Während des verheerenden Hochwassers vom 21. bis 23. August 2005 kamen sechs Menschen ums Leben und es entstanden insgesamt Schäden in der Höhe von rund 3 Mrd. Franken. Damit übertrifft es deutlich alle anderen Naturereignisse seit 1972, dem Beginn der systematischen Erfassung der Unwetterschäden. In der Schweiz war der gesamte Alpennordhang zwischen der Sarine und dem Alpenrhein betroffen. Zehntausende Kubikmeter Schwemmholz haben in den Flüssen und Seen bis weit ins Mittelland hinaus Probleme verursacht.

Das Ereignis hat viele Fragen zur Bedeutung des Waldes entlang von Gewässern aufgeworfen. Auf der einen Seite erbringt der Wald eine schützende Wirkung gegenüber Erosion, Rutschungen und Hochwasser, andererseits verursacht das Schwemmholz erhebliche Schäden. Kritiker machten denn auch nach dem Hochwasser von 2005 Vorwürfe an die Adresse des Forstdienstes: Das liegen gelassene Holz, die mangelhafte Räumung nach dem Orkan "Lothar" und Borkenkäferschäden seien die Ursachen für die grossen Mengen Schwemmholz gewesen.

Die Schutzwaldpflege – wichtiger Teil der Gefahrenprävention

Das Ereignis vom August 2005 war Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Die Ergebnisse wurden in einer ausführlichen Ereignisanalyse publiziert (siehe "Weiterführende Literatur" im Originalartikel). Aus heutiger Sicht können die daraus gewonnenen Erkenntnisse zum Einfluss des Waldes und zum Schwemmholz folgendermassen zusammengefasst werden: Der Wald kann Hochwasserereignisse nicht verhindern.

Die Schutzwaldpflege ist jedoch ein Beitrag zur Reduktion der Schäden und Bestandteil eines integralen Risikomanagements. Zusammen mit dem Unterhalt der Gewässer und raumplanerischen Massnahmen ist die Schutzwaldpflege ein wichtiger Teil der Gefahren-Prävention. Im Umgang mit den Naturgefahren gibt es keine absolute Sicherheit – es bleibt immer ein Restrisiko vorhanden. Bei der Ausscheidung von Schutzwäldern entlang von Fliessgewässern und bei der Umsetzung von waldbaulichen Massnahmen stellen sich für die forstliche Praxis zahlreiche Fragen, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

Was sind gerinnerelevante Schutzwälder?

Zur Beantwortung der Frage ist das Gefahren- und Schadenpotenzial entlang eines Fliessgewässers sowie die Wirkung des Waldes zu beruteilen. Es werden diejenigen Bäche identifiziert (relevante Gerinne), die ein gefährliches Potenzial für Geschiebe- und Schwemmholztransport aufweisen und auf ein Schadenpotenzial treffen. Dieses wird dabei weitgehend durch die Besiedlung beziehungsweise die Raumplanung (Zonenplan) sowie bauliche Massnahmen, zum Beispiel Brücken und Durchlässe, bestimmt. Die Beurteilung der einzelnen Gewässer stützt sich auf Gefahrenhinweiskarten und frühere Ereignisse. Sie erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen wasserbaulichen und forstlichen Stellen. Der Kanton Luzern beispielsweise hat im Rahmen seines Projektes "Nachhaltiger Schutzwald entlang von Fliessgewässern" (NASEF) den Wald mit gerinnerelevanter Schutzfunktion ausgeschieden.

Die Wirkung des Waldes in Gerinnenähe muss differenziert betrachtet werden. Einerseits erbringt der Wald eine schützende Wirkung gegenüber den Gefahrenprozessen, andererseits können umgestürzte Bäume zur Gefahr werden. Die nebenstehende Darstellung (Abb. 2) gibt einen schematischen Überblick über die Zusammenhänge.

Wirkung des Waldes entlang von Gerinnen: Schutz oder Schaden?

"Der Wald beeinflusst den Wasserhaushalt"

Der Wald hat bei Starkniederschlägen eine indirekte Wirkung auf den Wasserabfluss, indem er die Bodeneigenschaften beeinflussen kann. Die Wurzeln der Bäume schaffen ein verästeltes und je nach Baumart ein tief reichendes Hohlraumsystem im Boden. Dadurch vergrössert sich das Speichervolumen für Niederschlagswasser, der Wasserabfluss wird verzögert und die Hochwasserspitze gebrochen. Diese Wirkung des Waldes ist abhängig vom Bewaldungsanteil im Einzugsgebiet, den Baumarten, von den lokalen Bodeneigenschaften und auch vom Verlauf eines Niederschlagsereignisses. Der quantitative Einfluss des Waldzustandes beziehungsweise der Einfluss der Waldpflege in einem Einzugsgebiet auf den Wasserabfluss (hydrologische Wirkung des Waldes) bei extremen Niederschlägen ist aber noch wenig bekannt. Der Hochwasser-Schutzwald ist deshalb noch nicht Gegenstand der Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen zur Schutzwaldpflege.
 

"Der Wald reduziert die Erosion"

Bäume stabilisieren die Uferböschungen und Gerinneeinhänge. Die Wurzeln der Bäume wirken wie eine Armierung für das Bodenmaterial und reduzieren die Gefahr von Erosion und Rutschungen. Besonders wirksam ist der Wald bei flachgründigen Rutschungen (bis ca. 2 m Tiefe). Wenn der Gleithorizont tiefer beziehungsweise ausserhalb des Wurzelbereiches liegt, ist die Wirkung des Waldes geringer und in Tiefen ab 10 m nicht mehr direkt nachweisbar. Wenn Bäume, zum Beispiel wegen mangelnder Pflege, von selbst umstürzen, können die dabei entstehenden Bodenverletzungen zu verstärkter Erosion führen.
 

"Im Bach verkeilte Stämme können Stauungen verursachen"

Wenn Bäume in einen Bach stürzen, können sie vom "Nützling" zum "Schädling" werden. Bei Hochwasser werden selbst gesunde Bäume unterspült und mitgerissen. Auch im Bach liegende Stämme und Wurzelstöcke, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, können mitgeschwemmt werden. Dieses in den Gewässern mitgeführte Holz wird als Schwemm- oder Wildholz bezeichnet.
Wenn sich ein mitgeführter Baum in einer Verengung oder an einer Brücke verkeilt, bleibt oft weiteres Material hängen – es entsteht eine Verklausung. Wasser und Geschiebe stauen sich auf. In der Folge kann es zu verstärkter seitlicher Erosion oder beim Aufbrechen einer Verklausung sogar zu einem Murgang mit Überschwemmung kommen. An vielen Bächen gibt es anstelle von Brücken nur Durchlassrohre. Hier genügen oft kleine Holzstücke, um eine Verstopfung und einen Ausbruch des Baches zu verursachen. Schwemmholz verstärkt beim Transport die Ufererosion und verursacht Schäden an Bauten und Anlagen entlang von Flüssen und Seen.
 

"Nicht jeder Stamm im Bach ist gefährlich."

Totes Holz in einem Bach bildet einen wertvollen Lebensraum für Kleinlebewesen und Amphibien. Es hat auch eine wichtige Brückenfunktion zwischen den einzelnen Biotopen des Ökosystems. Dies gilt insbesondere für langsam fliessende Gewässer, die dauernd Wasser führen und weniger für eigentliche Wildbäche mit starkem Geschiebetransport. In einem intakten Fliessgewässer gehören die Prozesse Eintrag, Transport, Ablagerung und Abbau von Totholz zur natürlichen Gewässerdynamik.

Schwemmholz: Geht der Wald den Bach hinunter?

Die Quellen, die Zusammensetzung und die Transportfähigkeit von Schwemmholz wurden in verschiedenen Studien untersucht. Am Beispiel von zehn Bächen wurde der Zusammenhang zwischen ufernahen Bestockungen und dem Schwemmholzvorkommen in Wildbächen untersucht. Die Auswertungen weisen darauf hin, dass bei grösserer Bestandesstabilität das Schwemmholzvorkommen kleiner ist. Hingegen konnte bei den Bestandesmerkmalen Vorrat, Laubholzanteil und Bestandesstruktur kein erheblicher Einfluss erkannt werden.

Vier der Bäche wurden sowohl vor als auch nach den Unwettern vom August 2005 untersucht. Die Beobachtungen zeigten, dass die Niederschläge in den einzelnen Einzugsgebieten zu einem zusätzlichen Eintrag von Geschiebe und Holz ins Gerinne führten. Für die kleineren Einzugsgebiete war jedoch die Niederschlagsintensität im August 2005 Vielerorts zu gering, so dass der Wasserabfluss keinen erheblichen Transport des Schwemmholzes auszulösen vermochte. Damit stieg die Menge des Schwemmholzes in den untersuchten Bächen an, das dann bei einem zukünftigen Starkniederschlag zu Problemen führen kann.

Das Schwemmholz, das in den Flüssen und Seen oder sogar im Mattequartier der Stadt Bern Probleme verursacht hatte, stammte hauptsächlich aus Uferbestockungen und nicht aus den Einzugsgebieten der Bergbäche (Ereignisanalyse Hochwasser 2007).

Es ist sehr schwierig, allgemein gültige Folgerungen aus den Beobachtungen zu ziehen. Die Prozesse, die zum Holzeintrag ins Gerinne und schliesslich zum Schwemmholztransport führen, sind sehr vielfältig und vom Verlauf und der Intensität der Niederschlagsereignisse abhängig.

Mit waldbaulichen Massnahmen kann die Schwemmholzbildung nicht verhindert werden. Die Schutzwaldpflege leistet jedoch zusätzlich zum Erosionsschutz einen Beitrag zur Reduktion der Schwemmholzmenge. Der Umgang mit dem Schwemmholz ist somit Bestandteil der wasserbaulichen Massnahmenplanung.

Schutzwaldpflege ist eine biologische Massnahme und gehört zur Gefahrenprävention. Prävention kann nur wirksam sein, wenn der Zustand der Wälder und der Gerinne als "Gesamtpaket" betrachtet und nachhaltig gepflegt wird. Die Planung und Umsetzung der Massnahmen entlang der Gewässer muss deshalb in enger Absprache zwischen Wasserbau, Forst, Gemeinde und Waldeigentümer erfolgen.

Ziel: Hoher Schutz vor Erosion, kleines Schwemmholz-Potenzial

Das Ziel der waldbaulichen Massnahmen besteht darin, den Wald in einen Zustand zu bringen, der einen hohen Schutz vor Erosion und Rutschungen gewährleistet und gleichzeitig ein geringes Potenzial für Schwemmholz aufweist. Damit sinkt das Risiko für Verklausungen und lokale Überschwemmungen und bei extremen Hochwassern gelangt weniger Holz bis in die Flüsse und Seen.

Grundsätzlich gelten die Anforderungsprofile nach NaiS (Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald). Diese Anforderungsprofile setzen sich zusammen aus den Anforderungen aufgrund der Naturgefahrenprozesse Rutschung und Erosion und des Standortes. NaiS enthält jedoch für das Vorgehen im unmittelbaren Gerinnebereich wenig konkrete Hinweise. Der Kanton Luzern hat für diesen Bereich die Entscheidungshilfe NASEF erarbeitet.

Bachläufe individuell beurteilen

Schutzwaldpflege an Bachläufen erfordert ein sorgfältiges Unterscheiden zwischen "nützlichen" und "gefährlichen" Bäumen. Die Herleitung der Massnahmen erfolgt gestützt auf die Wegleitung NaiS und die Entscheidungshilfe NASEF, die als Ergänzung zu NaiS angewendet werden kann (Abb. 5). Diese Grundlagen helfen, das Vorgehen zielorientiert und nachvollziehbar festzulegen. Die aufgelisteten Massnahmen bilden eine Orientierungshilfe.

Für jeden Bach muss die praktische Umsetzung jedoch individuell erfolgen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen schief stehende, besonders exponierte oder unterspülte Bäume. Entlang von Gerinnen ist als Erosionsschutz auch Pioniervegetation willkommen. Bäume, die bereits umgestürzt sind, müssen verankert oder aus dem Hochwasserbereich entfernt werden. Die Frage, ob das Holz im Gerinne zerkleinert werden kann, hängt von der Situation weiter unten im Gerinne ab. Es ist sehr schwierig, das Verhalten eines Baches bei Hochwasser zu beurteilen, insbesondere seine Fähigkeit Holz zu transportieren. Deshalb ist jeder Entscheid für eine Massnahme mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden. Bauliche Fehler im Siedlungsgebiet können nicht durch waldbauliche Massnahmen im Einzugsgebiet des Baches kompensiert werden.

Die Reduktion der Schwemmholzmenge und die Förderung des Erosionsschutzes an einem Bach erfordern einen nachhaltigen Unterhalt. Wiederholte, zielgerichtete Eingriffe sind deshalb zweckmässiger als einmalige grosse Räumungen. Damit wird auch dem ökologischen und ästhetischen Wert der Wälder entlang von Bächen Rechnung getragen. Die Frage der Eingriffsstärke hängt wesentlich von den Rahmenbedingungen für die Holzernte und Vermarktung ab. Aus waldbaulicher Sicht gibt es entlang von Bächen meistens einen erheblichen Handlungsspielraum. Die Eingriffsstärke muss, unter Berücksichtigung von NaiS, für jeden Einzelfall optimiert werden. Im Schutzwald sind letztlich nicht die Kosten pro Kubikmeter, sondern die Kosten pro behandelte Fläche massgebend. Damit verlagert sich der Fokus auf die Wirksamkeit der Massnahme zur Verbesserung des Schutzes gegenüber den Gefahrenprozessen.

 

(TR)