Der Wald und damit der Lebensraum waldbewohnender Vogelarten wurde in den vergangenen Jahrhunderten stark vom Menschen verändert. Im einstigen Waldland Bayern sind aktuell nur noch 36 % der Landesfläche mit Wald bedeckt. Diese Wälder würden außerhalb der Hochlagen und von Sonderstandorten natürlicherweise überwiegend von Laub- und Laubmischwäldern, allen voran von der Buche, dominiert werden. Der aktuell hohe Nadelbaumanteil von über 60 % ist menschengemacht und historisch bedingt. Seit Jahrzehnten werden die Wälder aber kontinuierlich zu laubholzreichen Mischbeständen umgebaut.

Wald wird wieder naturnäher

Während sich im Offenland Nutzungsänderungen sehr schnell zeigen, dauert es im Wald meist Jahrzehnte. Dass sich was tut im Wald, belegen auch die Ergebnisse der Bundeswaldinventuren: Sowohl das Bestandsalter als auch die standortheimischen Laubbaum-, Totholz- und Biotopbaumanteile haben zugenommen. Diese Veränderungen wirken sich auf sehr viele Arten günstig aus. So verzeichneten zahlreiche Vogelarten in den letzten 25 bis 30 Jahren eine Bestandszunahme.

Lebensraum alter Wald

Viele der einheimischen waldtypischen Tierarten sind an laubbaumreiche Wälder mit überall eingestreuten, meist kleinflächigen Alters- und Zerfallsphasen angepasst. So sind Bäume mit Faul- und Spechthöhlen, sogenannte Höhlenbäume, besonders wertvoll und in einer naturnahen Waldwirtschaft unverzichtbar. Solche Höhlenbäume sind nicht nur Brutplätze von Spechten, sondern auch von Käuzen, Meisen oder auch von Hornissen, Fledermäusen und vielen anderen Artengruppen.

Alte Wälder bieten darüber hinaus auch einen Grundstock an totem Holz. Dabei spielt auch die Qualität – beispielsweise die Dimension oder der Zersetzungsgrad – des Totholzes eine Rolle. Die verschiedenen Vogelarten nutzen Totholz auf unterschiedlichste Weise und in unterschiedlicher Intensität. Es dient als Nahrungsquelle, Brutraum, Schlafplatz und auch als Singwarte oder Trommelplatz. Bereits eine Erhöhung des Totholzanteils in einem Waldbestand von 1 % auf 3 % der Stämme führt zu einer Verdoppelung der  Höhlenbrüterdichte.

Derartige Wälder mit mehreren Entwicklungsphasen sind ein gemeinsamer Lebensraum von Spechten, Fledermäusen und holzbewohnenden Käferarten – und deshalb auch ein zentrales Leitbild im Waldnaturschutz.

Die meisten dieser Strukturen kann auch der naturnahe Waldbau bereitstellen. So schaffen zum Beispiel kleinflächige Hiebs- (z. B. Femelhiebe) und Verjüngungsmaßnahmen (z. B. gruppenweiser Voranbau) das gewünschte Mosaik von bestimmten Waldentwicklungsphasen. Das Erhalten von Biotopbäumen sowie das Stehen- und Liegenlassen stärkerer Totholzstücke je Hektar imitieren die Alters- und Zerfallsphasen. Dazu kommt, dass Baumsturzlücken einzelner Altbäume ein raues Kronenrelief mit kleinen Bestandslücken schaffen.

Spechte als absolute Schirmart im Naturschutz

Spechte sind eine relativ leicht zu erfassende und gut untersuchte Artengruppe. Sie sind allesamt Höhlenbrüter und decken mit ihren Lebensraumansprüchen von lichten, halboffenen Landschaften bis hin zu großflächig geschlossenen Waldgebieten sämtliche Waldlebensräume Bayerns ab. Aufgrund ihrer starken Bindung an zentrale Habitatstrukturen, wie Höhlen sowie Totholz und wegen ihrer relativ großen Brutzeitreviere und ganzjährigen Aktionsräume gelten sie als Schirmarten im Waldnaturschutz. Schützt man sie, schützt man in diesen Waldlebensräumen auch die meisten anderen dort lebenden Arten.

In Bayern sind neun Spechtarten heimisch. Dies sind zum einen die Buntspechte nämlich Buntspecht, Mittelspecht, Weißrückenspecht und Kleinspecht. Diese Spechte sind durch ihre Farbe des Gefieders gekennzeichnet. Sie sind kräftig kontrastierend schwarz und weiß gefärbt und zeigen meist rote Zeichnungen am Kopf und auch auf anderen Körperregionen.

Daneben gibt es den Schwarzspecht, den Grünspecht und den Grauspecht. Diese drei Arten ernähren sich von Ameisen und suchen ihre Nahrung nicht nur an Baumstämmen, sondern größtenteils am Boden in Ameisenhaufen. Der Dreizehenspecht ist Nadelwaldspezialist in Berglagen. Der Wendehals – einziger Zugvogel dieser neun Spechte – ist eine Art des Halboffenlandes und kommt in Streuobstbeständen oder Weidelandschaften vor.

Altwald-Arten zeigen positive Entwicklung in Bayern

Gleichbleibende oder positive Trends in der Bestandsentwicklung konnten in den letzten 25 bis 30 Jahren bei allen Arten – außer bei Grauspecht und Wendehals – festgestellt werden (siehe Tabelle). Die wichtigsten Entwicklungen kurz zusammengefasst:

Mittelspecht: Bei den Spechten ist die Entwicklung des Mittelspechts-Bestands besonders erfreulich. Er ist eine von 25 Arten, für die Deutschland weltweit größte Verantwortung trägt. Als Stocherspecht an alten Laubbäumen mit rauer Borke ernährt er sich ganzjährig fast ausschließlich von Insekten. Da er sich jedes Jahr eine neue Bruthöhle zimmert, benötigt er in seinem mehrere Hektar großen Revier zudem zahlreiche Bäume mit Faulstellen. Seine Bestandszunahme ist als deutlicher Beleg zu werten, dass nicht nur der Flächenanteil und das Durchschnittsalter heimischer Laubwälder gestiegen sind, sondern dass sich auch die Habitat-Qualität verbessert hat.

 

Dreizehen- und Weißrückenspecht: Erfreulich sind auch die Bestandsentwicklungen von Dreizehen- und Weißrückenspechten in den bayerischen Alpen. Die beiden Standvögel zählen zu den seltensten Waldvögeln Deutschlands. Sie legen ihre Bruthöhlen in abgestorbenen Bäumen oder Bäumen mit Stammverletzungen und Pilzbefall an. Ein hohes Angebot an Totholz ist deshalb Grundvoraussetzung für ihre Lebensräume.

Mit knapp einem Brutpaar je hundert Hektar Wald ist der Nadelholz bewohnende Dreizehenspecht derzeit fast flächendeckend in den Hochlagen der bayerischen Alpen verbreitet. In der Regel ist nicht das Nahrungsangebot zur Brutzeit limitierend, sondern die Nahrungsgrundlage im Winter. Diese befindet sich bei hoher Schneedecke vor allem im stehenden Totholz. Die Zunahme dieser Art belegt ein größeres Totholzangebot.

Der Weißrückenspecht hat eine starke Bindung an sehr totholzreiche Wälder mit höherem Laubholzanteil. Untersuchungen im Alpenraum belegen seine starke Bindung an laubholzreiche Wälder mit Totholzinseln von rund 40 m³ im Revierzentrum um den Neststandort. Damit diese Standorte aber als Brutreviere angenommen werden, ist auf einer Fläche von 30 – 80 ha eine Totholzmenge von über 30 m³/ ha notwendig. Einst auch im Flachland verbreitet, ist er noch weit von einer flächigen Wiederbesiedlung der Wälder entfernt. Seine Bestände sind stabil und es konnten in einigen Gebieten Rückwanderungen belegt werden.

Grauspecht: Er ist in Bayern weit verbreitet, aber überall selten. Bezüglich des Mischungsanteils der Wälder ist er wenig wählerisch, solange immer wieder kleinere Inseln starker Laubbäume mit Faulstellen vorhanden sind, in denen er seine Bruthöhle anlegen kann. Ebenfalls auf Insekten spezialisiert benötigt er in geschlossenen Waldgebieten große Mengen besonnten Totholzes oder aber lichte Wälder mit großem Ameisenangebot. In den großen Laubwaldgebieten Frankens mit hohen Altholzanteilen scheinen seine Bestände stabil zu sein. Ebenso werden hohe Siedlungsdichten in Erlenbrüchen oder laubholzreichen Moorlandschaften erreicht. In halboffenen Landschaften verzeichnet er jedoch deutliche Bestandsrückgänge. Gerade alte Streuobstbestände, Weidelandschaften mit Hutebäumen oder Verzahnungsbereiche altholzreicher Laubwälder mit magerem Grünland sind sehr selten geworden – und mit ihnen auch kurzrasige, ameisenreiche Nahrungshabitate. Diese Entwicklung spiegeln auch die abnehmenden Bestände des Wendehalses wider.

Trotz Erfolgen bleibt Handlungsbedarf

In den letzten Jahrzehnten wurde sehr viel beim Schutz von "Arten heimischer Wälder" erreicht. Jedoch sind die Populationen einiger typischer Waldarten wie Mittel-, Weißrücken- oder auch Kleinspecht trotz zunehmender oder stabiler Trends nach wie vor relativ klein. Zentrale Strukturen wie Totholz oder Biotopbäume sind zudem vergänglich und bedürfen permanenter Nachlieferung. Eine natürliche Biotopbaum- und Totholznachlieferung kann durch das Belassen alter Bäume gewährleistet werden. Gerade auch Bäume, die nicht dem forstwirtschaftlichen Ideal entsprechen, sind für Vögel interessant. Wer das im Blick hat, lässt auch schon in der Jugendphase einige markante Stämme als Biotopbaumanwärter stehen.

Mit zunehmendem Alter eines Baumes steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich zu einem Biotopbaum entwickelt. Werden solche Biotopbaumanwärter oder bereits bestehende Biotopbäume auf der Fläche erhalten, entstehen für Vögel neue Nahrungs- und sogar Brutbäume. So brüten Baumläufer zum Beispiel in Rindentaschen, Mittel- und Kleinspecht suchen in rissiger Rinde nach Insekten.

 

Die Maßnahmen sind förderfähig

Um zentrale Strukturen in seinem Wald zu begründen oder zu erhalten, kann man auch auf die Förderprogramme der Forst- und Umweltverwaltung zurückgreifen. Das forstliche Förderprogramm (WaldFÖPR) leistet mit zahlreichen Maßnahmen nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zum Schutz der Biodiversität und zur Erhaltung von Lebensräumen. Die Begründung und Pflege standortsangepasster Wälder ist die Grundlage für die Förderung der charakteristischen Vogelwelt.

Das Vertragsnaturschutzprogramm Wald (VNP Wald) ist ebenfalls ein wichtiger Baustein für die Umsetzung naturschutzfachlicher Ziele. Es honoriert mit Zuwendungen freiwillige Leistungen für den Natur- und Artenschutz, welche private oder körperschaftliche Waldbesitzer in ihren Wäldern erbringen. Ansprechpartner für Förderprogramme sind die jeweils zuständigen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor Ort.