Die Tanne könnte in Zukunft eine unverzichtbare klimafitte Baumart werden. Erkenntnisse aus der Paläoökologie in Verbindung mit neuen Methoden dynamischer Vegetationsmodellierung ergeben, dass die Tanne in weiten Bereichen Mitteleuropas die Fichte gut ersetzen kann. Ihr bisheriger starker Rückgang hat zwei Hauptursachen: selektiver Verbiss durch Schalenwild und unangepasste waldbauliche Behandlung durch Missachtung ihrer spezifischen Wuchs-Eigenschaften.

Um das heutige Tannenareal in Österreich und Europa zu verstehen, muss man die Einwanderungsgeschichte und die Nutzungsgeschichte der Baumart kennen. Die Refugialgebiete während der letzten Eiszeit lagen im Appenin, alle mitteleuropäischen Herkünfte haben dort ihren Ursprung (Kral 1980, Cheddadi et al. 2014). Die Tanne war ein später und langsamer Rückwanderer und hat dabei ihr potenzielles Areal noch nicht ausgeschöpft. Die Migrationsgeschwindigkeit und die Konkurrenz durch andere Baumarten haben dabei eine Rolle gespielt. So hat die Tanne im Norden Gebiete über den Thüringerwald hinaus einfach noch nicht erreicht.

Dem wird in Zeiten des Klimawandels Rechnung getragen, indem man die Tanne als klimafitte Baumart auch in Tieflagen im Norden Deutschlands verstärkt einbringen will. Neuere Forschungen aus der Paläoökologie, also der Lehre von fossilen Lebensräumen und deren Lebensgemeinschaften, in Verbindung mit Methoden der dynamischen Vegetationsmodellierung (Tinner et al. 2016) ergeben, dass die Tanne in weiten Teilen Mitteleuropas die ausfallende Fichte ersetzen kann.

Rückgang der Tanne hausgemacht

Die heutige Verbreitung der Tanne ist viel geringer als das ursprüngliche Gebiet. Neben einem klimatisch bedingten Tannenrückgang (Kral 1979) hat dies anthropogene Ursachen. Seit dem Spät­mittelalter fand im Alpenraum eine großflächige Kahlschlagwirtschaft zur Deckung des enormen Holzbedarfs statt. Durch die Wiederbegründung dieser Flächen durch Saat oder Pflanzung wurde das Auf­kommen der Fichte begünstigt und jenes der Tanne wesentlich erschwert.

Hauptursache für den Tannenrückgang war und ist die Missachtung ihrer spezifischen Wuchs-Eigenschaften durch unangepasste waldbauliche Behandlung. Hinzu kommen Wildüberhege und Waldweide. Letztere ist nicht vernachlässigbar, hat aber heute eine untergeordnete Bedeutung. Auf nur rund acht Prozent des österreichischen Waldes wird die Waldweide aktiv ausgeübt. Der heutige ideelle Flächenanteil der Tanne an der Ertragswaldfläche liegt nur bei zwei bis drei Prozent.

Tanne liebt feuchte Standorte

Die Tanne ist die Baumart des humiden, montanen Bergwaldklimas. Allerdings verträgt die Tanne auch ausgeprägt trockenere und subkontinentalere Klimate als die Buche. Ihre Niederschlags­amplitude reicht von 600 bis 2.500 mm Jahresniederschlag.

Begrenzende Faktoren sind die Sommerwärme, Spätfröste und extreme Wintertemperaturen, so ist die obere Höhenverbreitung durch das Fehlen der Sommerwärme bedingt (Leibundgut 1991). Die Tanne ist wärmebedürftiger als Fichte und braucht mindestens drei Monate Vegetationszeit. Optimalstandorte sind gut wasserversorgt, die Tanne liebt luftfeuchte Lagen.

Tanne ist weitgehend bodenvag, sie kommt sowohl auf karbonatreichen Substraten als auf basenarmen Silikatböden vor, auf Kalk hat aber die Buche höhere Konkurrenzkraft. Ideale Tannenstandorte sind nachhaltig frische, tiefgründige Braunerden. Mit einer genetisch fixierten Pfahlwurzel ist sie in der Lage, selbst dichte Pseudogleye mit mangelnder Durchlüftung aufzuschließen ("Tannenzwangsstandorte").

In ihren natürlichen Vorkommen ist die Tanne eine ausgeprägte Mischwaldbaumart. Reine Tannenbestände sind in Naturwäldern sehr selten. Nur in mediterranen Bergwäldern kommt es häufiger zu Reinbeständen, wohl auch durch das Fehlen der Fichte. Im Alpenraum kommt die Tanne in einem überraschend breiten Spektrum von Waldtypen vor.

  • Subalpiner Fichten-Wald – sporadisch, meist reliktisch
  • Montaner Fichten-Wald – sporadisch, meist reliktisch
  • Fichten-Tannen-Wald – zonales Vorkommen der Zwischenalpen, heute von Fichte dominierte Waldgesellschaften mit ursprünglich reichlichem Vorkommen der Tanne
  • Fichten-Tannen-Buchen-Wald – zentrales zonales Vorkommen, von Substrat und Klima abhängige Dominanz von jeweils einer der drei Hauptbaumarten
  • Submontaner Buchenwald – beigemischt, sowohl anthropogen als auch klimatisch verursachter Arealverlust
  • Bergahorn-Eschenwald – sporadisch
  • Bergahorn-Buchenwald – sporadisch
  • Lindenmischwald – sporadisch
  • Eichen-Hainbuchen-Wald – sporadisch, wahrscheinlich anthropogen verursachter Arealverlust
  • Eichen-Wald – selten, wahrscheinlich anthropogen verursachter Arealverlust
  • Weißkiefern-Wald - sporadisch

Innerhalb der grob gefassten Waldtypen ist die Tanne Bestandteil oft sehr differenziert ausgebildeter Waldgesellschaften. Schon die sehr breite natürliche Vergesellschaftung zeigt, dass sich die Tanne hervorragend und vielseitig als Mischbaumart eignet.

Beste Regenerationsfähigkeit

Das Areal einer Baumart erlaubt einen ersten Hinweis auf ihre genetische Gesamtkonstitution, die Tanne ist dabei als eine Baumart des Bergmischwaldes einzustufen - mit einer erstaunlichen Trocken­heitsresistenz auch in mediterran-montanen Berglagen (Korsische und Kalabrische Tannen). Das Areal der Tanne ist im Vergleich zur Buche viel weiter nach Südost-Europa verschoben mit einem Schwerpunkt in montanen Bergmischwäldern. Hingegen ist die Buche viel stärker durch das humide atlantische Klima geprägt und nimmt in ihrem Optimum submontane Tieflagen ein.

Inneralpine Tannenpopulationen auf trockenen, subkontinentalen Standorten im Wallis, Vintschgau und Samnaun stellen Grenzvorkommen dar und sind mit der Korsischen Trockentanne vergleichbar. Wie letztere weisen diese Pioniereigenschaften auf und können Freiflächen auf Extremstandorten besiedeln.

Herkunftsversuche haben erhebliche Unterschiede europäischer Weißtannenprovenienzen gezeigt, nicht nur hinsichtlich des Wachstums, sondern auch in Hinblick auf die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten (Trieblaus, Tannenkrebs).
Neuere Auswertungen dieser Herkunftsversuche (George et al. 2015) zeigen, dass die Tanne bei Trockenstress geringe Wachstumseinbußen im Vergleich zu Fichte und Lärche aufweist. Aber: von allen Baumarten hat Tanne die beste Regenerationsfähigkeit und erreicht schnell wieder das ursprüngliche Wuchspotenzial.

Gefährdung durch mehrere Faktoren

Die Tanne hat sich in den letzten Jahrzehnten entgegen früherer Befürchtungen (Stichwort Tannensterben) recht stabil gezeigt, dennoch kommt es immer wieder zu auffallenden Schäden, wenn mehrere Faktoren zusammenwirken. Dazu gehören vor allem hohe Niederschlagsdefizite, in letzter Zeit zunehmender Mistelbefall, Hallimasch (Armillaria sp.) und meist verbunden mit Perioden wärmerer Witterung die krummzähnigen Tannenborkenkäfer (Pityokteines curvidens, P. spinidens und P. vorontzovi) sowie der gekörnte Tannenborkenkäfer (Cryphalus piceae).

Auch Bockkäfer und der Tannenrüssler (Pissodes piceae) können dabei verstärkt Schäden verursachen. Vor allem in Dickungen und Stangenhölzern treten häufig die Tannentriebläuse (Dreyfusia normanniana und D. merkeri) sowie die Tannenstammlaus (D. piceae) auf. Jungpflanzen sind gelegentlich verstärkt durch den Großen Braunen Rüsselkäfer (Hylobius abietis) gefährdet. Die Tanne ist sehr empfindlich gegen Spätfröste, das erklärt das Fehlen in frostgefährdeten Beckenlagen.

Spezifisches Wuchsverhalten

Die Schattbaumart Tanne wächst in der Jugend langsam, wird gerne verbissen, vor allem gravierend wirkt sich der Terminaltriebverbiss auf die Mischungsrelationen während der Wachstumsphasen aus. Die Daten der Österreichischen Waldinventur zeigen ein differenziertes Bild des Terminaltriebverbisses. Erhebungsflächen mit über 90 Prozent Terminaltriebverbiss der Tanne haben über die drei letzten Erhebungsperioden abgenommen (Abbildung 1).

Verbiss von Witterung beeinflusst

Verbissaufnahmen sind immer Momentaufnahmen, die noch dazu durch unterschiedliche Witterungsverläufe stark beeinflusst werden. Die Waldverjüngung ist aber ein Prozess, der sich über Jahre hinzieht. Entscheidend für das Konkurrenzgleichgewicht der Baumarten in gemischten Verjüngungen ist der Verlust des Terminaltriebes. Die verbissene Tanne kann nur aus dem nächst tieferen Astquirl wieder austreiben, gegenüber dem unverbissenen Nachbar hat sie einen nicht wieder einholbaren Konkurrenznachteil.

Bei mehrmaligem Verbiss führt dieses Defizit im Höhenwachstum schon nach sehr wenigen Jahren dazu, dass die Tanne von anderen Baumarten hoffnungslos überwachsen wird und überhaupt nicht mehr mit kann. Deswegen können auch geringe jährliche Verbissprozente von 12 - 15 Prozent schon zum Ausfall der Tanne in gemischten Verjüngungen führen. Aus erhebungstechnischen Gründen wird der noch viel wirksamere Keimlingsverbiss und Verbiss von Pflanzen unter 10 cm in den Statistiken gar nicht erfasst.

Wie wirkt sich der seit vielen Jahren anhaltende Verbissdruck auf die Gesamtentwicklung der Tanne in Österreich aus? Während der Vorrat in den älteren Wuchsklassen zunimmt, nimmt er in den jüngeren Wuchsklassen Stangenholz und Baumholz I stark ab (Abbildung 2).

Dieses Phänomen wird noch deutlicher, wenn man die Verteilung und Entwicklung der Vorräte über die BHD-Klassen betrachtet. Dabei zeigt sich ganz deutlich die Konzentration des Zuwachses auf die starken Durchmesserklassen. Während in den BHD-Klassen bis 45 cm die Vorräte kontinuierlich abnehmen, nehmen diese in den stärkeren Durchmesserklassen noch immer zu (Abbildung 3).

Waldbauliche Behandlung

Die Tanne ist eine Schlussbaumart mit breiter ökologischer Amplitude. Ein waldbaulicher Vorteil der schatten­toleranten Baumart ist die Toleranz gegen Überschirmung und Seitendruck. Sie ist daher auf den richtigen Standorten eine ideale Mischbaumart zur wirtschaftlichen Aufwertung und Verringerung des Produktionsrisikos gegenüber Reinbeständen. Die Beimischung der Schattbaumart Tanne erlaubt einen höheren Nadelholzanteil, als wenn nur Lichtbaumarten beigemischt wären.

Das Verjüngungsverfahren muss dem artspezifischen Entwicklungsrhythmus angepasst sein: Die langsame Jugendentwicklung erfordert lange Verjüngungszeiträume und ein langsames Anpassen des Schirmes an Freilandbedingungen. Abrupte Freistellungen müssen unterlassen werden, um Jahrringsprünge mit negativen Auswirkungen auf die Holzqualität zu vermeiden. Im Oberstand erreicht die Tanne starke Wertholz-Dimensionen dank eines bemerkenswerten und anhaltenden Wuchsverhaltens, die hohe Wertleistung ist bedingt durch eine geringe Abholzigkeit und einen hohen Starkholzanteil bei weniger Fäulegefahr.

Die Tanne ist eine unverzichtbare Schutzwaldbaumart, zum Beispiel in den Standortschutzwäldern im randalpinen Fichten-Tannen-Buchen-Waldgebiet, aber auch auf vielen anderen Schutzwaldstandorten. Die Tanne ist an Bedingungen des Plenterwaldes und anderer Formen des Dauerwaldes sehr gut angepasst (Schütz 2001). Wohl auch deshalb hat sich die Tradition der Plenterwälder im Jura, Emmental, aber auch im Mühlviertel oder Bregenzerwald gerade dort herausgebildet, wo ideale Standortsbedingungen für die Baumart bestehen.

Holzeigenschaften und -verwendung

Die Tanne ist weniger anfällig gegenüber Sturm, Schnee- und Eisbruch. Sie kennt zwar auch Schadinsekten, ist aber bei weitem nicht in dem Ausmaß durch Borkenkäferkalamitäten gefährdet wie die Fichte. Alleine das geringere Betriebsrisiko in Zeiten des Klimawandels sollte allfällige Nachteile ausgleichen. Die Verluste der Fichten-Wirtschaft durch "zufällige Nutzungen" werden vielfach unterschätzt.
Tanne wird nicht in dem Ausmaß geschält wie die Fichte. Tanne ist nicht von Rotfäule betroffen, der Preis rotfauler Fichte ist trotz "Tannenabschlag", der unberechtigt ist, niedriger als jener der Tanne. Dieser beträchtliche wirtschaftliche Mehrwert der Tanne bleibt meist unbeachtet.

Fehlerfreies Holz und gute Qualitäten sind gesucht und gut bezahlt. Bei richtiger waldbaulicher Behandlung ist das Tannenholz selbst von Fachleuten vom Fichtenholz kaum unterscheidbar. Tanne hat Vorteile überall dort, wo die Harzfreiheit des Holzes wichtig ist (z.B. Saunabau), wo die Imprägnierbarkeit und Aufnahme­fähigkeit für Lasuren vorteilhaft ist oder im Wasserbau.

Erfolgreiche Marketingkonzepte wie die Initiative "Tanno" zeigen, wie Tannenholz begehrt gemacht werden kann und die Nachfrage erhöht werden kann.

Literatur 

  • Cheddaddi R., Birks, H J. B., Tarroso P., Liepelt S., Gömöry D., Dullinger S., Meier E. S., Hübler K., Maiorano L., Laborde H. 2014: Revisting tree-migration rates: Abies alba (Mill.), a case study. Veget Hist Archaebot (2014) 23:113-122.
  • George J-P., Schueler S., Kranitsch-Ackerl S., Mayer K., Klumpp R. T., Grabner M. 2015: Inter- and intra-specific variation in drougt sensitivity in Abies spec. and ist relation to wood density and growth traits. Agricultural and Forest Meteorology 214-215 (2015):430-443.
  • Kral F. 1979: Spät- und postglaziale Waldgeschichte der Alpen auf Grund der bisherigen Pollenanalysen. Kommissionsverlag Österreichischer Agrarverlag . Wien
  • Kral F. 1980: Waldgeschichtliche Grundlagen für die Ausscheidung von Ökotypen bei Abies alba. In: Mayer H. (Hrsg.) 3. IUFRO-Tannensymposium, Österreichischer Agrarverlag, Wien.
  • Leibundgut H. 1991: Unsere Waldbäume – Eigenschaften und Leben. Paul Haupt. Stuttgart.
  • Schütz J-P. 2001: Der Plenterwald und weitere Formen strukturierter und gemischter Wälder. Parey. Berlin.
  • Tinner W., Conedera M., Bugmann H., Colombaroli D., Gobet E., Vescovi E., Heiri O., Joos F., Luterbacher J., La Mantia T., Pasta S., Untenecker J., Henne P. D. 2016: Europäische Wälder unter wärmeren Klimabedingungen. Neue Erkenntnisse aus Paläoökologie und dynamischer Vegetationsmodellierung.