In den letzten Jahrzehnten haben Forschende zahlreiche Beispiele von Tier- und Pflanzenarten dokumentiert, die sich wegen dem Klimawandels in höhere Lagen verschieben. Dies trifft auch auf drei Huftierarten der Alpen zu, wie ein internationales Forscherteam unter Leitung der Forschungsanstalt WSL mit einem umfangreichen, weltweit einzigartigen Datensatz nachweisen konnte: Das Amt für Jagd und Fischerei Graubünden hat mehr als 230’000 Orte für Reh, Rothirsch, Gämse und Steinbock dokumentiert, an denen zwischen 1991 und 2013 in Graubünden Tiere erlegt wurden.
Die Auswertung dieser Daten zeigt, dass sich die Aufenthaltsorte von Steinbock, Gämse und Rothirsch in dieser Zeit signifikant in höhere Lagen verschoben haben, im Durchschnitt um 135, 95 und 80 Meter. "Dieser Datensatz ist einmalig und zeigt, dass auch grosse, warmblütige Tierarten auf die steigenden Umgebungstemperaturen reagieren", sagt Kurt Bollmann von der Forschungsgruppe Naturschutzbiologie der WSL. Bislang sei man davon ausgegangen, dass dies vor allem auf Pflanzen und kaltblütige Tiere wie Reptilien oder Insekten zutrifft.
Von Jahr zu Jahr verschieden
Das Verhalten der Huftiere hängt von den Umweltbedingungen während der Jagdsaison ab und variiert von Jahr zu Jahr, wie die Untersuchung zeigt. Ist der Herbst warm und schneefrei, dann befinden sich die Abschussorte von Rothirsch, Gämse und Steinbock in höheren Lagen. Das sind jene Arten, die mehrheitlich Weiden und alpine Rasen zur Nahrungsaufnahme nutzen. Beim Reh, das enger an seine Territorien und an den Wald gebunden ist, war die Verschiebung in höhere Lagen weniger ausgeprägt.
In den letzten 20 Jahren hat sich die mittlere September- und Oktobertemperatur im Studiengebiet um 1.3°C erhöht; ein Trend, der sich gemäss Klimamodellen auch in Zukunft fortsetzen dürfte. Damit wird sich das Angebot, die Zugänglichkeit und die Qualität der Pflanzennahrung im Gebirgswald und auf den Alpen verändern, was die Wildtiere zu weiteren Anpassungen in der höhenabhängigen Nahrungsaufnahme zwingen wird.
Die bisherigen Resultate zeigen, dass Rothirsch, Gämse und Steinbock in Graubünden flexibel auf diese Veränderung reagieren. Ob sich daraus längerfristige Konsequenzen für die Bestände der untersuchten Huftiertaten ergeben, kann heute noch nicht schlüssig beurteilt werden. "Die konsequente, präzise und kontinuierliche Dokumentation der Abschussorte bildet aber eine wichtige und wertvolle Grundlage für die zukünftige Forschung zu den Auswirkungen des Klimawandels auf grosse Wildtierarten", meint Mitautor Hannes Jenny vom Amt für Jagd und Fischerei Graubünden.
Wissenschaftliche Originalpublikation
Büntgen, U., L. Greuter, K. Bollmann, H. Jenny, A. Liebhold, J. D. Galvan, N. C. Stenseth, C. Andrew, and A. Mysterud. 2017. Elevational range shifts in four mountain ungulate species from the Swiss Alps. Ecosphere 8(4): e01761. 10.1002/ecs2.1761 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ecs2.1761/full
(TR)