Quellen zwischen Grundwasser, Bachoberlauf und Landhabitaten sind kleinflächige Lebensräume mit hoher Biodiversität. Im 20. Jahrhundert mussten sie grösstenteils Siedlungen, Verkehrsflächen sowie intensiver Landwirtschaft weichen. Nur im Wald und in höheren Lagen sind sie heute oft noch als natürliche Biotope erhalten geblieben.
Obwohl in diesen Waldquellen zahlreiche seltene und gefährdete Arten vorkommen, wurden Quellen im Wald lange Zeit gar nicht als Lebensraum wahrgenommen. Insbesondere kleine, unscheinbare oder sickernde Quellaustritte wurden zerstört oder beeinträchtigt. Mit der Berücksichtigung dieser Quellen in den Arbeitsabläufen bei Planung und Ausführung der Waldbewirtschaftung können diese Lebensräume erhalten und ökologisch aufgewertet werden.
Den meisten Waldbesuchenden ist Wald als Schutz vor Naturgefahren, Holzlieferant, Erholungsgebiet, als Wildeinstand, Wuchsort für seltene Pflanzen oder seine Aufgaben als Lebensraum für seltene Vogelarten sehr wohl bekannt. Waldquellen und ihre Lebensgemeinschaften hingegen kommen da eher nicht in den Sinn. Vielfach sind sie kleine und zerstreut in die Landschaft eingebettet und nicht immer einfach zu erkennen. Hier treffen sich die Lebensgemeinschaften der Bachläufe, des Grundwassers und der Landlebensräume.
Typische Quelle
Quellen sind lokal begrenzte Orte, wo Grundwasserführende geologische Schichten an die Oberfläche treten. Die "Fliessquellen" befinden sich an mehr oder weniger steilen Hängen und sind meist Bachanfänge. Manchmal liegen sie aber auch in Auen, wo sie "Giessen" genannt werden. In flacherem Gelände tritt das Wasser flächig aus dem Boden hervor und bildet "Sickerquellen". Bei Austritten in Muldenlagen staut sich das Quellwasser auf und bildet ein kleines Stillgewässer ("Weiherquelle"). "Kalksinterquellen" entstehen als Folge von Kalkausfällungen, die nach und nach die charakteristischen Moospolster überziehen. Über Jahrhunderte bauen sich so imposante treppenartige Felsen auf.
Die Temperatur des Quellwassers entspricht der mittleren Jahrestemperatur des Standorts und schwankt im Jahresverlauf nur sehr wenig. In Tallagen sind dies 6-10°C, im Hochgebirge und in der Näher von Permafrost kann die Temperatur auf weniger als 4°C absinken. Mit Ausnahme der Karstquellen in Kalkgebieten ist die Wasserführung recht gleichförmig. Quellwasser ist sehr nährstoff- und sauerstoffarm und je nach Region und geologischem Untergrund angereichert mit unterschiedlichen Mineralien wie Eisen oder Calcium.
Quelllebensräume erkennen
Waldbereiche mit grossflächigen Sickerquellen oder Komplexen von Fliessquellen im Wald sind aufgrund der feucht-nassen Böden als Holzlieferanten nicht interessant. Umso wertvoller sind sie jedoch als Lebensräume für seltene und bedrohte Kleintiere und Amphibien.
Wo das Wasser über moosbedeckte Steine und Moospolster fliesst und die Ufer von leuchtend gelb gefärbtem Bach-Steinbrech gesäumt sind oder sich ausgedehnte Kalksinterablagerungen befinden, sind Quell-Lebensräume leicht erkennbar. Oftmals besitzen Quellen in Wäldern jedoch nur eine geringe Schüttung und sind lediglich als Flächen mit feuchter Erde oder sickernden Wasseraustritten erkennbar.
Vielfältige Lebensgemeinschaften
Je mehr verschiedene Strukturen wie Moospolster, Sand, Kies, Steine, Totholz, Kalk-Sinterterrassen, Strömungsgeschwindigkeiten etc. vorhanden sind, desto vielfältiger und artenreicher ist die Lebensgemeinschaft.
Die typischen Eigenschaften und die Strukturvielfalt auf kleinem Raum machen Quellen zu einem einzigartigen Lebensraum für hochspezialisierte Quellarten, die in anderen Gewässertypen kaum eine Überlebenschance haben. In der Schweiz wurden bisher fast 90 Arten gefunden, die ausschliesslich oder bevorzugt in Quellen leben. Hotspots sind dabei einzelne Quellen, in denen 40 bis 50 Kleintierarten, oft auch kleinstem Raum von wenigen Quadratmetern, leben.
Typisch für waldquellen ist ihre reichhaltige Moosflora, Totholz und Ablagerungen von Falllaub oder Nadelstreu. Besonders im Frühling bilden Quellfluren mit gelb-blühenden Sumpfdotterblumen, dem Bitteren Schaumkraut oder dem Milzkraut auffällige Farbtupfer in aufgelichteten Wäldern. Natürliche oder naturnahe, wenig beeinträchtigte Waldquellen und ihre Quellbäche werden gerne von Larven der Gestreiften Quelljungfer besiedelt. Dazu gesellen sich die Larven zahlreicher Quellarten aus den Insektenordnungen der Stein- und Köcherfliegen sowie Wasserkäfer, oft endemische und geschützte Arten.
Beeinträchtigungen und ihre Folgen für die Lebensgemeinschaft
Seit jeher wurden in Wäldern Quell-Lebensräume hauptsächlich zur Trinkwassergewinnung gefasst. Im 20. Jahrhundert errichtete der Mensch in Wäldern Strassen und Bauten zur Holznutzung oder zur Erschliessung der Alpen. In der Folge wurden Waldflächen drainiert, benachbarte Quellen gefasst und Quellbäche umgeleitet oder verrohrt. Anlagen zur Erholungsnutzung wie Lehrpfade, Bike-Trails oder Picknick- und Grillplätze haben in einigen Fällen zur Beeinträchtigung angrenzender Quell-Lebensräume durch Trittschäden geführt. Gelegentlich wurden auch kleinere Quellen zur Speisung von Waldbrunnen gefasst.
| Nutzungsfelder | Konflikte | Synergien |
|---|---|---|
| Trinkwassernutzung | Quell-Lebensräume durch Fassung zerstört; sehr alte Brunnstuben sind teilweise Lebensräume für Grund-wasserfauna | Nutzungseinschränkungen im Perimeter der Schutzzonen (SI und SII) im Einzugs-gebiet der Quellen, nicht zwingend Synergie für Quell-Lebensräume |
| Brauchwassernutzung (Kühlung, Reinigung usw.) | Quell-Lebensräume durch Fassung zerstört | Keine Synergie für Quell-Lebensräume |
| Nutzung im Rahmen des Gesundheitswesens | Quell-Lebensräume durch bauliche Eingriffe ganz oder teilweise zerstört, bei genügender Rücksichtnahme kann Beeinträchtigung minimiert werden | Einzelne Quellbereiche können ungefasst bleiben und so als Lebensraum erhalten bleiben |
| Erholungsnutzung | Trittschäden, Entsorgung von Abfall, Bau von Infrastruktur als hauptsächliche Beeinträchtigungen | Geeignete Orte, um Bevölkerung für den Naturschutz in Quellen zu sensibilisieren |
| Naturschutz | Keine Konflikte mit Quell-Lebensräumen | Förderung der Quell-Lebensräume; vollständiger Schutz der Primärbiotope, gezielte Verbesserung der Lebensbedingungen für die typischen Quellorganismen durch Schutz, Pflege und Gestaltung in Sekundärbiotopen (z. B. Hangquell-moore/Streuwiesen, Quellabflüsse) |
| Energienutzung | Bei vollständiger Fassung: Zerstörung der Quell-Lebensräume | Keine Synergie für Quell-Lebensräume |
| Mythisch-religiöse Nutzung | Quell-Lebensräume durch bauliche Eingriffe ganz oder teilweise zerstört | Bei genügender Rücksichtnahme kann Beeinträchtigung minimiert oder verhindert werden |
| Landwirtschaft | Eintrag von Nitrat und Trübstoffen, Trittschäden bei Quellen im Weideland, Ablagerung von Schnittgut und organischen Abfällen | Erhalten von Quell-Lebensräumen durch Pflege im Rahmen des ökologischen Ausgleichs |
| Waldwirtschaft | Quell-Lebensräume durch Ast-material zugedeckt, Aufforstung mit Koniferen verschlechtert das Nahrungsangebot für Makrofauna (gut verdauliches Falllaub fehlt) und führt zum Verschwinden von höheren Pflanzen aufgrund der Beschattung | Erhalten von Quell-Lebensräumen durch Ausscheidung naturnaher Flächen im Waldnutzungsplan |
| Verkehrsinfrastruktur | Der Bau von Strassen und Wegen im Einzugsgebiet kann durch eine Fassung des Wassers die Schüttung vermindern oder Quellen zum Aus-trocknen bringen | Keine Synergie für Quell-Lebensräume |
| Siedlungsraum | Offene Quellen sind eingedolt, das Wasser bleibt ungenutzt, Bauwerke im Einzugsgebiet können die Schüttung vermindern oder Quellen zum Austrocknen bringen | Geeignete Orte, um Bevölkerung für den Naturschutz in Quellen zu sensibilisieren |
Quell-Lebensräume können bei einer ungünstigen Wahl der Linienführung von Rückegassen (unbefestigte Wege zum Transport von Baumstämmen) oder Erschliessungswegen beeinträchtigt oder zerstört werden. Aus Unkenntnis werden Austrittsbereiche von Quellen verbotenerweise immer wieder mit Schnittgut zugedeckt, das im Rahmen der Waldbewirtschaftung anfällt. Als Folge davon erkennen die adulten Wasserinsekten die Wasseroberfläche nicht und können diese Quellen nicht mehr besiedeln.
Dazu kommen noch die Beeinträchtigungen durch den Klimawandel: Die aufgrund der veränderten Niederschlagsverteilung auftretende Austrocknung verhindert die Entwicklung von Insekten mit mehrjähriger Larvenentwicklung. Zudem bedroht die Erwärmung des Wassers die an tiefe Temperaturen angepassten Quellarten, da Arten tiefergelegener Gewässer in den Quellbereich hochwandern und es so zu Verdrängungen kommt.
Schutz und ökologische Aufwertung von Quell-Lebensräumen
Bei Quellen im Wald können verschiedene Probleme und Nutzungskonflikte auftreten. Quell-Lebensräume sollen geschützt werden, indem sie in die Planungsgrundlagen und Waldentwicklungspläne (WEP) aufgenommen und Massnahmen zur ökologischen Aufwertung umgesetzt werden.
Lebensraumkartierung und Planung
Als Basis ist es wichtig, die Lage und den Zustand der Quell-Lebensräume im Wald zu erfassen sowie Quellen in die Betriebspläne und in den WEP zu integrieren und spezifische Ziele für die Quell-Lebensräume zu formulieren.Wichtige Massnahmen: Die Planungsgrundlagen laufend auf dem aktuellen Stand halten und allfällig neu entdeckte Quellen ergänzen.
Walderschliessung und Infrastruktur
Bei Bauarbeiten im Wald wie Waldstrassen oder Anlagen zur Wasserversorgung müssen vorhandene Quell-Lebensräume in allen Projektphasen berücksichtigst werden.Wichtige Massnahmen: Bei Vorhandensein von Quell-Lebensräumen alternative Linienführung respektive Standort prüfen. Falls der Strassenverlauf einen Quellbach kreuzt, Quellwasser nicht fassen, sondern mit rechteckigem Durchlass oder grossdimensioniertem Rohr mit natürlichem Bachsediment unter der Waldstrasse durchleiten. Empfindliche Quell-Lebensräume während Bauarbeiten auszäunen.
Waldbewirtschaftung
Anwesenheit von Quell-Lebensräumen beim Einsatz grosser Maschinen zum Fällen und Transportieren, bei Lagerung von Astschnittgut und bei der Baumartenwahl berücksichtigen.Wichtige Massnahmen: Während Holzschlagarbeiten Quell-Lebensräume auszäunen, auf Einsatz grosser Maschinen im Quellbereich verzichten, Forstpersonal sensibilisieren, Altholzinseln in Quellbereichen ausscheiden.
Erholungsnutzung
Einbezug von Quell-Lebensräumen bei Planung und Bau von Waldwegen, Picknickplätzen, Bike-Trails und weiteren Anlagen und Einrichtungen zur Erholungsnutzung.Wichtige Massnahmen: Alternative Standorte für die Erholungsnutzung prüfen und auswählen, Waldbrunnen, verbaute Quellbereiche und kanalisierte Quellbäche revitalisieren, Besucherinformation und -sensibilisierung für die Quell-Lebensräume und ihre Bedeutung für die Tier- und Pflanzenwelt.
Naturgefahren, Jagd und Naturschutz
Ökologischen Wert von Quell-Lebensräumen berücksichtigen im Zusammenhang mit Naturgefahren, Jagr und Naturschutz.Wichtige Massnahmen: Zur Hangsicherung Gebiete möglichst oberflächlich und teilweise entwässern, keine Wildfütterungsstellen in der Umgebung von Quell-Lebensräumen einrichten. Zur Schaffung von Amphinienlaichanlagen keinen Quellbereich oder Quellbach aufstauen, sondern Stillgewässer im Abstand von etwa 10 m vom Quellbach einrichten.
Im Schweizer Mittelland nimmt die Gewinnung von Trinkwasser aus Grundwasser und Seen zu, während Quellfassungen aufgrund zu geringer Schüttung oder unzureichender Qualität aufgegeben werden. Dies eröffnet in Zukunft neue Möglichkeiten zum teilweisen oder vollständigen Rückbau von nicht genutzten Fassungen und zur Renaturierung von Quell-Lebensräumen.
Einfache Massnahmen mit grosser Wirkung
Das BAFU möchte die Quell-Lebensräume gezielt erfassen, erhalten und aufwerten. Als Ergänzung zur bereits veröffentlichten Methode zur Quellkartierung skizziert die Publikation Quell-Lebensräume erfassen – erhalten – aufwerten (2022) die Ziele und das Vorgehen zum Schutz, zur Aufwertung und Förderung der Quellen sowie ihrer Lebensgemeinschaften. Die Arbeitsgrundlage für die Praxis fasst sie einfache Massnahmen zur Schonung von diesen sensiblen natürlichen Quell-Lebensräumen im Wald zusammen. Das Wissen dient der Sensibilisierung der Eigentümer, Nutzerinnen, Forstpersonal sowie Akteuren in Verwaltungen, Pärken und privaten Organisationen. Da Quellaustritte im Wald meist sehr klein sind und vom Quellbach nur die ersten zehn Meter als speziell wertvoller Lebensraum gelten, werden die forstwirtschaftlichen Abläufe durch die empfohlenen Massnahmen kaum behindert.
Beratungsstelle Quell-Lebensräume
Im Auftrag des BAFU werden hier die Aktivitäten von Kantonen, Naturpärken und privaten Organisationen unterstützt und koordiniert.
Sie ist Ansprechpartnerin für Fachkreise und leistet Aufklärungsarbeit für die breite Öffentlichkeit, bietet Schulungen und Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch für Fachpersonen wie Brunnenmeisterinnen und -meister sowie Landwirtschafts- und Forstfachpersonen an.










