Die Weißtanne (Abies alba; im folgenden "Tanne") spielt in Südwestdeutschland (Baden-Württemberg) eine besondere Rolle. Sie stellt hier die wichtigste natürliche Nadelbaumart dar. Ihr Anteil lag im ursprünglichen Naturwald im landesweiten Durchschnitt nur wenig unter 20 %. In den Tannengebieten, vor allem im Schwarzwald, waren die Anteil noch wesentlich höher und die Tanne war neben der Buche die regional dominierende Baumart.

Trotz erheblicher – historisch bedingter – Flächenrückgänge blieb der Tanne in Südwestdeutschland bis heute eine Sonderstellung erhalten. Ausweislich der zweiten Bundeswaldinventur (BWI2) konzentriert sich der Hauptanteil (> 60 %) der deutschen Tannenvorkommen auf Baden-Württemberg. Der Abstand zum zweiten regionalen Schwerpunkt in Bayern (rd. 30 % der Tannenfläche in Deutschland) ist bereits erheblich; in den anderen Bundesländern kommen heute allenfalls marginale Tannenflächen vor.

Die regional stark ungleichmäßige Verteilung der Baumart spiegelt sich naturgemäß auch in den Anteilen der Tanne an den Wäldern der einzelnen Bundesländern wieder: Während die Wälder Baden-Württembergs noch zu gut 7 % aus Tanne bestehen, liegen die Tannenanteile in Bayern mit ca. 2 % der Waldfläche nur noch knapp über dem Bundesdurchschnitt.

Auch innerhalb Baden-Württembergs ist das Tannenvorkommen regional klar konzentriert. Der Schwerpunkt liegt eindeutig im Wuchsgebiet Schwarzwald (Abb. 1), das bei einem mittleren Tannenanteil von knapp 18 % nahezu zwei Drittel der Tannenfläche des Landes umfasst (63 %).

Die besondere forstliche Bedeutung der Tanne in Südwestdeutschland beruht auch auf ihrer Leistungsfähigkeit. Mit einer mittleren jährlichen Zuwachsleistung von rd. 16 Vfm/ha (BWI2) liegt sie landesweit etwa auf dem Niveau der Fichte, zu der sie unter geeigneten Voraussetzungen eine ökonomisch interessante Alternative bilden kann: Beide Holzarten bedienen vergleichbare Marksegmente, da Gesamtwuchsleistungen, produzierte Dimensionen und technische Eigenschaften des Holzes vergleichbar sind. Hinzu kommt, dass die Tanne im Vergleich zur Fichte unter entsprechenden Bedingungen Waldschutzrisiken gegenüber weniger anfällig ist. Dies gilt beispielsweise für Risiken durch Sturm, Borkenkäfer oder Rindenverletzungen und Fäulen. Eine Ausnahme bildet allerdings die besondere Empfindlichkeit der Tanne für Schäden durch Schalenwildverbiss. Sie erfordert die effektive Regulierung von Wildbeständen als unabdingbare Grundvoraussetzung erfolgreicher Tannenwirtschaft.

Nachdem sich vor dem Hintergrund aktueller Szenarien von Klima-Projektionen für den Fichtenanbau in Baden-Württemberg gravierende Folgen abzeichnen, erscheint es bei der Prüfung potentieller Alternativen sinnvoll, auch die Möglichkeiten und Beschränkungen der Tanne zu bewerten. Im Folgenden sollen daher für Tanne im Vergleich zur Fichte unter südwestdeutschen Verhältnissen Wachstumstrends und klimatisches Risiko dargestellt werden. Ergänzend folgen Hinweise zu waldbaulichen Voraussetzungen, um erfolgreich Tannenverjüngungen einzuleiten.

Durchmesser-Zuwachstrends herrschender Bäume

Beim Vergleich der Durchmesser-Zuwachstrends werden folgende bemerkenswerte Unterschiede zwischen Fichte und Tanne deutlich (Abb. 2):

  • Die Tanne zeigte etwa ab den 1960er bis in die 1980er Jahre eine auffällige Wachstumsdepression, die sich in dieser Ausprägung bei Fichte nicht findet.
  • Der Trendanstieg in den 1980er Jahren verlief bei Tanne deutlich steiler als bei Fichte.
  • Bei beiden Baumarten ist in jüngster Vergangenheit ein Trendrückgang zu beobachten; dieser setzte jedoch bei Fichte erkennbar früher ein als bei Tanne. Beiden Baumarten gemeinsam ist dabei allerdings, dass die Trendumkehr bereits deutlich vor dem ausgeprägten Trockenjahr 2003 einsetzte.

Grundflächen-Zuwachstrends ganzer Bestände

Die Ergebnisse zeigen bei Fichte und Tanne deutlich, dass sich die Zuwachstrends der Grundfläche ganzer Bestände und der Durchmesser herrschender Bäume im Prinzip entsprechen (Abb. 3). Insbesondere zeigte der Grundflächenzuwachs von Tannen-Beständen vergleichbar wie der Durchmesserzuwachs herrschender Einzelbäume in den 1970/80er Jahren eine charakteristische Zuwachs-Depression. Und seit Beginn der 1990er Jahre (Fichten-Bestände) bzw. Mitte/Ende der 1990er Jahre (Tannen-Bestände) zeigten beide Baumarten wieder deutlich rückläufige Zuwachstrends.

Allerdings scheinen die Niveauunterschiede bei den Grundflächen-Zuwachstrends ganzer Bestände insgesamt weniger stark ausgeprägt. Dies könnte auf zwei unterschiedlichen Ursachen beruhen: Zum einen dürften sich die mehrjährigen Aufnahmeperioden nivellierend auf Extremwerte auswirken und/oder zum anderen könnten im Bestandesverband Bäume unterschiedlicher soziologischer Stellungen unterschiedlich reagieren und so ebenfalls nivellierend wirken.

Klima-Risiko

Bei der Annahme einer Klimaprojektion mit einem Zeithorizont bis zum Jahr 2050 zeigt sich, dass für die Fichte in weiten Teilen Südwestdeutschlands keine günstigen Verhältnisse mehr für einen flächigen Anbau bestehen könnten (Abb. 4). Die auf der Basis der für aktuelle Klimaverhältnisse abgeleiteten Klima-Risikokarte für Fichte günstigen Beurteilung des Anbaupotentials in Höhe von 55 % dürfte bis Mitte des Jahrhunderts um 39 Prozentpunkte zurückgehen. Dies ist auch deshalb besonders bedenklich, weil die für den Fichtenanbau nicht unerheblichen Risiken durch Sturmschäden bei dieser Beurteilung noch gar nicht mit berücksichtigt sind.

Es wird also nötig sein, in größeren Bereichen des Landes leistungsfähige Alternativen zur Fichte zu finden. Als Alternative werden auch die Möglichkeiten der Tanne diskutiert.

Auf der Grundlage der vorliegenden Zwischenergebnisse zeichnet sich dabei folgendes ab:

Die statistische Beurteilung des Klima-Risikos auf der Grundlage europaweiter Verbreitungs- und Klimadaten führt auch bei der Tanne in Baden-Württemberg zu insgesamt plausiblen Ergebnissen. Bei der Abbildung lokal begrenzter Vorkommen stößt das Vorgehen jedoch an Grenzen: So wird beispielsweise das natürliche Tannen-Vorkommen im Bereich des Schwäbisch-Fränkischen Waldes nicht erfasst (Abb. 4). Zur Verbesserung der Trennschärfe der Modellierung könnte es unter Umständen hilfreich sein, den derzeit verwendeten, europaweiten Datensatzes zum Vorkommen durch räumlich stärker aufgelöste Informationen, beispielsweise aus Betriebsinventuren, zu ergänzen.

Insgesamt wird auch deutlich, dass sich die Verhältnisse für Tanne weniger einschneidend verändern dürften als für Fichte. In einigen Bereichen Baden-Württembergs könnte die Tanne tatsächlich mittelfristig, als klimatisch besser geeignete ertragsstarke Baumart, die Fichte zumindest teilweise ersetzen. Diese vorläufige Einschätzung gilt in Südwestdeutschland allerdings nur für Gebiete innerhalb des natürlichen Tannen-Verbreitungsgebietes.

Tannengerechter Waldbau

Insgesamt bietet also die Tanne als natürliche Hauptbaumart in gewissem Umfang auch Potential im Klimawandel. Voraussetzung, um dieses Potential effektiv nutzen zu können, ist jedoch ein tannengerechter Umgang mit dieser Baumart. Dies gilt sowohl für die waldbaulichen Anforderungen hinsichtlich der Verjüngung als auch einer stabilitätsfördernden Bewirtschaftung in langfristig strukturreichen Beständen ohne abrupte Strukturwechsel.

Besondere Aufmerksamkeit erfordern die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verjüngung. Prinzipiell kann sich die ausgeprägte Schattbaumart vor allem unter Schirm sehr gut gegen stärker lichtbedürftige Konkurrenten wie beispielsweise die Fichte durchsetzen. Erfolgreiche Tannen-Wirtschaft ist daher im Regelfall an (Natur-)Verjüngungsverfahren mit über Jahrzehnte anhaltenden Überschirmungsphasen gebunden. Neben Plenterwälder bieten vor allem langfristige Femelwälder beste Voraussetzung für Tanne.

Höhenvorsprung der Tanne notwendig

Der Einfluss der Überschirmungsdauer (Hiebsgeschwindigkeit) auf die Entwicklung der Tannen-Verjüngung zeigt sich exemplarisch in einer systematischen FVA-Versuchsreihe zur langfristigen (Femel-)Verjüngung in hiebsreifen Tannen-Fichten-Mischbeständen. An fünf verschiedenen Orten wird auf insgesamt 19 Versuchsfeldern u. a. die Entwicklung der Naturverjüngung bei unterschiedlich rascher Nutzung des Altbestandes untersucht: rasche Nutzung innerhalb von 20 Jahren, mittlere Nutzung innerhalb von 35 Jahren und langsame Endnutzung innerhalb von 50 Jahren; zum Vergleich dienen geschlossene Vorratspflegefelder, in denen lediglich 50 % des laufenden Zuwachses genutzt werden. Die Intervalle zwischen den Aufnahmen von Altbestand und Verjüngung sowie der Behandlung betragen im Regelfall 5 Jahre. Die Abb. 5 zeigt die Entwicklung der Verjüngung über fünf Aufnahmen nach einer Versuchsdauer von 25 Jahren. Auf den Feldern mit raschem Verjüngungsgang ist die Verjüngung seit der vierten Aufnahme (nach 20 Jahren) vollständig vom Altbestandsschirm frei gestellt. Auf den Feldern mit mittlerer Verjüngungsgeschwindigkeit ist der Vorrat des Altbestands zwischenzeitlich auf 30 % des Ausgangsvorrates abgesenkt und bei langsamer Verjüngung auf 60 %. Dargestellt in Abb. 5 ist die Oberhöhe der Tannen im Vergleich zu den Fichten.

Deutlich erkennbar ist, dass während der Überschirmung die Tanne erwartungsgemäß im Vergleich zur Fichte größere Höhenzuwächse realisiert und dadurch in der relativen Höhe kontinuierlich zulegt (Abb 5). Während sich bei raschem Verjüngungsgang (Nutzung des Altbestandes innerhalb von 20 Jahren) in den Phasen mit stark aufgelockertem bzw. bereits abgedecktem Schirm (Aufnahmen 3–5) eine Stagnation der Höhenrelation zwischen Tanne und Fichte andeutet, baut die Tanne auf den anderen Flächen bei (noch) anhaltender Überschirmung ihren Höhenvorsprung weiter aus.

Rasche Hiebsgänge und insbesondere abrupte Freistellungen (z. B. durch Sturm) sind der Entwicklung von Tannen-Verjüngungen grundsätzlich abträglich. Zum einen leidet die Schattbaumart auf Freiflächen unter Problemen (z. B. Frost, Lausbefall). Zum anderen fällt sie in gemischten Verjüngungen im Wachstum vor allem gegenüber der unter Freiflächenverhältnissen vorwüchsigen Fichte zurück. Problematisch kann dies insbesondere nach Sturmschäden werden, wie sich am Beispiel von "Lothar" klar gezeigt hat. Vom Sturm abgedeckte Naturverjüngungen enthielten zwar in erfreulich hohem Umfang nennenswerte Tannen-Anteile. In vielen gemischten Verjüngungen aus Fichte und Tanne zeichnete sich jedoch bereits bei einer Erhebung vier Jahre nach dem Sturm ab, dass die Tannen im Wachstum hinter den Fichten zurückzubleiben begannen: In 12 detailliert untersuchten gemischten Verjüngungen waren die Tannen unmittelbar vor dem Sturm im Mittel zwar geringfügig höher als die Fichten (116 % der Oberhöhe der Fichte); vier Jahre später (2003) waren die Tannen mit im Mittel 91 % der Oberhöhe bereits leicht hinter die Fichte zurückgefallen.

Um sich bis zur ersten Durchforstung im Herrschenden halten zu können, benötigen Tannen daher in unbehandelt wachsenden Mischverjüngungen im Regelfall bei Freistellung einen erheblichen Höhenvorsprung vor der Fichte. Dies zeigt sich bei einer anderen Untersuchung in unbehandelten, gemischten Naturverjüngungen 14 Jahre nach Freistellung durch Sturm (Frühjahr 1990): Die zum Zeitpunkt der Untersuchung (Winter 2003/04) noch im Herrschenden beteiligten Tannen hatten zum Zeitpunkt der Freistellung die Fichten um ein Mehrfaches an Höhe übertroffen (Abb. 6). Innerhalb von nur 14 Jahren hatten die Fichten diesen deutlichen Wuchsvorsprung im Wesentlichen bereits eingeholt. Die mit großem Höhenvorsprung gestarteten Tannen waren allerdings noch nicht entscheidend überwachsen sondern immer noch im Herrschenden beteiligt.

Diese Befunde unterstreichen die Erfahrung forstlicher Praktiker mit plötzlich freigestellten gemischten Verjüngungen aus Tanne und Fichte: Soll in solchen Situationen die Tanne als stabilisierendes Element in nennenswertem Umfang sicher bis zur Erstdurchforstung im Herrschenden erhalten bleiben, benötigt sie einen substantiellen Höhenvorsprung vor der Fichte. Trifft dies nicht zu, ist im Regelfall eine energische Mischwuchsregulierung zugunsten der Tanne erforderlich, um sie bis zum Beginn der Durchforstung im Herrschenden halten zu können.

Angepasste Wildbestände

Zu betonen ist, dass die einer erfolgreichen Tannen-Wirtschaft zugrunde liegenden langfristigen Verjüngungszeiträume in (strukturreichen) Beständen ausschließlich im Kontext angepasster Wildbestände realisierbar sind. Tatsächlich gilt im baden-württembergischen "Tannenland" der Nachweis waldbaulich für Tanne tragbarer (geringer) Verbissintensitäten als Gradmesser und Nagelprobe für die jagdliche Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung der Ziele des naturnahen Waldbaus.