Beobachtungen von Versuchsflächen und die Auswertung von Wiederholungsinventuren führen häufig zum Ergebnis, dass die Wuchsdynamik der untersuchten Bestände erheblich von den Erwartungswerten unserer Ertragstafeln abweichen. Zur großräumigen Quantifizierung dieser Effekte wurde eine Serie von Forschungsprojekten zum Wachstumstrend von Fichte, Kiefer und Buche durchgeführt und mit den hier vorgestellten Ergebnissen zum Zuwachsverhalten von Eichen nun abgeschlossen.

Veränderte Umweltbedingungen haben auch bei den Eichen ein gestiegenes Wachstum bewirkt. Eichen auf besseren Standorten lassen im Alter von 140 Jahren inzwischen durchaus Brusthöhendurchmesser von 70 cm erwarten. Damit sind extreme Stammzahlabsenkungen oder die Festlegung auf sehr wenige Auslesestämme zur Verkürzung der Umtriebszeit nicht notwendig.

Wuchsdynamik auf Versuchsflächen weicht erheblich von den Ertragstafelwerten ab

In den letzten Jahrzehnten erhöhten sich in Eichenbeständen des Bayerischen Ertragskundlichen Versuchsflächennetzes vor allem die Grundflächenhaltung und der laufende Volumenzuwachs deutlich. Der zuwachssteigernde Effekt der Umweltveränderung lässt sich auf + 13 Prozent quantifizieren. Der erreichbare Nutzen von starken Durchforstungen beträgt im Mittel + 11 Prozent. Beide Effekte überlagern sich in unterschiedlicher Ausprägung und müssen getrennt betrachtet werden.

Wegen der sehr langen Umtriebszeit von Eichenbeständen sind Informationen zum aktuellen, möglicherweise geänderten Wuchsverhalten dieser Baumart von großem forstwirtschaftlichen Interesse. Ohne diese Kenntnis führt die kritische Hinterfragung waldbaulicher Bestandesbehandlungsmodelle möglicherweise zu falschen Entscheidungen.

Besonders die Frage, welches Entwicklungspotenzial einzelne Bäume in Abhängigkeit von ihrer Konkurrenzsituation aufweisen, wird sehr unterschiedlich gesehen. Wachstumstrends in die Betrachtungen einzubeziehen könnte bestehende Widersprüche klären helfen. Die Auswertung langfristiger Versuche liefert zu diesen Fragestellungen eine fundierte Zahlengrundlage. Die hier diskutierten Versuche sind Teil des Bayerischen Ertragskundlichen Versuchswesens. Die Flächen liegen in den Bereichen Fränkische Platte, Spessart, Südbayern und Pfälzer Wald. Die Beobachtungen beginnen ab 1900, die maximale Beobachtungszeit beträgt 98 Jahre und ein weites Altersspektrum von 50 bis 350 Jahren wird abgedeckt. Die Versuchsanlagen umfassen Parzellen mit ungestörter Bestandesentwicklung (A-Grade) sowie mit mäßiger und starker Hochdurchforstung.

Neuere Untersuchungen belegen, dass sich auch das Wachstum von Fichte und Kiefer in Bayern in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert hat. Weiser dafür sind die Entwicklung des Höhenwachstums, der Bestandesdichte oder des laufenden Volumenzuwachses über eine längere Beobachtungsperiode hinweg.

Grundflächenentwicklung

Sichere Hinweise auf Wachstumsänderungen liefert die Entwicklung der Bestandesgrundflächen. Die Ertragstafel Jüttner (1955), mäßige Durchforstung zeigt das Niveau der Grundflächenhaltung von Eichenbeständen vor dem Jahre 1950, die nur mäßig stark behandelt wurden. Die Grundflächenhaltung für die starke Durchforstung grenzt den Handlungsrahmen nach unten ab, wie ihn Jüttner im Jahre 1955 zwischen mäßiger und starker Durchforstung gesehen hat. Die Differenz beträgt ca. 5 m2 in der Grundflächenhaltung. Das Wachstumspotenzial in unbehandelten Eichenbeständen (A-Grad) liegt deutlich über der Linie für die mäßige Durchforstung und erreicht Maximalwerte von 40 m2/ha (Abb. 2). Die Grundflächenhaltung der starken Durchforstung liegt im Bereich von 15 m2/ha, ganz deutlich unter der Vergleichslinie der Ertragstafel für die starke Durchforstung. Damit decken die Versuchsanlagen ein breites Dichtespektrum ab. Obwohl die Bestände "ertragstafelgemäß" durchforstet wurden, waren die Eingriffe in der Konsequenz wesentlich stärker, als sie per Definition vorgesehen waren.

Bemerkenswert ist, dass die Grundflächenhaltung in den A-Graden in den letzten Jahrzehnten deutlich, vom Ertragstafelniveau ausgehend, und sehr steil angestiegen ist (Abb. 2). Nachdem die Höhenentwicklung nahezu ertragstafelgemäß verläuft, aber die Grundflächenwerte von den Ertragstafelvorstellungen mehr und mehr abweichen, ist zu folgern, dass sich das Ertragsniveau der Bestände in erheblichem Maße verbessert hat.

Laufender Volumenzuwachs

Der laufende periodische Volumenzuwachs ist gut geeignet, die Leistungsfähigkeit eines Bestandes zusammenfassend auszudrücken (Abb. 3). Die Ertragstafeln nach Jüttner (1955) zeigen für die mäßige und starke Durchforstung einen sehr ähnlichen Verlauf der Zuwachskurven.

Der laufende Volumenzuwachs in den dichten Versuchsbeständen liegt zwischen 10 und 16 VfmD/ha und Jahr (nur der Eichenanteil – die im Bestand vorhandenen Buchen im Hauptbestand und der Buchenunterstand wurden nicht berücksichtigt). Die Kulmination findet im Vergleich zur Ertragstafel um 30 bis 40 Jahre später statt. Die hohe Zuwachsleistung sinkt mit zunehmendem Alter nur langsam ab. Die stark behandelten Parzellen zeigen noch Zuwächse zwischen 6 und 12 VfmD/ha und Jahr. Die Mehrzuwächse dichter Parzellen liegen 50 bis 60 % über den Tafelwerten, die Zuwachswerte der stark behandelten Parzellen erreichen die Werte der Ertragstafeln oder bleiben bis 30 % darunter. Insgesamt ist das Zuwachspotenzial in den untersuchten Eichenbeständen erheblich größer als bisher angenommen. Für die Wirkung von Durchforstungen ist es wichtig, dass auch in höherem Alter noch hohe Zuwachsleistungen möglich sind. Demnach kann die Eiche lang anhaltend auf Durchforstungseingriffe reagieren.

Einzelbaumwachstum

Dieses Thema wird am Eichen-Durchforstungsversuch Rohrbrunn 620 diskutiert. Der Versuch wird seit 1981 beobachtet, er war damals 54 Jahre alt und hatte eine Oberhöhe von 20 m. Auf den stark behandelten Parzellen wurden ca. 120 VfmD/ha und Jahrzehnt entnommen. Bemerkenswert ist zunächst, dass die mittleren Jahrringbreiten der 100 stärksten Stämme/ha auf allen Parzellen über 2 mm/Jahr liegen. Dies deutet auf einen stark wirkenden positiven Wachstumstrend im Untersuchungsgebiet Spessart hin. Wird die Parzelle durchforstet, steigt der Zuwachs deutlich an. Wird die Durchforstung stärker, erhöht sich der Zuwachs nur noch geringfügig. Der Radialzuwachs ist im F-Grad um 28 % höher als im A-Grad, aber nur um 9 % höher als im E-Grad (Tab. 1).

Tab. 1: Entwicklung der durchschnittlichen Jahrringbreite der Oberhöhenstämme und der flächenbezogenen Zuwachsleistung der Versuchsfläche Rohrbrunn 620; die Durchforstung begann im Alter von 54 Jahren bei einer Oberhöhe von 20 m, die Beobachtungszeit beträgt 21 Jahre; F =Frühjahr, H = Herbst.
 A-GradE-GradZ-BaumF-Grad
Durchmesser des Oberhöhenstammes 1981 (F)/2001 (H) in cm21,6/30,521,6/32,221,0/31,721,5/32,9
Durchmesserzuwachs 1981-2001 in cm8,910,610,711,4
Mittlere Jahrringbreite in mm2,122,532,552,71
Mehrzuwachs gegenüber A-Grad in mm0,000,410,430,60
Radialzuwachs in % vom A-Grad100119120128
Mittlerer laufender Volumenzuwachs zwischen 1981 und 2001 in VfmD12,9 100%10,6 82%9,7 75%8,2 64%

Als Konsequenz aus dem sehr starken Eingriff sinkt der Volumenzuwachs im F-Grad auf 64 % des A-Grades ab. Im E-Grad beträgt die Steigerung im Durchmesserzuwachs immerhin 19 %, gleichzeitig werden noch 82 % des laufenden Volumenzuwachses des A-Grades geleistet. Der im Versuch Rohrbrunn 620 ausgeführte E-Grad ist von der Eingriffsstärke etwas höher als die Eiche derzeit ortsüblich im Spessart durchforstet wird. Aus diesen Reaktionen können optimale Eingriffsstärken abgeleitet werden, die einen hohen einzelbaumbezogenen Zuwachs und eine ausreichende Flächenproduktivität sicherstellen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die bekannten Zuwachsmuster bei Durchforstung (Assmann 1961) auftreten, die Bestände aber insgesamt auf einem wesentlich höheren Zuwachsniveau liegen als dies früher der Fall war. Dies wird am Niveau des laufenden Volumenzuwachses deutlich, der im Mittel der 22 Beobachtungsjahre zwischen 8,2 und 12,9 VfmD/ha und Jahr liegt.

Schlussbetrachtung

Die Auswertungen von über 50 langfristig beobachteten Versuchen zu Wachstumstrends der Hauptbaumarten stellen zwei Effekte ganz klar heraus: den großflächig wirkenden Einfluss der Umweltveränderung (Stickstoffeintrag, CO2-Anstieg und Temperaturänderung) und den lokal wirkenden Einfluss der Durchforstung (Abb. 4).

Der Umwelteffekt lässt sich als Veränderung des Volumens des Grundflächenmittelstammes mäßig durchforsteter Bestände im Vergleich zur Ertragstafel im Alter 100 quantifizieren. Er wirkt bei Kiefer und Fichte (+33 % bzw. + 27 %) besonders stark, bei Buche und Eiche mit + 12 bzw. + 13 % deutlich schwächer, die Größenordnung ist jedoch nicht zu vernachlässigen.

Der Durchforstungseffekt, gemessen an der Veränderung des Volumens des Grundflächenmittelstammes mäßig durchforsteter Bestände im Vergleich zu stark durchforsteten Beständen ist bei Buche (lang anhaltendes Reaktionsvermögen) und bei Kiefer (starke Reaktion auf Förderung in der ersten Hälfte der Umtriebszeit) besonders stark. Dieser Effekt ist bei Eiche und Fichte mit einer Steigerung um 11 bzw. 9 % schwächer ausgeprägt, die Reaktionsfähigkeit auf Standraumerweiterung ist begrenzt.

Insgesamt ergibt die Überlagerung beider Effekte eine faktische Steigerung des Einzelbaumwachstums um bis zu 60 % (Kiefer). Die untersuchten Eichenbestände zeigen mit einer Steigerung um 25 % die schwächste Reaktion. Gleichzeitig bedeutet das für eine an hoher Qualität orientierten Eichenwirtschaft, dass z. B. Jahrringbreiten unter 2 mm unabhängig von der Durchforstung wohl eher der Vergangenheit angehören.

Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass Eichenbestände in Süddeutschland insgesamt höhere Zuwachsleistungen erbringen als bisher üblich. Auf besseren Standorten in Südbayern sind im Alter von 140 bis 150 Jahren durchaus Eichen mit BHD-Werten über 70 cm zu erwarten. Damit sind extreme Stammzahlabsenkungen oder die Festlegung auf sehr wenige Z-Stämme zur Verkürzung der Umtriebszeit nicht notwendig. Die Beurteilung der Wirksamkeit von bestimmten Behandlungsstrategien kommt ohne Berücksichtigung der Wirkung von Wachstumstrends zu falschen Ergebnissen.

Dr. Heinz Utschig ist stellvertretender Betriebsleiter im Forstbetrieb Wasserburg des Unternehmens Bayerische Staatsforsten und war wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München.

Hans Herling war Doktorand am Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München.

Prof. Dr. Hans Pretzsch leitet den Lehrstuhl für Waldwachstumskunde an der TU-München.