Naturwaldreservate (NWR) sind Waldflächen, die mit Hilfe einer vertraglichen Vereinbarung ihrer natürlichen Entwicklung überlassen werden, das heißt, es findet keine forstliche Bewirtschaftung statt. Zur Eignung eines Waldbestandes als NWR wird unter anderem geprüft, ob es sich um Wald mit Schutzfunktion handelt.

Das österreichische Forstgesetz unterscheidet zwischen Standortschutzwald und Objektschutzwald (§ 21 ForstG). Dient ein Wald dem Schutz von "Objekten" (Menschen, Bauwerken oder Siedlungen), kann er nicht in das Naturwaldreservate-Programm aufgenommen werden, da dies mit einer Außernutzungsstellung nicht vereinbar ist.

Standortschutzwälder hingegen dienen dem Schutz des Standorts, welcher durch die abtragenden Kräfte von Wind, Wasser oder Schwerkraft gefährdet ist. Viele NWR befinden sich auf Standorten, die dieser Definition entsprechen. Das Forstgesetz definiert sechs Kategorien von Standortschutzwäldern (§ 21 ForstG):

  • Wälder auf Flugsand- oder Flugerdeböden,
  • Wälder auf zur Verkarstung neigenden oder stark erosionsgefährdeten Standorten,
  • Wälder in felsigen, seichtgründigen oder schroffen Lagen, wenn ihre Wiederbewaldung nur unter schwierigen Bedingungen möglich ist,
  • Wälder auf Hängen, wo gefährliche Abrutschungen zu befürchten sind,
  • der Bewuchs in der Kampfzone des Waldes,
  • der an die Kampfzone unmittelbar angrenzende Waldgürtel.

Die Richtlinie des Waldentwicklungsplanes (WEP) als forstliches Planungsinstrument konkretisiert die sechs Kategorien des "Standortschutzwaldes" (BMLFUW, 2012). Laut WEP gelten beispielsweise Standorte dann als felsig, wenn mehr als ein Viertel der Oberfläche anstehender Fels ist. Seichtgründig sind Böden mit 0-20 cm Mächtigkeit und als schroff bezeichnet man Standorte, die steiler als 60 % sind (30°). Eine schwierige Wiederbewaldung wird ebenfalls mit weiteren Kriterien spezifiziert. Unter anderem werden hier Standorte mit aktuellem Steinschlag genannt.

Als Steinschlag wird das Stürzen von Steinen und deren Interaktion mit der Umgebung verstanden. Der Prozess findet in den drei Teilräumen Entstehungs-, Transit- und Auslauf-/Ablagerungsgebiet statt. Oft überschneiden sich diese (Frehner, Wasser & Schwitter, 2005).

Ein Gelände gilt dann als Steinschlag geeignet, wenn

  • ein sehr steiles Entstehungsgebiet (Hangneigung weit über 30° [60 %]), oft mit anstehendem Fels,
  • ein Transitgebiet mit einer Hangneigung von über 30° und
  • ein Auslauf- und Ablagerungsgebiet (Hangneigung unter 30°) vorhanden sind.

Im Entstehungsgebiet wirken sich weiterhin geologische Trennflächen, hangparallel verlaufende Gesteinsschichten oder Bäume über 20 m Höhe sowie umfallende Bäume positiv auf die Entstehung von Steinschlägen aus (Frehner, Wasser & Schwitter, 2005).

Schutzfunktion und -wirkung im Naturwaldreservat Waben

Grundsätzlich hat ein Baumbestand, der auf einem Standort stockt, von dem eine Naturgefahr ausgeht, eine Schutzfunktion gegenüber dieser Gefahr inne. Inwieweit er imstande ist, diese zu erfüllen, hängt von seinem aktuellen Bestandesaufbau ab. Dies wird als Schutzwirkung bezeichnet.

Die in den NWR vorkommenden Waldgesellschaften wurden von Lipp et al. (2016) im Hinblick auf ihre jeweilige Disposition für Standortschutz untersucht. Der Schneeheide-Rotföhrenwald (Erico-Pinetum sylvestris) stellt dabei ein Beispiel für eine Waldgesellschaft dar, die unter anderem auf potenziell felsigen, schroffen oder seichtgründigen Standorten vorkommt.

Schneeheide-Rotföhrenwald mit Steinschlagschutz-Funktion im NWR Waben

Im NWR Waben ist diese Waldgesellschaft auf einer Fläche von 16 ha vorzufinden. Das NWR befindet sich in der Schütt am Südabfall des Dobratsch. Mit einer Gesamtgröße von 25 ha erstreckt es sich auf einer Seehöhe von 600-1100 m. An der bergseitigen Reservatgrenze befinden sich ein Schuttkegel und mehrere Felsanbrüche.

Unter Zuhilfenahme eines Höhenprofils wird der Standort auf seine Schutzfunktion hin untersucht. Das NWR hat Anteil an Entstehungs-, Transit- und Ablagerungszone. Dementsprechend kommt dem dort stockenden Schneeheide-Rotföhrenwald eine Steinschlagschutzfunktion zu.

Eine Untersuchung der Steinschlag begünstigenden Faktoren des Entstehungsgebiets im Winkelzählproben (WZP)-Rasternetz ergibt, dass sämtliche Bäume weniger als 20 m hoch sind (Abbildung 2). Auch sind keine instabilen Stämme vorhanden, die im Zerfallsprozess Steinschlag auslösen könnten.

Im Zuge von waldwachstumskundlichen Erhebungen im Jahr 2014 wurden an den Bäumen der WZP Schäden erfasst, mit Hilfe derer sich die Steinschlag-Schutzwirkung der einzelnen Zonen auswerten lässt. So weisen 32 % der Bäume in der Entstehungszone, 3 % in der Transitzone und keine Bäume in der Ablagerungszone Steinschlag-Schäden auf.

Eine detaillierte Untersuchung der Steinschlag-Schutzwirkung der Waldgesellschaft im NWR wird mit Hilfe des Simulationsmodells „RockforNET“ [Berger & Dorren, 2007] durchgeführt. Das Modell berechnet ein Anforderungsprofil (minimal und ideal) und gibt vor, inwieweit der Zustand des aktuellen Bestandes von der optimalen Schutzwirkung abweicht (Idealprofil). Eingangsparameter sind unter anderem Gesteinsparameter (Größe, Dichte, Form), Hangneigung, Baumarten- und Stammzahlverteilung.

Das Minimalprofil dient als Mindestmaß für die Schutzerfüllung. Laut Abbildung 3 liegt die Stammzahl pro Hektar im oberen BHD-Bereich über dem Idealprofil (BHD > 18 cm), das heißt die Schutzwirkung ist "übererfüllt". Im BHD-Bereich von 14 cm liegt der Wert zwischen der Ideal- und der Minimalkurve. In der untersten Klasse (BHD=10 cm) jedoch sinkt die Stammzahl unter den Wert des Minimalprofils.

Schlussfolgerung

Die Waldgesellschaft Schneeheide-Rotföhrenwald im NWR Waben kommt dem Idealprofil der Schutzwirkung gegenüber Steinschlag zwar teilweise nahe, jedoch ist die Stammzahl vor allem im schwachen BHD-Bereich zu gering.

Eine Begründung lässt sich im physiognomischen Aufbau der einschichtigen Karbonat-Föhrenwälder der Schütt finden. Ein intensiver Wildverbiss verhindert die Etablierung einer Unterschicht aus Baumarten, wie Rotföhre, Mannaesche und Mehlbeere. Für eine optimale Schutzerfüllung ist eine Wildstandsreduktion und wären dar über hinaus auch waldbauliche Eingriffe notwendig, um die Bildung einer Unterschicht zu fördern.

Literatur

Berger, F., Dorren, L. (2007): Principles of the tool Rockfor.net for quantifying the rockfall hazard below a protection forest. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen: 2007|6, Vol. 158, Nr. 6, Seiten 157-165.
BMLFUW (2012): Richtlinie-Waldentwicklungsplan, Auflage III. Wien: Sektion IV.
Frehner, M., Wasser, B., & Schwitter, R. (2005): Nachhaltigkeit und Erfolgkontrolle im Schutzwald. Bern: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft.
Lipp, S., Steiner, H., Oettel, J., Frank, G. (2016): Standortschutzwald in Österreich – Eine Studie zur Begriffsbestimmung und den Zuordnungskriterien am Beispiel der Naturwaldreservate. Wien: Bundesforschungszentrum für Wald, BFW-Bericht 150, 79 Seiten