Aktuell stellt sich die Waldschutzsituation beim Southern pine beetle (Dendroctonus frontalis)in den Kiefernwäldern im Süden der USA zwar entspannt dar. Tatsächlich verfügt diese Käferart jedoch über ein historisch wiederholt belegtes geradezu explosives Gefährdungspotential. Dieses lässt sich allerdings durch frühzeitig und energisch eingeleitete Gegenmaßnahmen dämpfen.

Der Southern pine beetle (SPB) ist eigentlich die einzige Borkenkäferart, die im Osten der USA nennenswerte Schäden verursacht. Die Hauptbefallsgebiete liegen vor allem im Südosten, wobei dort mit der Loblolly pine (Pinus taeda; "Weihrauch-Kiefer") und Shortleaf pine (Pinus echinata) vor allem Vertreter der hochproduktiven Southern pine Kiefernarten befallen werden. Außerdem tritt die Käferart auch noch im Südwesten der USA auf. Im Vergleich zum Osten ist dieser Befallsbereich jedoch deutlich weniger bedeutsam. Im Mittel der Beobachtungsperiode von 1998-2013 entfielen lediglich rund 2 % der kartierten Befallsflächen auf den Südwesten und die dort vom Käferbefall betroffenen Kiefernwälder sind nur wenig produktiv.

Überhaupt: die für den SPB kartierten Schadflächen umfassten in der jüngeren Vergangenheit nur sehr geringe Flächen. Der Vergleich mit der Größenordnung der durch andere Dendroctonus-Arten aktuell verursachten Schadflächen (s. a. Die gefährlichsten Borkenkäfer in den USA) könnte daher leicht den Eindruck erwecken, dass dieser Borkenkäfer wirtschaftlich unbedeutend sei. Diese Einschätzung wäre allerdings ein gravierender Irrtum. Vielmehr ist in Dokumentationen schon seit langem – trotz der Schwierigkeiten bei der Interpretation älterer Quellen – das enorme Schadpotential des SPB offenkundig (Abb. 1).

Die Geschichte dokumentierter Störungen reicht weit zurück (USDA 1987). Wiederholte Massenvermehrungen sind bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannt. Die erste quantitativ dokumentierte Massenvermehrung Ende des 19. Jahrhunderts betraf eine Waldfläche von knapp 20 Mio. ha. Besonders schädliche Massenvermehrungen liefen in folgenden Perioden ab: 1971-76 (im gesamten Süden), 1979-80 (Schwerpunkt Piedmont) und 1981-86 (Schwerpunkt Texas).

Tatsächlich ist damit der SPB neben dem Mountain pine beetle wohl diejenige Borkenkäferart mit dem größten wirtschaftlichen Schadpotential in Nordamerika. Während der Mountain pine beetle jedoch vor allem vergleichsweise weniger produktive Drehkiefern-Wälder befällt, betrifft der Befall durch den SPB schwerpunktmäßig hochproduktive Kiefernwälder und ist dadurch regelmäßig mit außerordentlich hohen wirtschaftlichen Verlusten in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe (US-$) verbunden (Abb. 2).

Das besondere Schadpotential des SPB beruht auf seinem außerordentlichen Vermehrungspotential. Unter günstigen Umweltbedingungen können bis zu sieben überlappende Generationen in einem Jahr auftreten. Nach Perioden, in denen der Käfer kaum in Erscheinung tritt, kann es nahezu aus dem Nichts zum explosionsartigen Anstieg ausgedehnten, aggressiven Stehendbefalls kommen. Der SPB ist daher die Borkenkäferart, die – weltweit gesehen – wahrscheinlich am häufigsten Ziel energischer Bekämpfungsmaßnahmen ist (Billings 2011). Und auch bei dieser Borkenkäferart sind steigende Anteile stärker dimensionierter Kiefern dem Befall förderlich, da sie wesentlich besseres Brutsubstrat bieten als schwächer dimensionierte Bäume (Clarke und Billings 2003, Billings und Varner 1986).

Ein besonders plakatives Beispiel zum eruptiven Schadpotential des SPB, den Möglichkeiten zur Eindämmung des Befalls beziehungsweise zu den Folgen eines Bekämpfungsverzichts liefert der Vergleich der Massenvermehrung des SPB in den 1980er Jahren in den Waldgebieten von "Four Notch" und "Huntsville State Park".

Four Notch und Huntsville State Park – eine Fallstudie

Die beiden Waldgebiete liegen in unmittelbarer Nachbarschaft (Entfernung knapp zwanzig Kilometer) in Ost-Texas nahe Huntsville. Beide Gebiete zeichneten sich anfangs der 1980er Jahre, vor der SPB-Massenvermehrung, durch hohe Anteile älterer Altersklassen aus, aufgrund derer von einer deutlichen Prädisposition für Befall durch den SPB auszugehen war (Tab. 1).

Four Notch

Gerade aufgrund seines für Wirtschaftswälder dieser Region ungewöhnlich hohen Anteils an älteren Entwicklungsphasen war dieses im Sam Houston National Forest gelegene Waldgebiet seinerzeit aus naturschutzfachlichen Überlegungen für Überführung in eine "Wilderness area" ins Auge gefasst und beplant worden. Bereits im Sommer 1982 sowie im folgenden Frühjahr 1983 waren mehrere, kleinere SPB-Befallsherde identifiziert worden. Trotz dringenden Anratens der Waldschutzexperten des USDA Forest Service wurde jedoch – aus naturschutzfachlichen und forstpolitischen Gründen – von Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der sich im Lauf des Sommers rasch ausweitenden Befallsfläche abgesehen. Dabei wurde unter anderem auch spekuliert, dass Bekämpfungsmaßnahmen möglicherweise gar keinen wirksam Einfluss auf den Verlauf von Borkenkäfer-Massenvermehrungen haben könnten. Außerdem wurden Erwartungen einer Selbstregulierung durch eine ungestörten Eigendynamik geäußert. Die eindringlichen Beschreibungen und Bilder (Abb. 3) des Entomologen Ronald F. Billings (Billings und Varner 1986) geben die Chronologie der Ereignisse in "Four Notch" wieder und lassen die ungeheure Dynamik der sich seinerzeit entwickelnden, ungebremsten SPB-Massenvermehrung erahnen:

Im Lauf des Sommers dehnten sich die Befallsherde rasch aus und verschmolzen zum Teil miteinander. Im August dehnte sich der größte Herd (500 ha) auf einer Front von knapp sechs Kilometern Länge mit der Geschwindigkeit eines langsam brennenden Feuers weiter aus: um 10 - 20 m pro Tag! Als dann auch noch in angrenzenden Wäldern anderer Besitzer immer zahlreichere Befallsherde auftraten, wurden dann ab September schließlich doch energische, aber höchst aufwendige Gegenmaßnahmen zur wirkungsvollen Eindämmung des Befalls ergriffen. Mit Abschluss der Gegenmaßnahmen bilanzierte sich dann der ungünstige Impakt durch Befall und Gegenmaßnahmen in Four Notch auf gut 1.500 ha Waldfläche; schwerpunktmäßig waren davon vor allem die reiferen Altersphasen betroffen.

Huntsville State Park

Dieser State Park ist ein gut frequentiertes Erholungsgebiet, liegt keine 20 Kilometer von Four Notch entfernt und umfasst mit gut 700 ha ebenfalls eine substanzielle Waldfläche. Ähnlich Four Notch dominierten auch hier vom SPB bevorzugte Kiefernwälder in reiferen Altersklassen. Hinsichtlich der Gefährdung durch SPB-Befall waren die Bedingungen noch kritischer als in Four Notch. Kontrollflüge im Gradationsjahr 1984 zeigten, dass in der Initialphase eine höhere Dichte an Befallsherden vorlag als in Four Notch. Erschwerend kam hinzu, dass aufgrund eines Hurricanes im Vorjahr über das gesamte Gebiet hinweg verstreute sturmgeschädigte Bäume vorhanden waren, die dem SPB besonders gut geeignete Bruthabitate bieten.

Im Gegensatz zu Four Notch wurden jedoch sofort wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Befalls ergriffen (Billings und Varner 1986). Insgesamt summierte sich der Impakt durch Befall und Gegenmaßnahmen auf knapp 30 ha Waldfläche. Damit waren im Huntsville State Park lediglich knapp 10 % der Waldfläche im Lauf der Gradation in Mitleidenschaft gezogen worden. Ein Bruchteil des von der ungebremsten Massenvermehrung in Four Notch beeinträchtigten Flächenanteils (>50%).

Aufgrund dieser und anderer Erfahrung besteht aller Grund zur Annahme, dass auch in "Four Notch" der Käferbefall durch frühzeitig eingeleitete Gegenmaßnahmen (Billings 2011) wohl effektiv hätte gebremst werden können, ohne dass größere Altholzbereiche des Gebietes strukturell in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Ironischerweise hatte somit wohl gerade der schwerpunktmäßig aus naturschutzfachlichen Erwägungen erzwungene Verzicht auf rasche und wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu einer so starken Beeinträchtigung der als wertvoll erachteten strukturellen Charakteristika des Waldgebiets geführt, dass weitere Planungen hinsichtlich einer Überführung von "Four Notch" in ein Wildnisgebiet aus naturschutzfachlichen Erwägungen eingestellt wurden (Carter et al. 1991, Billings und Varner 1986).

Nach dem Desaster wurden daher anstelle des zwischenzeitlich ungeeigneten "Four Notch" Gebietes im Jahr 1984 in Ost-Texas in fünf weniger stark von SPB beeinträchtige Waldgebieten ausgedehnte Flächen an Wirtschaftswald zu Wildnisgebieten gewidmet (insgesamt ca. 14.000 ha). Auch die naturschutzfachliche Auswahl dieser Waldgebiete basierte auf ihren ungewöhnlich hohen Anteilen älterer Altersklassen. Die SPB-Massenvermehrungen in den 1980er Jahren hatten diese Waldgebiete übrigens vergleichsweise unbeschadet überstanden. Vor der Widmung als Wildnisgebiet war damals eine prompte und energische Bekämpfung von SPB-Befallsherden durchgeführt worden. Bei der Massenvermehrungen in den 1990er Jahren wurde dann jedoch in diesen zwischenzeitlich zu Wildnisgebieten umgewidmeten Wäldern auf Gegenmaßnahmen verzichtet oder diese erst verspätet ergriffen – mit den bei ungebremsten Massenvermehrungen erwartbaren Folgen (Clarke und Billings 2003, Billings 2011). Die Bilderserie in Abb. 3 illustriert für eines dieser 1984 aus der Bewirtschaftung entlassenen, neu designierten Wildnisgebiete die ungebremste Entwicklung des Befalls in den Jahren 1992/93.

Tatsächlich zeigen eigentlich alle weitergehende Analysen von SPB-Massenvermehrungen in den 1980er (Carter et al. 1991, USDA 1987) sowie in den 1990er Jahren (Clarke und Billings 2003, Billings 2011), dass die Befallsintensität in unter Bundesverwaltung stehenden Wald- und Wildnisgebieten bei zurückhaltender Bekämpfungsintensität im Vergleich zu anderen Wäldern häufig deutlich erhöht war. Hierfür waren wohl die beiden folgenden Hauptursachen verantwortlich: zum einen wiesen die unter Bundesverwaltung stehenden Wälder deutlich höhere Anteile besonders befallsdisponierter reiferer Altersklassen mit vergleichsweise starken Bäumen auf. Zum anderen war und wird in diesen Wäldern aus forstpolitischen Gründen entweder überhaupt nicht oder erst mit deutlicher zeitlicher Verzögerung mit wirkungsvollen Gegenmaßnahmen in die Befallsdynamik eingegriffen. Ein besonders unangenehmer Nebeneffekt ist dabei auch das Ausstrahlen des Befalls von Gebieten mit ungebremst ablaufendem Käferbefall auf benachbarte Waldgebiete (Billings 2011, Carter et al. 1991, Clarke und Billings 2003, USDA 1987, Billings und Varner 1986).

Insbesondere bei der Widmung von aus der Bewirtschaftung entlassenen Wäldern zu Wildnisgebieten erschien es dem mit der Sachlage bestens vertrauten Forstentomologen Ronald F. Billings bereits in den 1980er Jahren daher ratsam, in der Übergangsphase die Wahl zwischen den Optionen "Gegenmaßnahmen" versus "keine Gegenmaßnahmen" auch aus naturschutzfachlicher Sicht neu zu überdenken: "Bei der Beurteilung des Aspekts einer Bekämpfung von SPB beim Management von Wildnisgebieten ist die entscheidende Frage die: "Sind wir in der Lage aus den Erfahrungen der Vergangenheit die richtigen Lektionen zu lernen oder muss sich die Geschichte in unseren (aus Wirtschaftswäldern) neu designierten Wildnisgebieten (immer wieder) wiederholen?" (überzetzt aus: Billings und Varner 1986). In Anbetracht des Borkenkäfer-Managements in den texanischen Wildnisgebieten in den auf diese Feststellung folgenden 1990er Jahren drängt sich etwas der Eindruck auf, dass Letzteres wohl doch nicht sicher auszuschließen war. Fraglich, ob das in Europa oder Deutschland grundlegend anders ist.

Literatur

  • USDA Forest Service - Southern Region (1987): Final environmental impact statement for the suppression of the southern pine beetle. United States Department of Agriculture, Forest Service Southern Region Atlanta/USA, 388 S.
  • Billings, R.F., Varner, F.E. (1986): Why control Southern pine beetle infestations in wilderness areas? The Four Notch and Huntsville State Park experiemces. In: D.L. Kulhavy, R.N. Conner (Hrsg.) Wilderness and natural areas in the Eastern United States: A management challenge. School of Forestry, Stephen F. Austin State University; faculty publications, paper 261, Nacogdoches, Texas/USA, S. 129-134.