Die sich rot färbenden Weißtannen (Abies alba) machen es offensichtlich: der vergangene trocken-heiße Sommer hinterließ auch an der als relativ klimatolerant geltenden Baumart seine Spuren. Die geschwächten Tannen werden anschließend von Schadorganismen wie Borkenkäfern und Weißtannenrüsslern befallen, welche letztlich zum Absterben führen.

Abb.  1: Sowohl Jungwuchs (links) als auch Alttannen (rechts) sind von den Schäden betroffen, hier Beispiele aus dem Freiburger Stadtwald (Fotos: FVA BW/Sander, 2023)

Weißtannenschäden nach Trockenjahren

Bereits in den 1940er-Jahren wurde in der Schweiz ein Zusammenhang von Trockenheit und der Massenvermehrungen von Borkenkäfern an Tannen festgestellt. Ein Blick auf die Extremsommer 2003 und 2018 und die sprunghaft angestiegenen Schadholzmengen in den Folgejahren belegen dies auch für Baden-Württemberg (Abb. 2). Dabei übertrifft der Schadholzanfall durch Insekten oftmals die reinen Dürreschäden – in den Jahren 2018 bis 2020 sogar um das Doppelte. 2019 stieg die durch Insekten verursachte Schadholzmenge in Baden-Württemberg auf über 330.000 Festmeter pro Jahr an. Das entspricht ca. 0,8 Prozent des landesweiten Vorrates an Weißtanne. Aufgrund der erneut warmen Jahre 2020 und 2022 sank sie – anders als nach dem Höhepunkt 2004 – nicht wieder auf das langjährige Durchschnittsniveau ab. Die regionalen Schwerpunkte lagen in der Vorbergzone des Schwarzwaldes, im Neckarland, am Bodensee und in Teilen der Schwäbischen Alb. Erhöhte Befallsintensitäten wurden auch in Nachbarregionen Frankreichs sowie in Österreich beobachtet.

Schäden nach Trockenjahren werden mitunter erst verzögert sichtbar, da sich Schadbilder und Insektenpopulationen erst entwickeln. Auch ein verschlepptes Management kann Ursache dafür sein, dass Schäden mit zeitlichem Versatz Eingang in die Statistik finden. Wenngleich das Jahr 2022 nicht ganz so trocken war, ist, mit den Erfahrungen aus den Jahren 2003 und 2018 sowie in Verbindung mit den aktuell beobachteten Tannenschäden, ein Anstieg der Schadholzmengen in 2023 zu befürchten. Bei fortschreitender Trockenheit muss mit einem anhaltend hohen Schadniveau über die nächsten Jahre gerechnet werden.

Welche Schadorganismen spielen eine Rolle?

Eine Reihe rindenbrütender Schadorganismen profitiert von Vorschädigungen des Wirtsbaumes durch Trockenheit (Abb. 3 und 4). Als die schadrelevantesten Arten, die sogenannten "Big Five", gelten der Krummzähnige (Pityokteines curvidens), der Westliche (Pityokteines spinidens), der Mittlere (Pityokteines vorontzovi) und der Kleine Tannenborkenkäfer (Cryphalus piceae) sowie der Weißtannenrüssler (Pissodes piceae). Daneben können auch Borkenkäferarten wie der Furchenflüglige Fichtenborkenkäfer (Pityophthorus pityographus) im Kronenmaterial und in Tannenverjüngungen vorkommen. Häufig verstärken zudem Hallimasch (Armillaria spp.) und Tannenmistel (Viscum album subsp. abietis) das Schadgeschehen.

Das komplexe Zusammenspiel dieser Schadorganismen ist noch nicht hinreichend erforscht. Es wird aber davon ausgegangen, dass der Befall typischerweise in der Krone beginnt. Dort agiert der Kleine Tannenborkenkäfer in dünnerem Astmaterial, der Mittlere Tannenborkenkäfer in gröberen Ästen. Am Kronenansatz beginnend arbeiten sich der Krummzähnige und Westliche Tannenborkenkäfer am Stamm entlang. Der Weißtannenrüssler ist, parallel oder zeitverzögert, häufig in dickborkigeren, unteren Stammbereichen zu finden.

Der Schwärmbeginn erfolgt bei den Tannenborkenkäfern bereits ab März und damit deutlich früher als beim Buchdrucker. Die Entwicklungszeit ist jedoch relativ lang ( >10 Wochen beim Krummzähnigen Tannenborkenkäfer), was die Ausbildung einer dritten Käfergeneration unwahrscheinlich macht.

Exkurs: Tannenborkenkäfer an Küstentanne, Edeltanne und Douglasie

Nicht nur an der Weißtanne sorgen die Tannenborkenkäfer für Schäden. In den vergangenen beiden Jahren traten diese, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau, zunehmend auch an anderen Baumarten in Erscheinung. Betroffen waren vor allem Küsten- (Abies grandis) und Edeltanne (Abies procera) sowie Douglasie (Pseudotsuga menziesii). Zumeist war der Westliche Tannenborkenkäfer beteiligt, zum Teil in Kombination mit dem Mittleren Tannenborkenkäfer im stärkeren Astmaterial.

Exemplarisch wurde aus dem Main-Tauber-Kreis im Norden Baden-Württembergs im Spätsommer 2022 von intensivem Käferbefall an Küstentanne und Douglasie auf mehreren Hektaren berichtet. Wie bei der Weißtanne verfärbten sich die Kronen über den Winterverlauf zunehmend rot. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) konnte den Westlichen Tannenborkenkäfer als maßgeblich schadverursachend nachweisen (Abb. 5). Neben der Trockenheit tragen Pilzbefall (Rußige Douglasienschütte, Phaeocryptopus gaeumannii) sowie die Douglasiengallmücke (Contarinia spp.) zur Vorschädigung von Douglasien bei. Stehendbefall samt Durchentwicklung und Ausbreitung ist zwar kein ganz neues Phänomen für diese Baumart in Südwestdeutschland. Bislang wurde zumeist jedoch von einem stark reduzierten Bruterfolg berichtet. In der Regel gelten die kleinen Borkenkäferarten wie Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) und Furchenflügliger Fichtenborkenkäfer, welche den Astbereich bzw. Jung- und Stangenwuchs besiedeln, als schadrelevanter für die Douglasie.

Mit Klimawandel-bedingter Zunahme an Trockenjahren steigt vermutlich auch in älteren Douglasienbeständen das Borkenkäferrisiko an. Zum einen sind vorgeschwächte Douglasien attraktiver für Schädlinge; zum anderen ist der typische starke Harzfluss, welcher sowohl erfolgreiche Einbohrversuche als auch die Brutentwicklung unterdrückt, dann reduziert.

Abb.  5: Westlicher Tannenborkenkäfer an Douglasie; links: bereits deutlich zeichnende Douglasie, Mitte: Brutbilder mit durchentwickelten Stadien, rechts: Larven und adulter Westlicher Tannenborkenkäfer im Brutbild (Fotos: Main-Tauber-Kreis/Utz, 2022)

Was ist zu tun? Managementoptionen bei Tannenborkenkäfer-Befall

Im Gegensatz zu den Fichtenborkenkäfern, speziell dem Buchdrucker, ist der Kenntnisstand zu Biologie und Befallssymptomen bei Tannenborkenkäfern noch lückenhaft. Trotzdem lassen sich aus den bisherigen Erkenntnissen und Erfahrungen Managementoptionen ableiten. Viele entsprechen im Grundsatz jenen bei Befall an Fichte. Einige wichtige Punkte weichen jedoch im Detail ab:

  • Befallsmerkmale

Bohrmehl ist zwar ein sicheres Merkmal, aber im Gegensatz zur Fichte bei diesen Baumarten deutlich schwerer zu erkennen. Ebenso können einzelne Harztropfen am Stamm im Herbst/Winter auf Überwinterungseinbohrungen hinweisen. Diese stellen isoliert noch keinen Entnahmegrund dar. Der Harzfluss kann auch durch Weißtannenrüssler verursacht sein. Eindeutiger ist die sich rot färbende Krone! Einzelne rote Äste können auf punktuellen Befall durch den Kleinen Tannenborkenkäfer hindeuten; eine Entnahme ist hier allerdings noch nicht zwingend. Erst wenn sich auch Spechtabschläge zeigen und/oder sich die Krone zunehmend verfärbt, ist der Baum nach derzeitigem Kenntnisstand durch stammbesiedelnde Arten irreparabel geschädigt und muss zum Unschädlichmachen der Käferbrut entnommen werden. Eine Sanierung erscheint, anders als beim Buchdrucker an Fichte, aufgrund der verzögerten Käferentwicklung auch bei fortgeschrittener bzw. kompletter Verfärbung vielfach noch wirksam.

  • Befallskontrollen

Empfohlen werden je nach Befallsdynamik terrestrische Kontrollen in monatlichem Abstand, mindestens jedoch zum Winterausgang (vor Schwärmbeginn im März), im Früh- und im Hochsommer sowie im Herbst. Gründe für die reduzierte Frequenz und Intensität sind die verzögerte Entwicklung der Tannenborkenkäfer im Vergleich zum Buchdrucker und die generell bessere Erkennbarkeit der Befallsmerkmale im sanierungswirksamen Zeitraum. Da reine Trockenschäden im Bestand kaum von Befallsbäumen unterschieden werden können, ist die Entnahme bei verfärbter Krone in jedem Fall die sichere Option (ggfs. Rindenprobe entnehmen zur Differentialdiagnose).

  • Sanierung

Entnommen werden sollten nur Bäume mit deutlich verfärbter Krone. Die Entrindung im weißen Käferstadium ist bei Tannenborkenkäfern ggfs. weniger wirksam, da sich die Verpuppung beim Krummzähnigen Tannenborkenkäfer einige Millimeter tief im Splintholz abspielen kann. Die Hackung von Kronenmaterial ist in Verbindung mit einer sofortigen Abfuhr der Hackschnitzel vorteilhaft, da die kleinen Tannenborkenkäferarten – ähnlich wie der Kupferstecher – sich in den Hackschnitzeln weiterentwickeln können. Die Abfuhr von Überwinterungsbäumen muss spätestens bis Ende Februar, also deutlich früher als beim Buchdrucker, abgeschlossen werden, da bereits ab März mit dem Schwärmbeginn der Tannenborkenkäfer zu rechnen ist!

Abb.  6: Schadbilder an Weißtanne: A) starker Mistelbefall; B) Wucherungen nach Reifungs-/Überwinterungsfraß des Kleinen Tannenborkenkäfers, oftmals an Astunterseiten in der Schattkrone; C) Furchenflügliger Fichtenborkenkäfer (hier zusammen mit Mittlerem Tannenborkenkäfer); D) Mittlerer Tannenborkenkäfer an Astmaterial; E) Krummzähniger oder Westlicher Tannenborkenkäfer; F) Larven zur Verpuppung im Splint; die mit hellem Bohrmehl verstopften Gänge zeigen an, dass sich die Brut noch im Stamm befindet; G) Larve des Weißtannenrüsslers, ca. 1 cm lang; H) zu spät! Altbefall durch Weißtannenrüssler; Larvengänge bis 50 cm lang; I) Hallimasch an bereits abgestorbener Tannenverjüngung
(Fotos: FVA BW/Sander, Wonsack)