Die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft ist verfassungsgemäß. Dies entschied im Dezember 2006 die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVG). Die Begründung dafür ist vielschichtig und von breiter Bedeutung. Sie geht auf die Zulässigkeit der Schrankenbestimmung des Eigentums ein und betont eine Hegeverpflichtung, die dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen dient, und zwar in grundstücksübergreifender Weise. Klargestellt wird auch, dass die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz nur die Art und Weise der Jagdausübung beeinflusst, nicht aber die Legitimität des Jagdrechts in Frage stellen kann.

Keine Verletzung der Eigentumsrechte, gleichzeitig Verpflichtung zur Hege

Der Eigentümer eines Grundstücks, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört, lehnt die Jagd auf Tiere aus Gewissensgründen ab. Er hält deshalb die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft für verfassungswidrig. Seinem Antrag auf Entlassung aus der Jagdgenossenschaft wurde nicht entsprochen. Die daraufhin erhobene Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Er reichte dagegen und gegen die einschlägigen Bestimmungen des Bundesjagdgesetzes Verfassungsbeschwerde ein und rügte gleichzeitig die Verletzung seiner Grundrechte aus

  • Art. 2 (Allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheit der Person; Recht auf Leben),
  • Art. 3 (Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigung von Männern und Frauen; Diskriminierungsverbote),
  • Art. 4 (Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit),
  • Art. 9 (Vereinigungs-, Koalitionsfreiheit) und
  • Art. 14 (Eigentum; Erbrecht; Enteignung) des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG).

Jetzt nahm die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die wichtigsten Punkte der Begründung des BVG werden hier in Auszügen zusammenfassend dargestellt.

Eigentum

Die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft verletzt nicht das Eigentumsgrundrecht. Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die gemeinschaftlichen Jagdbezirke und das Jagdausübungsrecht durch die Jagdgenossenschaften stellen eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Sie verfolgen legitime Ziele, sind erforderlich und beeinträchtigen die Eigentümerinteressen nicht unverhältnismäßig. Das System der gemeinschaftlichen Jagdausübung besteht in seinen Grundzügen in Deutschland schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und prägt so das Grundeigentum jagdbarer Flächen seit alters her.

Hegeverpflichtung und Tierschutz

Die gesetzgeberischen Ziele erschöpfen sich nicht darin, die Jagdausübung zu ermöglichen und Wildschäden zu vermeiden, sondern umfassen auch Gesichtspunkte des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Tierschutzes. Der Gesetzgeber hat mit dem Jagdrecht ausdrücklich die Pflicht zur Hege verbunden. Die Hege hat die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel.

Ein dem Gedanken der Hege verpflichtetes Jagdrecht dient auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG). Auch das in Art. 20a GG aufgenommene Staatsziel des Tierschutzes führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz kann daher nur die Art und Weise der Jagdausübung beeinflussen, nicht aber die Legitimität der mit den angegriffenen Bestimmungen des Jagdrechts verfolgten Ziele einer dem Gemeinwohl verpflichteten Jagd und Hege in Frage stellen.

Grundstücksübergreifende Regelung

Die Zwecke des Jagdrechts einschließlich der Hege lassen sich am besten in grundstücksübergreifender Weise verwirklichen. Würde man einzelnen oder allen Eigentümern das Jagdrecht zur freien Ausübung belassen, bedürfte es, um die genannten Jagd- und Hegeziele zu erreichen, eines voraussichtlich erheblich höheren Regelungs- und Überwachungsaufwandes durch den Staat, als dies gegenwärtig bei den auch selbstverwaltend tätigen Jagdgenossenschaften der Fall ist. Demgegenüber stellen sich die Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse nicht als besonders gravierend dar. Zudem sieht das Gesetz in den Mitwirkungsrechten der Grundbesitzer in der Jagdgenossenschaft und in ihrem Teilhaberecht am Pachterlös einen angemessenen Ausgleich für die Beschränkung des Eigentums vor.

Die beanstandete Ausgestaltung des Jagdrechts mit dem Schutz der Grundstücksnachbarn vor Wildschäden und mit der Rücksicht auf eine ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung anderer Grundstücke dient dem legitimen Ziel des Eigentumsschutzes Dritter. Die Bildung von Jagdgenossenschaften eignet sich zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele, sie ist notwendig und den Grundstückseigentümern auch zuzumuten.

Gewissensfreiheit

Der Beschwerdeführer ist nicht in seiner Gewissensfreiheit verletzt. Müssten das Grundstück des Beschwerdeführers und die Grundstücke weiterer Eigentümer, die die Jagd ebenfalls ablehnen, aus der Jagdgenossenschaft ausscheiden, wäre die vom Gesetzgeber bezweckte Eigentums- und Hegeordnung in Gefahr. Demgegenüber wiegt die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers, dass er die Ausübung der Jagd auf seinen Grundstücken hinnehmen muss, geringer, auch wenn sie ihn subjektiv nicht unerheblich belasten mag. Der Beschwerdeführer wird nicht gezwungen, die Jagd auszuüben oder diese tätig zu unterstützen.

Roland Beck leitete bis 2006 das ehemalige Sachgebiet Forstpolitik, Wildtiermanagement, Jagd der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).