Merkmale und Symptome bei Baum und Mensch

Der Pilz Cryptostroma corticale lebt meist symptomlos im Innern von Bäumen. Die durch ihn verursachte Russrindenkrankheit tritt in der Regel nur bei geschwächten Bäumen auf; insbesondere wenn diese nach einem langen, trockenen Hitzesommer unter Wassermangel leiden. Dann breitet sich der Pilz stärker im Holz aus. Zu den ersten Symptomen gehört eine Welke, welche in der Krone beginnt und sich in Richtung Starkäste und Stamm fortsetzt, während immer mehr Blätter abfallen und die Äste dürrer werden.

Später sterben Teile der Rinde und des darunterliegenden Gewebes ab (Nekrose, Abb. 1) und Baumsaft tritt aus (Schleimfluss). Es entstehen immer mehr Rindenrisse und die absterbenden Bereiche vereinen sich zu grossen Rindenabplatzungen. Lösen sich nun einzelne Rindenstücke vom Stamm, kommt darunter die bis 1 cm dicke, schwarze Sporenschicht zum Vorschein. Deren russähnliches Aussehen ist für den Namen der Russrindenkrankheit verantwortlich.

Im Anschnitt zeigt das Holz in diesem Stadium eine leicht grünlich getönte, etwas marmorierte braune Verfärbung. Schliesslich führt diese Pilzkrankheit zum Tod des Baumes – bei starkem Befall bereits innerhalb eines Jahres. Das Holz solcher Bäume wird anschliessend durch andere Pilze rasch zersetzt, wodurch es schnell zu Stammbrüchen kommen kann. Betroffene Bäume werden daher in der Nähe von Wegen oft gefällt, um Personenschäden zu vermeiden.

C. corticale kann als einer von wenigen Baumschädlingen jedoch auch direkt beim Menschen Krankheitssymptome hervorrufen. Diese entstehen durch das Einatmen der Sporen, welche vom Pilz in sehr hoher Menge gebildet werden (100 bis 170 Millionen Sporen pro Quadratzentimeter). Besonders bei Menschen mit einer vorbelasteten Lunge oder Allergie kann es sechs bis acht Stunden nach Kontakt zu Husten, Atemnot, Müdigkeit, Schüttelfrost oder Fieber kommen.

Diese Symptome entstehen durch entzündliche Reaktionen der Lungenbläschen (exogen-allergische Alveolitis). Sie halten oft mehrere Stunden, selten über Tage oder Wochen an. Gefährdet sind dabei nicht Menschen, die Waldspaziergänge machen, sondern Personen, die beruflich im Wald tätig und über längere Zeit hohen Sporenkonzentrationen ausgesetzt sind. Für Arbeiten an erkrankten Bäumen ist deshalb entsprechende Schutzkleidung erforderlich.

Verwechslungsmöglichkeiten

Anhand von Welke- und Absterbeerscheinungen kann C. corticale nicht eindeutig nachgewiesen werden, da diese Symptome sehr unspezifisch sind. Es gibt zudem eine Reihe weiterer Pilze, die ähnliche schwarze Schichten bilden, wie das Flächige Eckenscheibchen (Diatrype stigma), der Brandkrustenpilz (Kretzschmaria deusta) oder der Ahorn-Kohlenkrustenpilz (Eutypa maura).

Auch der Pilz Stegonsporium pyriforme, der ein Triebsterben bei jungen Ahornbäumen verursacht, kann ähnlich aussehen. Er bildet jedoch eher kleine schwarze Flecken, welche sich nicht unter, sondern auf der Rinde befinden. Aber für einen eindeutigen Nachweis ist dennoch eine mikroskopische Bestimmung der Sporen durch Fachpersonen notwendig. Eine möglichst frühzeitige Diagnose ist aufgrund des allergischen Potentials wichtig.

Biologie und Vermehrung

Bei der Russrindenkrankheit handelt es sich um einen Schlauchpilz (Ascomyceten), der sich ausschliesslich auf asexuellem Wege über sogenannte Konidiosporen zu vermehren scheint. Eine sexuelle Form dieses Schwächeparasiten ist bislang noch nicht bekannt geworden.

Über kleine Borkenverletzungen gelangen seine Sporen in einen neuen Wirtsbaum. Dort breitet sich der Pilz zuerst in den Leitgefässen im Kernholz aus; er kann lange Zeit symptomlos im Wirt vorhanden sein, aber wenn sich der Baum in einer Stresssituation befindet, besonders nach längeren Trockenperioden, wächst der Pilz vermehrt vom Kernholz in Richtung Rinde.

Sobald die Rinde (lat. cortex) erreicht wurde, entsteht darunter ein dunkles, flaches Geflecht aus Pilzfäden, das Stroma. Dieses teilt sich auf in zwei Schichten; anschliessend bilden sich dazwischen über 1 mm lange Säulen, durch deren Wachstum die beiden Schichten voneinander getrennt werden. Der so entstandene, unter der Rinde verborgene Raum ähnelt einer Krypta mit der äusseren Schicht als Dach und der inneren als Boden, daher der wissenschaftliche Name des Pilzes. In diesem Raum werden in der inneren Schicht des Stromas neue Sporen produziert, während die äussere Schicht zerfällt; der erwähnte russartige Belag aus Stroma und Sporen bleibt zurück. Wenn es schliesslich zu Rindenabplatzungen kommt, werden die Millionen von Sporen anschliessend durch Wind und Regen verbreitet.

Ökologie

Der Pilz C. corticale ist auf Ahornarten (Acer spp.) spezialisiert und scheint in Europa besonders den Bergahorn (A. pseudoplatanus) zu befallen, seltener auch Spitzahorn (A. platanoides) und Feldahorn (A. campestre) sowie die nicht heimischen Arten Eschenahorn (A. negundo) und Silberahorn (A. saccharinum).

Der Pilz ist wärmeliebend und profitiert daher von Hitzewellen und der zunehmenden Erwärmung des Klimas, während Trockenheit die Bäume schwächt. Ahornbäume jeden Alters können von der Russrindenkrankheit betroffen sein. Allerdings bricht sie besonders bei älteren Bäumen mit guter Vitalität seltener aus, weil diese mit ihren eingewachsenen Wurzeln eher über eine ausreichende Wasserversorgung verfügen als Jungbäume.

Ausbreitungsgeschichte und Gefahren

Die Region der Grossen Seen in Nordamerika dürfte das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Russrindenkrankheit darstellen, welche 1889 aus Kanada auf Stämmen des Zuckerahorns (Acer saccharum) beschrieben wurde. So wurde der Pilz auch in den US-Bundesstaaten Michigan und Wisconsin nachgewiesen, die an Kanada angrenzen und ebenfalls in dieser Region liegen.

Die in Europa gebietsfremde Pilzkrankheit wurde hier bislang aus Grossbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Tschechien, den Niederlanden, Bulgarien, der Slowakei, Belgien und Slowenien nachgewiesen. Den Anfang machte Grossbritannien, wo der Pilz erstmals 1945 in einem Park in London gefunden wurde, nachdem dort hunderte Bergahorne (A. pseudoplatanus) eingegangen waren.

Eine Einschleppung der Russrindenkrankheit durch nordamerikanische Holzimporte in die Frachthäfen Londons erscheint plausibel. Ausserhalb Grossbritanniens wurde sie danach ab 1948 vereinzelt in Frankreich, einmal in Deutschland und Italien gemeldet. In der Schweiz wurde sie erstmals 1991 im Raum Genf nachgewiesen, später auch in Österreich, Tschechien, den Niederlanden, Bulgarien, Belgien, der Slowakei und Slowenien. Die Ausbreitung erfolgt von Mitteleuropa aus also zunehmend in Richtung Osten.

In der Schweiz tritt die Russrindenkrankheit in verschiedenen Kantonen auf (Tab. 1, Abb. 2). Am schlimmsten traf es bisher die beiden Basler Kantone nach dem Hitzesommer 2018. Im Folgejahr vervielfachten sich die Fälle in der Region Basel mit ihren durchlässigen Jurakalkböden. Im Wald waren weit über 100 Bäume betroffen und auch ausserhalb des Waldes war ein Anstieg zu verzeichnen.

Tab. 1 - Erstnachweis der Russrindenkrankheit in den Kantonen

KantonJahr des Erstnachweises
Genf 1991
Tessin2003
Zürich2009
Bern2011
Neuenburg2016
Basel-Land2018
Basel-Stadt2018
Solothurn2019
St. Gallen2019
Aargau2020
Schaffhausen2020
Waadt2020
Freiburg2021

Gefahren

In Europa erkrankten und starben zwar seit der Einschleppung viele Bäume, doch die Russrindenkrankheit trat zunächst eher sporadisch auf und breitete sich eher langsam aus. Nach der Jahrtausendwende und insbesondere seit den 2010er Jahren tritt der Pilz jedoch zunehmend häufiger auf.

Dieser Trend dürfte sich auch in Zukunft fortsetzen, denn aufgrund der globalen Erwärmung des Klimas werden Hitzesommer häufiger auftreten. Daten aus England deuten darauf hin, dass schwere Ausbrüche der Russrindenkrankheit hauptsächlich dann beobachtet werden können, wenn in einem der Sommermonate (Juni bis August) die durchschnittliche Monatstemperatur mehr als 23 °C beträgt. C.corticale gilt daher als ein Profiteur des Klimawandels. Noch mehr als die Zahl der Krankheitsausbrüche dürfte zukünftig die Anzahl infizierter Bäume steigen.

Von der Russrindenkrankheit waren bisher Bergahorne im Stadtgebiet besonders häufig betroffen. Deren Anfälligkeit kann durch stadttypische Stressfaktoren erklärt werden, wie hohe Stickoxid-Konzentrationen oder die Tatsache, dass die Trockenheit in städtischen Lebensräumen durch vermehrte Versieglung und veränderte klimatische Bedingungen viel grösser ist als im Umland. Die Pilzkrankheit hat jedoch das Potential, auch auf den Wald überzugreifen, wie Beispiele mit bestandesweitem Befall in Österreich, Italien und der Schweiz zeigen.

Aufgrund der allergieauslösenden Sporen und der erhöhten Bruchgefahr der Wirtsbäume geht von der Russrindenkrankheit auch eine Gefahr für den Menschen aus. Diese Gefahren lassen sich jedoch durch vorbeugende Massnahmen vermeiden.

Bekämpfung und Schutzmassnahmen

Wenn sich die Russrindenkrankeit in einem Gebiet einmal etabliert hat, ist es praktisch unmöglich, die Krankheit wieder loszuwerden. Aber dem Ausbruch der Russrindenkrankheit lässt sich entgegenwirken: Da die Ahorne in Trockenjahren besonders anfällig sind, sollte die Wasserverfügbarkeit der Bäume im Siedlungsgebiet möglichst verbessert werden (z. B. weniger Versiegelung). Bei Arbeiten in der Nähe von Ahornbeständen sollte darauf geachtet werden, die Wurzeln der Bäume nicht zu beschädigen.

Ist die Russrindenkrankheit an einem Ort ausgebrochen, sollte das betroffene Gebiet aufgrund der potentiellen Gesundheitsgefährdung durch die Sporen und wegen der erhöhter Astbruchgefahr abgesperrt werden, bis die befallenen Ahorne gefällt sind. Beim Fällen sollte folgendes berücksichtigt werden:

  • Maschinell fällen, möglichst bei feuchter Witterung oder unter künstlicher Beregnung, um möglichst wenig Sporen freizusetzen.
  • Während den Fällarbeiten unbedingt FFP3-Atemschutzmasken, Schutzbrillen, Handschuhe, geschlossene, leicht zu reinigende Schuhe und Einweg-Schutzanzüge als Schutz vor den Sporen tragen.
  • Das gefällte Holz abdecken, in eine Verbrennungsanlage oder ein Holzheizkraftwerk transportieren und verbrennen.
  • Geräte und Maschinen gründlich reinigen, um das Risiko einer Verschleppung in befallsfreie Bestände zu senken.
  • Befallene Bäume in wenig frequentierten Gebieten im Wald können nach Absprache mit den Behörden auch stehen gelassen werden, da hier nur eine geringe Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung besteht.

 

Weiterführende Informationen erhalten Sie hier:

Wo melden, wo um Rat fragen?

Die Russrindenkrankheit ist nicht meldepflichtig. Dennoch sammelt Waldschutz Schweiz die Meldungen.


(TR)