Weltweit gibt es fünf verschiedene Arten der Gattung Edelkastanien (Castanea), wovon in Europa einzig die Art Castanea sativa vorkommt. Sie stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum (Türkei) und wurde vor 2.000 Jahren durch die Römer verbreitet, die sie hauptsächlich als Nahrungsquelle für ihre Soldaten nutzten. Sie ist eine wärme- und lichtliebende Baumart und wächst in Deutschland vorwiegend im Südwesten im Weinanbauklima. In Rheinland-Pfalz bildet sie sogar ganze Bestände und kommt dort in großen Kastanienhainen vor.

Die Edelkastanie meidet Kalk-Standorte. Sie wächst auf mäßig trockenen bis frischen ausgehagerten Buntsandstein-Böden und verträgt Sommertrockenheit gut. Der Anteil an der Waldfläche liegt bundesweit deutlich unter einem Prozent. Lediglich am Oberrhein und vereinzelt in der Bodenseeregion Baden-Württembergs finden sich knapp 3.300 ha Anbaufläche. Rheinland-Pfalz verfügt über knapp 3.200 ha Anbaufläche, während alle übrigen Bundesländer nur marginale Vorkommen meistens als Park- oder Alleebäume aufweisen.

Morphologie und ökologische Bedeutung

Die Edelkastanie gehört zur Familie der Buchengewächse (Fagaceae) und ist eine raschwüchsige Pionier-Baumart. Durch tiefwurzelnde Pfahlwurzeln besitzt sie eine hohe Standfestigkeit. Die Blätter sind lanzettförmig, gesägt und 12 bis 20 cm lang. In dem stacheligen Fruchtbecher befinden sich zwei bis drei Nüsse, die der Baum im Alter von 10 bis 15 Jahren bilden kann. Der Baum blüht weiß im Juni bis Juli mit etwa 20 cm langen Blütenständen und ist eine wichtige Bienenweide.

In der Jugend hat die Edelkastanie eine rötliche glatte Spiegelrinde und als Altbaum eine grobborkige Rinde, die Kleinstrukturen für beispielsweise bedrohte Moose, Flechten und Insekten bietet. Dabei ist der Artenreichtum auf der Edelkastanie vergleichbar mit der Eiche, die eine ähnlich strukturierte Rinde besitzt. Beide Baumarten sind insbesondere für wärmeliebende Arten von Bedeutung. Organismen, die allein von der Edelkastanie abhängig sind, wurden jedoch nicht gefunden. Auffällig ist aber, dass Pilze eher Edelkastanien besiedeln als Eichen, was womöglich daran liegt, dass die Edelkastanie nach der Eiche eingewandert ist und deshalb noch keine Abwehrmechanismen gegen bestimmte Pilze entwickeln konnte.

Edelkastanien werden im Durchschnitt 200 Jahre alt, jedoch sind Ausnahmen von 500 bis 600 Jahren möglich.

Kulturelle und Wirtschaftliche Bedeutung – damals & heute

Früchte

In den Regionen, in denen die Edelkastanie seit Jahrhunderten wächst, ist sie eng mit der Sprache, den Bräuchen und der Wirtschaft der Region verwachsen. Wer kennt nicht den Spruch "Für jemanden die Kastanien aus dem Feuer holen"? Aufgrund des hohen Nährwertes der Früchte wurden Kastanien in armen Regionen mit wenig Getreideanbau zum Zwecke der Grundernährung angebaut, weshalb frühere Autoren sogar von "Kastanienzivilisationen" sprechen.

In der Pfalz wurde die Edelkastanie in Obstgartenstrukturen "Keschdegärde" angepflanzt. Geerntet wurden die Früchte mit Steigeisen und danach mit Hölzern aus der Schale geklopft und im Keller gelagert, damit sie an der Luft nicht austrockneten und hart und leicht wurden. Um die Früchte über den Februar hinaus zu lagern, wurden sie in der Schale aufbewahrt. Mit dem Siegeszug der Kartoffel verloren die "Keschdegärde" jedoch an Bedeutung.

Mit den Früchten aus der Pfalz und dem Elsass wurde im 16. Jahrhundert noch reger Handel betrieben und man verschiffte sie über den Rhein. Hauptabnehmer waren die Niederlande und England, wo die Bäume aufgrund des kühlen Klimas nicht wachsen konnten. Heute gibt es weltweit über 1.000 verschiedene Kastaniensorten und zur Fruchtproduktion gibt es Plantagen in geeigneteren Klimaregionen in Italien, Portugal, Spanien, Frankreich und der Türkei. Als sogenannte "Maronen" gelten jedoch nur die Früchte, von denen 90 Stück insgesamt mehr als ein Kilogramm ergeben.

Holz

Da die Edelkastanie im Weinbauklima wächst und durch ihren hohen Anteil an Gerbstoffen ein sehr dauerhaftes Holz bildet (bis zu 20 Jahre verwitterungsbeständig), wurde sie als Pfahlmaterial zur Reberziehung eingesetzt. Heute ist diese Anwendung wegen anderer bevorzugter Materialien (Beton, Kunststoff, Metall) jedoch zurückgegangen.

Da das Holz durch den Nutzungsrückgang ökonomisch kaum mehr von Wert war, versuchte man statt der Edelkastanie ertragsreichere Baumarten (Lärche, Douglasie) anzupflanzen, was wegen den starken Stockausschlägen der Edelkastanie nicht gelang.

In den 1980ern erlebte Kastanienholz für die Lawinenschutzverbauung in den Alpen jedoch wieder einen Aufschwung, weil es die verwitterungsstabilere Option zum Nadelholz darstellt.

Im Gegensatz zu anderen Baumarten ist bei der Kastanie das schwache gerade Holz von höherem Wert (Erlös: 60 bis 80 €/fm) als das starke. Das liegt daran, dass das schwache Holz nicht eingeschnitten oder verarbeitet werden muss, sondern direkt für den Lawinenschutz oder in Außenanlagen (Gärten, Spielplätze) verbaut wird. Der Vermarktungsanteil des Schwachholzes liegt bei 60%.

Stärkeres Holz (BHD > 30 cm) kann sogar 150 bis 300 € erzielen, vergleichbar mit wertvollem Eichenholz und wird zur Parkett-, Decken- und Möbelherstellung verwendet. Jedoch kommt es häufig zu Holzschäden verursacht durch Pilze, weshalb diese Preise selten erzielt werden.

Früher wurden Edelkastanien-Niederwälder häufig als örtliche Brennholzquelle genutzt. Heute werden 35% des Einschlages als Energieholz vermarktet (45 €/fm).

Bewirtschaftung und Bestandesbegründung

Bestandesbegründungen durch Pflanzung werden mit Castanea selten durchgeführt. In der Regel nutzt man das Ausschlagsvermögen der Baumart, um vorhandene Bestände zu verjüngen.

Das Produktionsziel "schwaches Rundholz" ist besonders gut geeignet für den Kleinprivatwald, da ohne großen technischen Aufwand Holz geerntet und das Risiko der Holzentwertung durch Ringschäle gering gehalten wird (weniger als 5%). Hierfür erfolgt der erste Eingriff ungefähr im Alter 20, wenn der Bestand eine Oberhöhe von maximal 15 m hat. Zwei bis vier weitere Eingriffe folgen zugunsten gerader Stämme, die einen Zieldurchmesser von 40 cm erreichen sollen. Mit 40 bis 50 Jahren wird der Bestand wieder auf den Stock gesetzt.

Um das Produktionsziel "Wertholz" zu erreichen, muss ein hohes Erkrankungsrisiko für Ringschäle und Kastanienrindenkrebs in Kauf genommen werden. Jedoch kann dieses Produktionsziel auch einen praktischen Vorteil bieten, weil im Hauptbestand Wertholz und im Nebenbestand durch Stockausschläge schwaches Rundholz auf der gleichen Fläche produziert werden kann. Da ab dem Alter 25 das Höhenwachstum stark nachlässt, müssen Zukunftsbäume (Z-Bäume) frühzeitig freigestellt werden. Starke Durchforstungen verringern auch das Risiko, dass sich Pilzerkrankungen unkontrolliert ausbreiten. Ungefähr im Alter 10 bis 12 bei einer Oberhöhe von 12 m werden 35 bis 40 Z-Bäume pro Hektar ausgewählt. Ihre Kronen werden freigestellt, indem ungefähr acht Konkurrenten pro Z-Baum entfernt werden. Dadurch kann ein Zuwachs von 1,5 cm/Jahr erzielt werden (Zieldurchmesser ist 50 bis 60 cm im Alter 60). Alle drei bis fünf Jahre werden die Z-Bäume nochmals von konkurrierenden Stockausschlägen freigestellt. Meist ist wegen der schnellen natürlichen Astreinigung in Reinbeständen keine Ästung der Z-Bäume notwendig und wird nur für Mischbestände empfohlen. Gutes Kastanienwertholz kann 500 €/fm und mehr auf dem Markt erzielen. Durch das rasche Jugendwachstum der Edelkastanie gibt es kaum Rehverbiss, weshalb die Verjüngung nicht umzäunt werden muss.

Krankheiten und Holzentwertung

Der Edelkastanienrindenkrebs ist der Schlüsselschädling der Esskastanie. Er kommt ursprünglich aus Ostasien, wo die heimischen Kastanienarten Castanea molissima und Castanea crenata jedoch resistent gegenüber dem Erreger sind. 1904 wurde er erstmals an der amerikanischen Edelkastanie (Castanea dentata) entdeckt, wo er 1950 3,6 Mio. ha Kastanienwald vernichtete. Der Erreger wurde mehrfach nach Europa aus den USA und Ostasien über Italien, Spanien und Frankreich eingeschleppt. Durch die größere genetische Variabilität der Edelkastanie in Europa, ist der Erreger bei uns jedoch weniger aggressiv als in den USA. In Deutschland wurde er 1992 entdeckt, wobei Jahrringbeprobungen vermuten lassen, dass er bereits 1985 auftrat.

Um den Edelkastanienkrebs zu bekämpfen, werden abgestorbene Bäume gefällt, unbefallene Teile verwendet und befallene Teile verbrannt. Lebende befallene Bäume werden im Bestand belassen, um die Bildung von Resistenten zu fördern. Befallene Bestände können aber auch mit hypovirulenten Pilzstämmen beimpft werden. Hypovirulenz hat nichts mit der Baumabwehr zu tun, sondern es handelt sich dabei um virusähnliche Erreger (Cryphonectria hypovirus), die den Pilz dezimieren. Die Tintenkrankheit ist eine Pilzerkrankung aus der Gattung Phytophtora. Sie galt früher als Schlüsselschädling, spielt jedoch heute keine nennenswerte Rolle mehr.

Für eine gewisse Aufregung hat in der Vergangenheit die japanische Esskastanien Gallwespe gesorgt. Sie wanderte aus Asien ein und gilt hier als Quarantäneschädling. Mit Gallen befallene Astpartien können komplett absterben. Insbesondere bei den obstbaulich genutzten Esskastanien kann das zu deutlichen Ertragseinbußen führen. Im Forst ist der Schädling bislang eher als weniger bedeutend einzustufen. Der Quarantänestatus dieses Schädlings ist zunächst auch primär der Tatsache geschuldet, dass noch wenige Erfahrungen über ein zukünftiges Schädigungspotenzial vorliegen.

Problematisch ist heute neben dem Kastanienkrebs noch die Ringschäle (Abb. 4). Hierbei führen Spannungen im Holz zu einer Auflösung des Holzverbundes im Verlauf der Jahrringe, was das Holz nachhaltig entwerten kann. Die Ursachen sind nicht völlig geklärt. Vermutet werden Wechselwirkung zwischen genetischer Disposition und Standort.

Vermehrungsgut für den Waldbau

In Rheinland-Pfalz wurde von 1988 bis 2009 ein Herkunftsversuch durchgeführt, um Unterschiede in Wüchsigkeit, Vitalität und äußerer Erscheinungsform in den Vorkommensgebieten herauszufinden. Dabei wurden 16 Herkünfte auf die Parameter Höhe, Durchmesser des höchsten Triebs, Anzahl der Triebe, Stammform, Ästigkeit und Anfälligkeit für Rindenkrebs untersucht. Das Saatgut stammte aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Aus diesem Versuch heraus konnten die Erntebestände "Landau-Birkweiler" und "Oberkirch" bezüglich ihrer Qualitätsmerkmale überzeugen und werden daher als Vermehrungsgut für den Waldbau empfohlen. Bundesweit werden für die Anzucht von Jungpflanzen pro Jahr zwischen 8 und 12 t Saatgut geerntet. Verglichen mit anderen schwerfrüchtigen Arten wie beispielsweise der Stieleiche, die Erntemengen zwischen 150 und 200 t jährlich bringt, sind die Erntemengen bei Castanea jedoch sehr gering.

Ausblick

Vielleicht ändert sich das in Zukunft? Die Esskastanie ist eine Baumart, die unter dem Klimawandel eine hohe ökologische Wertigkeit gut mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verbinden kann. Durch die Option, bereits frühzeitig schwach dimensionierte Sortierungen wirtschaftlich gut nutzen zu können, eignet sie sich gut für Kleinprivatwald und kann gut zu einer ökologischen wertvollen Diversifizierung der Bestände beitragen.