Verbreitung und Ausbreitungswege

Das Verbreitungsgebiet des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea [L.]) erstreckt sich vom Schwarzen Meer über Süd- und Mitteleuropa bis zur Iberischen Halbinsel. 2006 wurde die Nachtfalterart zum ersten Mal auch in Grossbritannien nachgewiesen, wo sie vermutlich durch den Handel mit Pflanzen und pflanzlichen Produkten eingeschleppt wurde. In der Schweiz konzentriert sich das Vorkommen des Eichenprozessionsspinners derzeit auf kleine Befallsherde in Gebieten der West- und Nordwestschweiz sowie auf der Alpensüdseite. Weitere lokale Befallsmeldungen stammen aus dem Mittelland, dem Raum Zürich und der Nordostschweiz (Abb. 1).

In Mitteleuropa hat die Häufigkeit und Intensität des Auftretens des Eichenprozessions­spinners in den letzten vier Jahrzehnten zugenommen. Die Ausbreitung erfolgt sowohl natürlich als auch durch Verschleppungen aufgrund menschlicher Aktivitäten. Als wichtigster anthropogener Verschleppungsweg von T. processionea gilt der Handel mit Eichenjungpflanzen, auf denen allfällige Eimassen, Raupen oder Puppen leicht übersehen werden können. Ein weiterer möglicher Verschleppungsweg ist der Transport von Eichenrundhölzern mit Rinde aus Befallsgebieten des Eichenprozessionsspinners.

Biologie

Adultes Eichenprozessionsspinner-Männchen

Abb. 2. Adultes Eichenprozessionsspinner-Männchen. Die nachtaktiven Falter besitzen graue Vorderflügel mit weisser und dunkelgrauer Zeichnung, die Flügelspannweite beträgt etwa 30 Millimeter.
Der Eichenprozessionsspinner hat einen einjährigen Entwicklungszyklus. Anschliessend an die Begattung erfolgt die Eiablage auf ein- bis zweijährigen Zweigen älterer Eichen. Der Schlupf aus den Puppen und der anschliessende Flug der adulten Tiere finden zwischen Mitte Juli und Mitte September statt.
Foto: Bernd Krüger (www.bkmakro.de

Eigelege Eichenprozessionsspinner

Abb.3. Für die Eiablage in plattenförmigen Gelegen mit bis zu 200 Eiern werden freistehende Bäume oder südexponierte Waldränder bevorzugt. Der Durchmesser der Eier beträgt ungefähr einen Millimeter. Synchron mit dem Laubaustrieb der Eichen schlüpfen die Jungraupen zwischen April und Mitte Mai.
Foto: Waldschutz Schweiz

Gespinstnest Eichenprozessionsspinner

Abb. 4. Die Fressaktivität der geselligen Jungraupen erfolgt hauptsächlich tagsüber, ältere Raupen sind nachtaktiv. Während der ersten Larvenstadien ruhen die Raupen in zusammengesponnenen Blättern und Zweigen. Die typischen dichtgesponnenen Gespinstnester an Stämmen und dickeren Ästen erst ab dem fünften Larvenstadium. Foto: Beat Wermelinger

Eichenprozessionsspinner-Prozession

Abb. 5. Von diesen Gespinstnestern aus begeben sich die Raupen während der Nacht in mehrreihigen Prozessionen hinauf in die Baumkronen, ...
Foto: Josef Holzapfel

Larven des Eichenprozessionsspinner – Kahlfressen von Eichenblättern

Abb. 6. ... wo sie Eichenblätter bis auf die Blattmittelrippe kahlfressen. Ist der Laubvorrat erschöpft, wandern die Raupen gemeinsam in Prozessionen zu benachbarten Wirtsbäumen.
Foto: Christophe Bailly, INRAE

Durch Kahlfrass entlaubte Eiche

Abb. 7. Ein Befall durch den Eichenprozessionsspinner kann zum Kahlfrass der Blattmasse ganzer Bäume führen. Foto: Beat Wermelinger

Massenvermehrungen

Bei günstigen klimatischen Bedingungen und ausreichendem Wirtspflanzenangebot neigt der Eichenprozessionspinner zu Massenvermehrungen (Gradationen). Dabei kann ein bis zu zehn Jahre dauernder Gradationszyklus durchlaufen werden, der schliesslich in einem Zusammenbruch der Population endet. Die Mechanismen dieser Populationsdynamik sind allerdings noch nicht im Detail bekannt. Es wird vermutet, dass das Kollabieren der Populationen durch ein Zusammenspiel von Klimafaktoren, Ressourcenlimitationen sowie dem Aufbau von Populationen natürlicher Gegenspieler in ausreichend hohen Dichten verursacht wird.

Natürliche Feinde

Die Prozessionsspinnerarten sind in allen Entwicklungsstadien gut geschützt gegenüber natürlichen. Die Eier werden durch Haare des Muttertiers geschützt, tagsüber ziehen sich die Raupen in dichtgewobene Nester zurück, und ab dem dritten Larvenstadium werden Brennhaare ausgebildet. Zudem sind die adulten Falter gut getarnt. Trotzdem wurden für alle Entwicklungsstadien der Prozessionsspinner natürliche Feinde nachgewiesen, wobei für den Eichenprozessionsspinner nur wenige spezifische Informationen vorliegen. Untersuchungen zeigten, dass die Eigelege durch Erzwespen wie beispielsweise Anastatus bifasciatus parasitiert werden können. Als natürliche Feinde von Raupen und Puppen gelten parasitoide Raupenfliegen wie Carcelia iliaca oder Pales processioneae sowie Vertreter von Brack- und Schlupfwespen. Die beiden Puppenräuber Calosoma sycophanta (Abb. 8) und C. inquisitor gehören zu den wichtigsten Prädatoren der Raupen und Puppen. Ebenso erbeuten Generalisten wie Spinnen oder Ameisen Eichenprozessionsspinnerraupen. Unter den Wirbeltieren sind als natürliche Feinde Fledermäuse und Vögel bekannt, darunter beispielsweise der Kuckuck (Cuculus canorus) und Meisen (Paridae). Als pathogene Mikroorganismen sind das Bakterium Bacillus thuringiensis, verschiedene Mikrosporidienarten und ein Virus mit dem Eichenprozessionsspinner assoziiert. Deren Einfluss auf die Populationsdynamik ist aber grösstenteils noch unklar.

Gesundheitliche Gefahren

Die Raupen bilden zur Verteidigung ab dem dritten Larvenstadium (etwa Ende Mai) tausende winziger Brennhaare. Schon bei wenig Krafteinwirkung brechen sie ab und fallen insbesondere gegen Ende der Häutungsphasen leicht aus. Da auch Brennhaare in den Häutungsresten vorhanden sind, enthalten Gespinstnester grosse Konzentrationen davon. Die Brennhaare werden zudem mit dem Wind verfrachtet.

Bei Kontakt mit den Brennhaaren können bei Menschen und Tieren allergische Reaktionen an Augen, Haut sowie den oberen Atemwegen ausgelöst werden (Abb. 9). In seltenen Fällen kann der Kontakt mit Brennhaaren von T. processionea zu einem allergischen Schock führen.

Abb. 9. Durch Brennhaare des Eichenprozessionsspinners verursachte allergische Hautreaktionen.

Die Toxizität der Brennhaare bleibt über mehrere Jahre erhalten. Insbesondere sind daher auch alte Gespinstnester eine Gefahrenquelle. In der Umgebung von befallenen Eichen können sich die Brennhaare zudem im Bodenwuchs und Unterholz über mehrere Jahre anreichern und nach Kontakt mit Kleidern und Schuhen allergische Reaktionen verursachen.

Prozessionsspinner-Raupen, Gespinstnester und angereicherte Brennhaare können somit eine andauernde Gesundheitsgefährdung bei Bewirtschaftung und Erholungsaktivitäten in Wäldern darstellen.

Was tun bei allergischen Symptomen?

Beim Auftreten von allergischen Symptomen nach Kontakt mit Brennhaaren des Eichenprozessionsspinners rät aha! Allergiezentrum Schweiz das Aufsuchen einer Hausärztin oder eines Allergologen.

www.aha.ch
aha!infoline: +41 31 359 90 50

Erfahrungen aus der Praxis

Da befallene Eichen meist nicht im Wald, sondern in Gärten, Landwirtschaftszonen, Friedhöfen, Schulhöfen oder auf anderem öffentlichem Grund entdeckt werden, liegt die Entscheidung über mögliche Massnahmen häufig nicht in der Kompetenz der Waldschutzbeauftragten. Gemäss Aussagen verschiedener Waldschutzbeauftragter kommt es im Wald allerdings nicht zu weniger Befällen als im Siedlungsgebiet. Diese fallen jedoch weniger auf, da Gespinstnester häufig nur bemerkt werden, wenn es zu ersten allergischen Reaktionen bei Personen kommt. Aufgrund der geringeren Begehungsdichte und der häufig kürzeren Aufenthaltszeit bei Bäumen ist dies im Wald seltener der Fall als im Siedlungsgebiet.

Im Schweizer Wald erfolgt die Risikominimierung der Gesundheitsgefährdung bei Befällen durch den Eichenprozessionsspinner meistens, indem Bäume bzw. Wege abgesperrt werden und die Bevölkerung gezielt sensibilisiert wird. Nur in seltenen Fällen, beispielsweise an Waldrändern, an denen gemäht werden muss, wird T. processionea aktiv bekämpft. Im Schweizer Wald ist der Einsatz von umweltgefährdenden Stoffen grundsätzlich verboten. In Ausnahmefällen erfolgt die Bekämpfung auf Genehmigung der kantonalen Behörden mit für den Eichenprozessionsspinner und speziell für den Wald zugelassenen Mitteln.

Handlungsempfehlungen

Für die Walderhaltung und die Holzproduktion sind im Schweizer Wald aktuell keine Massnahmen nötig. Insbesondere an stark frequentierten Orten müssen Massnahmen unter Berücksichtigung der lokalen Vorgaben in Erwägung gezogen werden. Neben der Sensibilisierung der Bevölkerung mittels Informationstafeln und dem Absperren von Wegabschnitten beinhalten diese auch ein Entfernen der Gespinstnester durch spezialisierte Baumpflegeunternehmen oder öffentliche Dienste (Forstdienst, Feuerwehr). 

In Norddeutschland gestaltet sich die Situation anders. Das ausgedehnte Auftreten des Eichenprozessionsspinners hat sich dort zu einem ernsten Problem entwickelt, mitunter sind ganze Waldabschnitte befallen. Die Bekämpfung erfolgt daher häufig auch in grossem Stil unter Verwendung von Insektiziden, die mit Hilfe von Helikoptern oder Lastwagen ausgebracht werden. Alternativ wurden bei der Bekämpfung in Deutschland sehr gute Erfahrungen mit einer wasserbasierten Zuckerlösung gemacht, die als Fixiermittel gezielt eingesetzt wird. Diese Zuckerlösung fixiert sowohl die Raupen als auch die Brennhaare direkt im Gespinstnest und bildet nach dem Abtrocknen ein festes, glasartiges Gebilde. Da die Brennhaare so keine Gefahr mehr darstellen und das Produkt biologisch abbaubar ist, müssen die behandelten Nester nicht entfernt werden.

Literatur

Literaturverweise finden sich im Originalartikel (PDF).

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