "optimal vorbereitet, können wir einen Ausbruch effizient bekämpfen", ist die Biologin überzeugt. Deshalb werden künftig Notfallpläne für die prioritären Quarantäneorganismen erstellt. Auf dem Programm stehen auch Simulationen eines Schädlingsbefalls, ähnlich den Feuerwehrübungen, wie Plüss ausführt.

Der EPSD erhält mit dem neuen Recht wirksame Werkzeuge, aber auch eine lange Liste mit den neuen Aufgaben, was Plüss aber eher beruhigt als stresst:" Wir werden so mit grösserer Gewissheit sagen können, dass ein solch gefährlicher Schadorganismus bei uns in der Schweiz nicht vorkommt – hoffentlich."