Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea L.) (EPS) kann aufgrund der Brennhaare seiner älteren Raupen und der damit in Verbindung stehenden Gesundheitsgefahren eine deutliche Einschränkung für uns Menschen bedeuten. Doch auch die Gesundheit des Waldes leidet unter dem Kahlfraß der Raupen (Abb. 1a–c).

In den letzten Jahrzehnten hat sich der EPS in den südwestdeutschen Eichenwäldern massiv ausgebreitet (Abb. 2). Auch wenn die befallene Fläche schwankt, ist mit dieser Insektenart an Eichen mittlerweile bis in montane Höhenstufen zu rechnen. Auffällig ist der seit etwa 20 Jahren ausbleibende deutliche Rückgang der Schädlingsmeldungen im Wald, wie es bei Massenwechseln von anderen Schadschmetterlingen wie dem Schwammspinner oder dem Frostspanner bekannt ist. Mit einem stetigen, wenn auch in manchen Jahren örtlich verringerten Vorkommen ist der EPS zwischenzeitlich zu einem Dauerthema geworden.

Warum ist eine Regulierung notwendig?

Die beiden betroffenen Schutzgüter, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Gesundheit des Waldes, betreffen jeweils eigene Rechtsnormen, welche sich auf die anzuwendenden Schadschwellen, zulässige Wirkstoffe und Ausbringungsarten auswirken.

Für den Gesundheitsschutz von Mensch und Tier können schon einzelne Häutungsnester in der Umgebung von Erholungseinrichtungen eine so große Gefahr darstellen, dass eine Regulierung des EPS nach dem Biozidrecht (Verordnung [EG] 528/2012 bzw. Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen: Chemikaliengesetz - ChemG) angemessen ist. Neben der Größe der Nester ist hier etwa auch die Verfrachtung der Brennhaare durch die Luft zu betrachten, die selbst in geschlossenen Waldbeständen bis zu 500 m betragen kann.

Eine ernsthafte Gefährdung von Eichenbeständen durch blattfressende Raupen im Sinne des Pflanzenschutzrechts (Verordnung [EG] 1107/2009 bzw. Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen: Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) entsteht insbesondere durch Kahlfraß. Vor allem in Kombination mit weiteren Schadfaktoren wie Mehltaubefall, Eichenprachtkäfer oder Hallimasch kann es je nach Witterung und Standort bis hin zu flächigen Absterbeerscheinungen kommen.

Wie kann man regulieren?

Um zum Schutz der Waldgesundheit einen in aller Regel wiederholten Kahlfraß zu vermeiden, steht der präventive Einsatz eines Pflanzenschutzmittels (PSM) in den ersten Larvenstadien nach dem Laubaustrieb zur Auswahl. Zur Prophylaxe von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Mensch und Tier ist die Ausbringung von Bioziden noch vor Erreichen des erstmalig mit Brennhaaren behafteten dritten Larvenstadiums ideal. Nachdem die Brennhaare ausgebildet sind, können noch mechanische Maßnahmen wie z. B. das Absammeln oder Aufsaugen von Gespinstnestern erfolgen. Diese auf Einzelbäume bezogenen kurativen Maßnahmen sind jedoch im Wald aufgrund des sehr hohen Aufwands und der meist notwendigen Befahrung nur in Ausnahmefällen z. B. in der Nähe von Erholungseinrichtungen angebracht. Deshalb muss in flächig befallenen und hoch gewachsenen Eichenwäldern im Regelfall der Einsatz von Luftfahrzeugen zur Behandlung des Kronendaches in Betracht gezogen werden. Dies erfordert in der Vorbereitung, dem Genehmigungsprozess sowie der Durchführung und Kontrolle allerdings einen vergleichsweise hohen Aufwand.

Wie läuft die Regulierung ab?

Die abgewogene Entscheidungsfindung und Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen nach dem Pflanzenschutzrecht ist vielschichtig (Abb. 3). Nach Feststellung einer potenziellen Gefährdung für den Wald durch bereits eingetretenen Kahlfraß sollten Waldbesitzende im Rahmen einer pfleglichen Bewirtschaftung des Waldes (§ 14 Landeswaldgesetz Baden-Württemberg) eine Regulierung des EPS in Eichenwäldern unter Einbeziehung eines Fachinstituts sorgfältig in Erwägung ziehen (Abb. 3a). In Südwestdeutschland kommt hierfür die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg in Betracht. In einem ersten Schritt ist die Prognose eines erneuten Fraßereignisses im Folgejahr grundlegend (Abb. 3b).

Dies erfolgt mithilfe einer repräsentativen Erhebung zur Herleitung des vorhandenen Befallsdruckes (s. Abschnitt Fallbeispiel). Auf dieser Grundlage kann unter Einbeziehung weiterer Faktoren wie Standortsverhältnisse, bereits vorhandene Vitalitätsschwächungen und schadensverstärkende Organismen eine Risikoprognose für Folgeschäden erstellt werden (Abb. 3c).

Damit werden Waldbesitzende bei der Entscheidungsfindung auf fachlicher Grundlage wesentlich unterstützt. Mithilfe dieses Gutachtens kann darüber entschieden werden, ob eine präventive Regulierung im Folgejahr über eine in Frage kommende Anwendung von PSM mit Luftfahrzeugen im Wald erfolgen soll. Diese Maßnahme muss von der zuständigen Behörde auf Antrag der Waldbesitzenden nach im Pflanzenschutzrecht gültigen Maßgaben vorab genehmigt werden (§ 18 PflSchG) (Abb. 3d).

In diesem Zusammenhang sind in Abhängigkeit von den örtlichen Verhältnissen weitere Behörden einzubeziehen (Abb. 3e). Neben den unteren Forstbehörden zählen hierzu besonders die Naturschutz- sowie die Wasserbehörde. Folgt eine Ausnahmegenehmigung zur Anwendung von PSM mit Luftfahrzeugen, kann die Regulierung im folgenden Frühjahr unter Beachtung der Anwendungsbestimmungen und gegebenenfalls Auflagen erfolgen (Abb. 3f).

Die Wirkung einer solchen Maßnahme ist in Form einer Erfolgskontrolle zu dokumentieren, etwa mithilfe einer Kotfallanalyse (Abb. 3g). Nach Abschluss einer erfolgreichen Regulierung sollte der Raupenfraß als Stressfaktor und maßgeblicher Auslöser für eine Devitalisierung bis hin zum Absterben von Eichen verhindert worden sein. So bleibt der Wald in seiner Multifunktionalität und als Lebensraum weiter erhalten (Abb. 3h).

Fallbeispiel: Forstbezirk Ulmer Alb 2022

In einem zusammenhängenden eichenreichen Waldgebiet nahe der Stadt Langenau im Osten Baden-Württembergs ist der EPS im Landeswald und im benachbarten Kommunalwald über mehrere Jahre verstärkt aufgetreten. Neben den anfänglich vorrangig bestehenden Beeinträchtigungen für die Gesundheit von Mensch und Tier zeigte sich durch wiederkehrenden Blattfraß bald auch der auf die Vitalität der Eichenbestände nachteilige Einfluss des Raupenfraßes mit Auftreten der ersten Kahlfraßereignisse seit 2019. Die Folgen waren ein schlechter Kronenzustand der betroffenen Eichen (Abb. 4) und ein Befall durch den Eichenprachtkäfer. Damit waren auch ein Absterben und außerplanmäßige Zwangsnutzungen der betroffenen Eichen verbunden, welche ab dem Jahr 2020 deutlich angestiegen sind (Abb. 5).

Schutz der Waldgesundheit

Die potenziellen Regulierungsbestände ergaben sich aus den im digitalen Waldschutzmeldesystem (dWMS) dokumentierten Fraßereignissen durch den EPS. In Beständen mit einem relevanten Eichenanteil von mindestens 20% sowie einem dokumentierten Kahlfraßereignis wurde mithilfe der 10-Baum-Stichprobe der aktuelle Befallsdruck in Form einer Gespinstnesterzählung erhoben. Auf ca. 300 ha wurden 38 auf Waldbestände bezogene Transekte repräsentativ verteilt, markiert und dort anschließend die Gespinstnesterzählung durchgeführt.

Dabei wurden Bestandesränder ausgespart, um die für den Pflanzenschutz entscheidende Information über den Befallsdruck auf Bestandesebene nicht durch hohe Gespinstnesterzahlen an Randbäumen zu beeinflussen (Abb. 6). Die Gespinste wurden an herrschenden und vorherrschenden Bäumen, die in den Eichenbeständen in gleichmäßigen Abständen verteilt waren, erfasst. Diese Aufnahmen erfolgten im September 2021, möglichst noch vor den Herbststürmen, durch die Waldbesitzenden nach Schulung durch die FVA als einbezogenes Fachinstitut. Die Befunde aus dieser Erhebung wurden anschließend im Winter 2021/2022 durch die FVA noch einmal stichprobenweise verifiziert.

Die durchschnittliche Anzahl der Nester pro Baum diente zur Herleitung der Fraßprognose für das Frühjahr 2022. Ab einer durchschnittlichen Anzahl von drei bis sechs Nestern je Baum wurde starker Lichtfraß, vereinzelt auch Kahlfraß prognostiziert. Ab sechs Nestern je Baum war mit einem bestandesweiten Kahlfraß zu rechnen. Das Risiko für Folgeschäden wurde für Bestände mit einer durchschnittlichen Nesteranzahl ≥ 6 und mindestens einem in den Vorjahren dokumentierten Kahlfraßereignis als sehr hoch eingeschätzt. Dies war auch der Fall, wenn sich die durchschnittliche Nesteranzahl zwischen drei bis sechs bewegte, sofern zusätzlich mehrfacher Kahlfraß oder Prachtkäferbefall für den Bestand dokumentiert worden war (Abb. 6).

Auf Grundlage dieser Risikoeinschätzung für zu erwartende Folgeschäden wurden für die betreffenden Eichenbestände seitens der FVA Regulierungsmaßnahmen empfohlen.

Darüber hinaus erfolgte auch in Bezug auf das infrage kommende PSM sowie auf die Applikationsart im Sinne einer Substitutionsprüfung gemäß des integrierten Pflanzenschutzes seitens der FVA eine eingehende Beratung. Im vorliegenden Beispiel fiel aufgrund dessen, dass das favorisierte Bacillus thuringiensis-Präparat im Handel nicht verfügbar war, die Entscheidung auf Mimic®, ein ebenfalls vergleichsweise selektives PSM mit Zulassung für die Ausbringung mit Luftfahrzeugen.

Daraufhin wurde die Anwendung dieses PSM mit Luftfahrzeugen im Kronenbereich von Wäldern beim zuständigen Regierungspräsidium Freiburg als zuständige Behörde beantragt. Durch die Applikation mit einem Hubschrauber im Kronenraum werden bei Einhaltung der vorgeschriebenen Anwendungsbestimmungen und bei fachgerechtem Vorgehen ausreichende Wirksamkeiten erreicht. Grund hierfür ist die zielgerichtete Ausbringung im Frühjahr nach dem Raupenschlupf und bei ausreichendem Blattaustrieb zum passenden Zeitpunkt am eigentlichen Fraßort der Raupen.

Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier

Zur Abwägung eines Biozideinsatzes wurden die Randstrukturen in von Menschen und Tieren intensiver frequentierten Bereichen durch die Waldbesitzenden auf Befall hin untersucht und die zuständigen Behörden, hier die Ortspolizeibehörde, eingebunden. Auch nach dem Biozidrecht kann die Regulierung des EPS mittels Luftfahrzeug erfolgen, sodass eine Kombination der beiden Maßnahmen in Beteiligung aller zuständigen Behörden durch die Waldbesitzenden angestrebt und beantragt wurde. Synchron zum daraufhin anlaufenden Genehmigungsprozess wurden die Stakeholder wie beispielsweise Anwohnende, Nutzungsrechtinhabende und Naturschutzverbände frühzeitig eingebunden und informiert.

Gesamtmaßnahme

Im vorliegenden Fall stimmten die in den verschiedenen Rechtsbereichen zuständigen Behörden den Anträgen für eine geplante Regulierung von ca. 200 ha zu. So konnten die Waldbesitzenden mit der Detailplanung, wie etwa der Erstellung exakter Flugkarten mit Aussparung von zum Beispiel Wasser- oder Naturschutzflächen und Infrastruktureinrichtungen, beginnen. Aufgrund des strukturierten Vorgehens konnten alle Genehmigungen eingeholt und eine Fachfirma für die Applikation des PSM sowie des Biozids aus der Luft beauftragt werden. Die Behandlungen aus der Luft wurden schließlich am 11./12.05.2022 nach Prüfung des Eichenaustriebs und der Larvenentwicklung bei passender Witterung entsprechend der Beratung durch die FVA zum richtigen Applikationszeitpunkt durchgeführt. In dieser Zeit mussten die betreffenden Waldflächen von den Forstbetrieben sorgfältig abgesperrt werden, um ein Betreten zu verhindern.

Im Anschluss an die Maßnahme wurde eine Erfolgskontrolle dieser Regulierungsmaßnahme durch die FVA durchgeführt. In den regulierten Eichenbeständen erfolgten an 12 dort verteilten Eichen Kotfallanalysen. Unter diesen Bäumen wurden auf Tafeln fixierte und mit Leim versehene, quadratische Folienstücke für jeweils 24 Stunden ausgelegt und anschließend auf anhaftende Kotkrümel ausgewertet (Abb. 7).

Es ist ein deutlicher Abfall der Anzahl Kotkrümel im Vergleich vor und nach der Behandlung zu verzeichnen, sodass eine Wirkung der Regulierung attestiert wird. Ohne eine vorgenommene Regulierung hätte die Anzahl der Kotkrümel aufgrund des Raupenwachstums im Durchschnitt stark ansteigen müssen. Kurzzeitige Schwankungen bei den Kotmengen sind auf eine variierende, der Raupenaktivität zu- oder abträgliche Witterung zurückzuführen. Neben dieser aufwendigen Kontrollmethode wurden die Bestände im folgenden Sommer auf Fraß hin kontrolliert. Dabei konnten nur wenige Eichen mit leichtem Lichtfraß festgestellt werden.

Damit wurde das Regulierungsziel, die örtliche Populationsdichte des EPS abzusenken, ohne diese Art vollständig auslöschen zu wollen, erreicht. Im darauffolgenden Winter wurden 12 Transekte auf neue Nester hin überprüft. Insgesamt konnten hier an 110 Bäumen (teilweise wurden Bäume im Zuge von Durchforstungen entnommen) nur 36 frische Nester identifiziert werden. Im Vergleich zu durchschnittlich 3,8 Nestern pro Baum (Streuung 0,2 bis 9,4) vor der Regulierung, ergeben sich 0,3 Nester pro Baum im Jahr nach der Regulierung (Streuung 0 bis 0,5).

Fazit

Im Rahmen des sich verändernden Klimas ist zu befürchten, dass sich die Entwicklungsbedingungen für den EPS verbessern werden. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass unter Trockenstress stehende Eichen zunehmend empfindlicher auf den Verlust der Blattorgane durch Raupenfraß reagieren. Davon können bspw. Rindenbrüter wie der Eichenprachtkäfer profitieren, die nach Befall eine Erholung der betroffenen Eichen unmöglich machen. Um diese Schadenskette zu durchbrechen, bietet sich zum Schutz des Waldes unter bestimmten Konstellationen die Vermeidung des Kahlfraßes als schadauslösendes Ereignis an. Dies kann unter Einsatz von PSM gegen die Raupen aus der Luft erfolgen.

Durch das vermehrte Auftreten des EPS ist aber auch die Gesundheit von erholungsuchenden oder im Wald tätigen Menschen gefährdet, sodass unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Biozideinsatz gerechtfertigt sein kann. Sowohl der abgewogene Einsatz von PSM als auch von Bioziden stellen episodisch in Eichenwäldern sporadisch notwendige Ausnahmefälle dar. In den letzten 20 Jahren wurden zur Regulierung des EPS in der Summe 2.850 ha Waldfläche in Baden-Württemberg behandelt, das heißt jährlich 0,2% der Eichenwaldfläche (rechnerischer Reinbestand nach BWI 2012).

In dem dargestellten Fallbeispiel konnte der aufwendige und langwierige Gesamtprozess nur aufgrund der guten Zusammenarbeit und auch der frühzeitigen Einbindung aller beteiligten Akteure erfolgen. Damit wurde hier die Regulierung des EPS nach modernen Maßstäben des integrierten Pflanzenschutzes zum Erhalt der Eichenwälder und zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier erfolgreich umgesetzt.