Es gibt über hundert Borkenkäferarten in der Schweiz. Unter diesen verursacht der Buchdrucker (Ips typographus) den grössten wirtschaftlichen Schaden im Schweizer Wald. Er vermehrt sich bei günstigen Klimabedingungen, z. B. nach Sturm- und Trockenschäden, massenhaft. Im Jahr 2020 wurden schweizweit über 1 Million Kubikmeter Fichtenholz aufgrund von Borkenkäferbefall zwangsgenutzt. Im Hinblick auf den Klimawandel werden solche Szenarien künftig immer häufiger.

Buchdrucker im Schutzwald und die Folgen

Gerade im Schweizer Schutzwald finden sich je nach Region – vor allem im Gebirgswald – sehr viele Fichten. Je höher die Stammzahl im Schutzwald ist, desto wirkungsvoller ist die Schutzwirkung, das heisst, jeder vitale Baum ist von grosser Bedeutung. Käfernester minimieren die Schutzwirkung.

In solchen Gebieten ist es deshalb von grosser Wichtigkeit, dass Fichten schon im "Green Attack" ­– also im Frühstadium, wo noch keine offensichtlichen Symptome am Baum zu sehen sind – detektiert und umgehend aus dem Bestand entfernt werden – bevor es zur Massenvermehrung kommen kann. Nur so kann die Schutzwirkung im Schweizer Schutzwald und das traditionelle Waldbild von Fichtenbeständen ohne "grossflächigem Waldsterben" langfristig aufrechterhalten werden.

Borkenkäfermonitoring im Schweizer Wald

Durch mehrere Gespräche mit Schweizer Revierförstern zeigte sich, dass das Borkenkäfermonitoring meist vom Forstfachpersonal auf Revierbegehungen zu Fuss und im Auto durchgeführt wird. Diese Methode weist teilweise eine geringe Genauigkeit auf, ist zeitintensiv und setzt freie Kapazität von Seite des Forstbetriebs voraus. Weiter hat sich in diesen Gesprächen klar herauskristallisiert, dass diese Kapazität zunehmend abnimmt.

Deshalb gibt es schon verschiedenste Versuche den "Green Attack" mit Hilfe von Drohnen, Mikrophonen und Fernerkundungsdaten rechtzeitig zu detektieren. Keiner dieser Ansätze liefert aktuell genügend exakte Daten, deshalb werden sie in der Praxis bis anhin nicht angewendet.

In der Schweiz noch mehrheitlich unbekannt ist der Einsatz von Borkenkäferspürhunden.
Spürhunde werden seit Jahrzehnten zum Erschnüffeln unterschiedlichster Zielgerüche erfolgreich eingesetzt: Sprengstoff, Drogen, vermisste Personen oder Haustiere, medizinische Beschwerden bis hin zu seltenen Tierarten wie Kreuzkröten oder Fischotter oder Igeln bei Bauvorhaben. Auch für das Detektieren von Quarantäneschädlingen, wie der Asiatischer Laubholzbockkäfer und der Zitrusbockkäfer, werden schon seit mehreren Jahren Spürhunde erfolgreich eingesetzt. Trotzdem ist über den Einsatz von Borkenkäferspürhunden in der Schweiz noch sehr wenig bekannt, weshalb dieses Projekt einen Pilotcharakter aufweist.

Das Schweizer Pilotprojekt – Etappe 1

Eine schwedische Studie hat sich 2019 damit befasst, zwei Hunde im Winter indoor auf kommerziell erhältliche Pheromone des Borkenkäfers zu trainieren. Danach wurden die Hunde während der Borkenkäferflugzeit im Wald eingesetzt. Die Hunde konnten im Anschluss befallene Fichten sowohl im "Green Attack" Stadium wie auch im fortgeschrittenen Befall erfolgreich detektieren.

Aus diesem Grund haben wir zusammen mit Detection Dogs Schweiz GmbH in einer ersten Projektetappe (Mai 2022 bis Mai 2023) sechs Hunde auf drei wichtige Borkenkäferpheromone der "Green Attack" Phase trainiert. Im Rahmen einer Bachelorarbeit für den Studiengang Waldwissenschaften an der Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) wurden die Effizienz und Signifikanz der Spürhunde in aussagekräftigen Indoortests (doppelblinde Versuchsanordnung) geprüft.
Das Ergebnis ist vielversprechend. Die Hunde hatten eine Detektionsquote von über 99%. Von 2160 Geruchsproben wurden 2158 richtig erkannt (wobei die 2160 Proben aus 180 Pheromon- und 1’980 Verleiterproben bestanden haben; siehe Tab. 1).

Tab. 1. Die Tabelle zeigt pro Hund die richtigen Anzeigen der drei verschiedenen Pheromone Ph1, Ph2 und Ph3, sowie das richtige "Ignorieren" oder "Nicht-Anzeigen" der entsprechenden Verleitergerüche. Als Verleiter wurden Gerüche verwendet, welche auch im Wald anzutreffen sind: Pinus sylvestrisPinus strobusAbies alba, Rehgeweih und Hirschlunge.

Spürhund 

Ph1

Ph2

Ph3

Verleiter

 Falschanzeige 

Bemerkung

Oscar

10

10

10

330

0

 

Riley

10

10

10

330

0

 

Lotus

10

10

10

330

0

 

Coffee

10

9

10

329

1

Probe nebenan wurde angezeigt, war Pinus sylvatica

Skik

10

10

10

330

0

 

Brenden

10

9

10

329

1

Probe nebenan wurde angezeigt, war Abies alba

Subtotal

60

58

60

1978

2

 

Total

2156

2

 

Im Frühjahr 2023 durften wir mit unseren Spürhunden in der Ostschweiz erstmals in einem natürlichen Befall trainieren. In zwei verschiedenen Forstrevieren suchten wir vom Borkenkäfer befallene Fichten und waren u.a. in einer Verbiss-Testfläche der WSL im Einsatz. Ende Mai führten wir das erste Monitoring durch und Mitte Juni das zweite, und wir konnten einen vollen Erfolg verzeichnen. Unsere Spürhunde fanden vom Borkenkäfer frisch befallene Fichten. Dies ist der erst selbständige Realfund für unsere Borkenkäferspürhunde.

Tab. 2. Diese Tabelle zeigt die praktischen Erfahrungen, die wir in zwei Testflächen mit vermutetem, natürlichem Borkenkäferbefall machen konnten.

 

 WSL-Fläche (Verbiss-Testfläche) 

2. Fläche

Einsatz  Mai 

Hunde hatten den Zielgeruch in der Nase, konnten die Duftquelle jedoch nicht genau lokalisieren und haben sich deshalb nicht zu einer eindeutigen Anzeige durchgesetzt.

noch kein Monitoring durchgeführt

Einsatz  Juni

Hunde zeigten etwa am gleichen Ort, wie beim ersten Monitoring, einen Befall an.

Hunde zeigten keine Anzeichen von vorhandenem Borkenkäfer-Befall.

Outcome

Am Ort der Anzeige wurden gezielt Bäume kontrolliert (Schäleisen) und es wurde frischer Borkenkäferbefall entdeckt.

Bis anhin (August) ist kein Befall aufgetreten.

Unser Fazit: Die Ausbildung hat ihren Zweck erfüllt, die Spürhunde sind bereit für den Einsatz, denn sie finden Borkenkäfer bereits im Frühstadium. Im Praxistest zeigte sich, dass die Hunde den Befall schon sehr früh detektieren konnten – noch bevor der Förster überhaupt Symptome sehen konnte. Dies ist bei der wirkungsvollen Bekämpfung ein entscheidender Vorteil.

Erfahrungsbericht des Revierförsters Reto Hürlimann (Forstbetrieb Obertoggenburg AG): "Die Spürhunde haben innerhalb kurzer Zeit Interesse an gewissen Bäumen gezeigt. Nachdem wir diese auf Befall kontrollierten, fanden wir frischen Borkenkäferbefall. Der Einsatz der Hunde hat sich sehr gelohnt. Auf einer anderen Fläche zeigten die Hunde keine Reaktion bezüglich möglichem Borkenkäferbefall und bis anhin ist die Flächen dieses Jahr vom Buchdrucker verschont worden. Also auch da lagen die Hunde absolut richtig."

Einige Eindrücke von der Borkenkäfersuche unter Realbedingungen:

Spürhund bei der Suche© Hauptsach Natur

Abb. 4. Spürhund Oscar bei der Suche nach dem Borkenkäfer in der Ostschweiz. Foto: Hauptsach Natur

Förster markiert möglichen Käferbaum© Hauptsach Natur

Abb. 5. Vom Spürhund als interessant befundene Fichte wird vom Förster mit dem Forstspray markiert, um sie anschliessend auf Borkenkäferbefall zu prüfen. Foto: Hauptsach Natur

Förster untersucht gefällte Fichte auf Käfer© Hauptsach Natur

Abb. 6. Verifizieren des Befalls durch den Förster an der gefällten Fichte. Foto: Hauptsach Natur

Borkenkäferfrassgang mit Käfer© Hauptsach Natur

Abb. 7. Der gefundene, noch frische Frassgang inklusive Borkenkäfer unter der Rinde. Foto: Hauptsach Natur

Blick in die zweite Projektetappe

Nun soll in der zweiten Projektetappe (zweites Halbjahr 2023) überprüft werden: Wie sieht die Effizienz der Hunde im Realeinsatz aus – verglichen mit der alternativen terrestrischen Suche durch den Förster aus? Zudem soll aufgrund mangelnder Datengrundlage herausgefunden werden, unter welchen Bedingungen Borkenkäferspürhunde eine sinnvolle Ergänzung zum Borkenkäfermonitoring durch das Forstfachpersonal sind. Da es in der Schweiz zurzeit noch keine praktischen Versuche und wissenschaftliche Arbeiten dazu gibt, handelt es sich hier um ein Pilotprojekt. Wir erwarten, dass wir die ersten Ergebnisse Ende 2023 veröffentlichen können.

Innerhalb dieses Projektes haben Studierende der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) die Möglichkeit, ihre Hochschularbeiten zu schreiben. Die in diesem Projekt beteiligten Spürhundeteams sind alle Mitglieder des vom Bund anerkannten Verband Spürhundewesen Schadorganismen Schweiz

Mit dem Einsatz von Borkenkäferspürhunden verfolgt dieses Pilotprojekt folgende Wirkungsziele:

  • Für die Forstwirtschaft: Die Frühdetektion des Borkenkäferbefalls in bekannten Hotspot-Beständen wird für den Forstbetrieb erleichtert.
  • Für die Bevölkerung: Die Schutzwirkung von Schutzwäldern mit hohem Fichtenanteil wird langfristig erhalten.
  • Für die Landschaft: Der landschaftsprägende und typische Fichten-Gebirgswald bleibt in den Voralpen und Alpengebieten länger bestehen.
  • Für die Regionalwirtschaft: Die regionale Schweizer Forstwirtschaft wird gegenüber ausländischen Holzimporten konkurrenzfähiger.
  • Für die Wissenschaft: Es werden wissenschaftliche Grundlagen zum Einsatz von Spürhunden im Borkenkäfer-Frühbefall erarbeitet.

Das Projekt wird von "Hauptsach Natur" geleitet, einem jungen Verein, welcher sich direkt und mit Hilfe von Spürhunden für die Natur einsetzt. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Webseite Hauptsach Natur.

Literatur: Johansson A, Birgersson G & Schlyter F, 2019. Using synthetic semiochemicals to train canines to detect bark beetle–infested trees. Annals of Forest Science 76, 58 (2019). https://doi.org/10.1007/s13595-019-0841-z