Technische Rationalisierung und biologische Automation im Forstbetrieb

In unseren Wäldern fahren und arbeiten immer mehr Harvester. Viele Forstleute betrachten sie mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist dieses schnell arbeitende Industrieprodukt leistungsfähig. Die präzise arbeitende Technik samt elektronischer Datenverarbeitung wird von einer abgekapselten, beinahe zimmerartigen Kabine aus bedient. Andererseits ist die Frage zu stellen, wie sich der Einsatz dieser Maschinen mit der Langfristigkeit des Waldwesens und der Empfindlichkeit des Ökosystems Wald vereinbaren lässt. Wird damit nicht erneut der forstliche Konsens, naturnah zu wirtschaften, in Frage gestellt?

Diese Fragen können nicht schnell und einfach mit ja oder nein beantwortet werden, selbst wenn man nur direkte Holzerntekosten berücksichtigt. Zum einen ergibt sich ein erheblicher Unterschied, ob man Einzelbäume, Bestände oder ganze Wälder untersucht (Skalenniveau der Betrachtung). Zudem variieren die forstlichen Rahmenbedingungen sehr stark und es gibt fließende Übergänge (Baumartenzusammensetzung, Nutzungssätze, Lohnniveau etc.). Schließlich erschwert die technische Weiterentwicklung Prognosen für forstliche Produktionszeiträume. Im Folgenden werden schlaglichtartig und begrenzt auf ausgewählte Aspekte einige Ergebnisse und Folgerungen aus Studien an der TU München vorgestellt.

Wirkung von Baum- und Hiebsmerkmalen auf die Leistung des Harvesters

Der Zeitbedarf für das Fällen und Aufarbeiten eines Baumes steigt mit dem Volumen der Entnahmebäume etwas stärker als linear an. Daraus folgt zwangsläufig ein Produktivitätsoptimum, das zur Zeit im Nadelholz bei einem mittleren Baumvolumen von etwa einem Festmeter liegt. Abb. 1 zeigt den typischen, unter Praxisbedingungen für selektive Eingriffe wiederholt beobachteten Verlauf des Zeitbedarfs pro Festmeter bzw. der Produktivität abhängig vom Baumvolumen, einer wichtigen, aber keineswegs der einzigen Einflussgröße.

Im Schwachholz nimmt der Zeitbedarf pro Festmeter drastisch zu. Naturnahe Waldwirtschaft profitiert demnach einerseits auch bei Einsatz von Harvestertechnik davon, dass ein niedrigerer Anteil an schwachem Holz angestrebt wird. Andererseits geraten selbst stärkere Harvester in der Endnutzung noch an technische Grenzen.

Starkes und zwieseliges Laubholz bereitet dem Harvester erhebliche Probleme (Guglhör und Weixler 1995). Ungünstig wirken sich im Einzelbestand hohe Vorausverjüngungen aus (Gunnarsson, Hellström 1992). Kleine Hiebsanfälle erhöhen nicht nur die Umsetzkosten pro Festmeter für die Anfahrt zum Hieb, sondern bei niedrigen Eingriffsstärken auch die Fahrstrecke pro Baum.

Holzerntekosten im nachhaltig genutzten Wald

Wie stellen sich zunächst die reinen Holzerntekosten für nachhaltig nutzbare Fichten-Buchen-Reviere dar? Die Flächenzusammensetzung nach Nutzungsarten (Jungbestandspflege, Jungdurchforstung, Altdurchforstung, Verjüngungsnutzung bzw. JP, JD, AD, VJ) hängt erheblich von der Langfristigkeit der Verjüngung ab. Langfristige Verjüngung unter Schirm führt zwangsläufig zu einem hohen Anteil an Verjüngungsbeständen. Jungbestandspflegeflächen werden reduziert. Um dies zahlenmäßig zu beschreiben, sei der VJ-Quotient eingeführt. Er gibt den prozentualen Flächenanteil der Verjüngungsnutzung (VJ) an der Summe der Flächen der Verjüngungsnutzung und der Jungbestandspflege an. Er steigt umso mehr, je langfristiger verjüngt wird. Außerdem nimmt der Anteil an Vorausverjüngung unter Schirm überproportional zu.

Ein System aus Gleichungen erlaubt es nun, in bestimmtem Rahmen für beliebig viele Waldzusammensetzungen aus Arbeitsvolumina Holzerntekosten frei Waldstraße zu berechnen. Tabelle 1 zeigt einige Eckwerte des hier kalkulierten Fallbeispiels. Die angegebenen Obergrenzen des mittleren Baumvolumens für Harvesterhiebe entsprechen etwa den Möglichkeiten der stärksten heute verfügbaren Maschinen (es kommen dann Einzelbäume bis ca. zum Doppelten dieser Werte vor).

Jeder Wald ist von einer bestimmte Häufigkeitsverteilung der Baumvolumina gekennzeichnet. Sie hängt insbesondere von der Langfristigkeit der Verjüngung ab (VJ-Quotient). Das Baumvolumen-Niveau von 100 % beschreibt dabei die Wälder der beobachteten bayerischen Forstreviere. Nun können die Bäume aber auch bei gleichem VJ-Quotienten durchschnittlich stärker oder schwächer sein. Deshalb wird vorgeführt, wie die Kalkulationsergebnisse auf eine Extrapolation des Baumvolumen-Niveaus zwischen den Extremwerten 80 % und 180 % reagieren (schwächere bzw. stärkere Bäume in den Beständen). Das Ergebnis dieser Kalkulation führt zu einer "Landschaft" der Holzerntekosten wie sie in Abb. 3 wiedergegeben ist.

Zwei Minima der Holzerntekosten treten auf, die von einem "Berg" höherer Holzerntekosten getrennt sind. Minimum 1 ist durch fast ausschließlich hochmechanisierte rasche Abnutzung und eher schwächeres Holz gekennzeichnet, Minimum 2 durch sehr langfristige Verjüngung und äußerst starkes Holz mit großteils motormanueller Fällung und Aufarbeitung.

Beim derzeitigen Stand der Technik ist der Einsatz leistungsfähiger Harvester zwar auch in der Endnutzung möglich, aber immer noch technisch begrenzt, was ausgerechnet beim Baumvolumen-Niveau 100 % zu einem "Holzerntekostengipfel" bei langfristiger Verjüngung führt.

Organisatorische Faktoren, die Häufigkeit der Wiederkehr von Eingriffen und damit die Eingriffsstärke jeder Maßnahme sowie die Umsetzkosten wirken ebenfalls deutlich auf die Holzerntekosten. Im Fallbeispiel ist einheitlich ein Eingriff pro Jahrzehnt mit durchschnittlich 1.000 Festmetern pro Hiebsmaßnahme angenommen.

Addiert man nun Kosten für Bestandsbegründung und Pflege (EKS 30 und 31) hinzu, so ergibt sich, dass auch bei Baumvolumen-Niveau 100 % die Zielsetzung einer naturnahen Waldwirtschaft mit einem sehr hohen VJ-Quotienten am kostengünstigsten zu verwirklichen ist. In Abb. 4 ist dies in der 3D-Landschaft an den "Höhenschichtlinien" gut zu erkennen.

Folgerungen

Vor dem Harvester war die Holzernte im langfristig verjüngten Wald am kostengünstigsten. Schwächere und nur in der Vornutzung eingesetzte Harvester haben eine nivellierende Pufferwirkung auf die Holzerntekosten.

Technische Weiterentwicklung kann sich je nach Entwicklungsstufe durchaus in unterschiedlicher Richtung auswirken. Mit heutigen Starkholzharvestern existieren zwei Minima in der Holzerntekostenlandschaft forstlicher Konzepte: Der "mäßig starke, rasch abgenutzte Altersklassenwald" und der "überstarke, sehr langfristig verjüngte Wald".

  • Rasche Abnutzung profitiert von den heutigen Starkholzmaschinen offenbar stärker als langfristige Verjüngung. Möglicherweise begünstigen noch stärkere "Zukunftsharvester" wieder die sehr langfristige Verjüngung.
  • Für den Einsatz von Waldarbeitern mit Motorsäge ist ein Wald mit sehr langfristiger Verjüngung und sehr starkem Holz am günstigsten.
  • Auf ausreichend große Hiebe, gute Organisation und Logistik ist auch bei naturnaher Waldwirtschaft zunehmend zu achten. Fehler können hier in Jahrzehnten mühsam erarbeitete waldbauliche Vorteile finanziell wieder zunichte machen.
  • Bei der Zielsetzung naturnaher Waldwirtschaft gilt die Devise Jungbestandspflege zu vermeiden (biologische Automation). Die Vorteile langfristiger Verjüngung können Nachteile in den Holzerntekosten noch ausgleichen.

Wie sich kombinierte Verfahren im Starkholz auswirken, ist zur Zeit noch nicht klar. Zudem kann die Einführung einer neuen Holzerntetechnik vom schwächeren Ende her regelmäßig zu solch wellenartigen Veränderungen der Holzerntekosten führen.

Die angestellten vereinfachenden Betrachtungen weisen auf dringenden Forschungsbedarf zur Analyse des dynamischen Verhaltens solcher Natur-Mensch-Technik-Systeme hin. Untersucht werden sollten neben der schwer zu prognostizierenden Erlössituation (Starkholzfrage) Effekte der statistischen Streuung, Auswirkungen unterschiedlicher Stabilität der Bestände, die Gestalt der technischen Nischen, aber auch die Bedeutung des Entscheidungsverhaltens der beteiligten Menschen.

Literatur

Guglhör, W.; Weixler, H. (1995): Pflegliche Durchforstung mit Holzerntemaschinen. Abschlußbericht zum Projekt V25. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (unveröffentlicht), 60 S.

Gunnarsson, P.; Hellström, C. (1992): Bestånd med underväxt rätt åtgard på rätt plats sänker kostnaderna. Forskningsstiftelsen Skogsarbeten. Redogörelse 1. 1992, S. 65 – 68

Pausch, R.; Röder, H. (1997): Objektive Beschreibung von Waldbewirtschaftungsformen durch die Formale Begriffsanalyse. In: Entwicklungen in der Arbeitswissenschaft, Verfahrenstechnik und Angewandten Informatik. Forstliche Forschungsberichte München 165, S. 136 – 149

Pausch, R.; Ponitz, K. (2002): Harvesterleistung und Hiebsbedingungen. Forst und Technik 4, S. 10 – 14

Pausch, R. (2002): Ein System-Ansatz zur Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Waldstruktur, Arbeitsvolumina und Kosten der technischen und biologischen Produktion in Forstrevieren ost- und nordbayerischer Mittelgebirge. Dissertation TU München