Gezielte Nutzung der Starkholzvorräte

Während bis vor kurzem Nadelstammholz sehr stark sein sollte, haben sich diese Zeiten jetzt geändert. Mittelstarkes Nadelstammholz normaler Bauholzqualität wird nachgefragt und erzielt bei Stärkeklassen 2b und 3a (Mittendurchmesser 25 bis 29 cm und 30 bis 34 cm) Spitzenpreise. Im Unterschied dazu lassen Wertschätzung und Interesse an stärkeren Hölzern schon bei normaler Qualität mit zunehmender Dimension merklich nach. Die in der Praxis oft nicht erfüllten Qualitätserwartungen verschärfen dies noch.

Diese Situation ist nicht neu, sie hat sich lediglich verschärft. Starkholz geringer Qualität war auch in der "guten alten Zeit" nicht sehr begehrt. Nicht umsonst legten waldbauliche Richtlinien nur "wertvolles Starkholz" als Produktionsziel fest. Konsequenterweise kann bei durchschnittlicher Bauholzqualität das Produktionsziel für Nadelholz nur mittelstarkes Holz, keinesfalls Starkholz sein.

Angenommen, die Starkholzgrenze ist ein Anteil eines Viertels von Stammholz-Abschnitten der Stärkeklasse L5 (50 bis 59 cm), so entspricht dies bei Fichte und Tanne annähernd dem Brusthöhendurchmesser (BHD) von 60 cm. Davon gibt es in Baden-Württemberg große Mengen. Laut Bundeswaldinventur existieren von Fichten und Tannen mit BHD > 60 cm im Land ca. 33 Mio Vfm (Vorratsfestmeter), d. h. 13% des Vorrats dieser Baumarten. Verschärfend wirkt sich aus, dass gut ein Drittel mit BHD > 70 cm Werteinbußen aufweist. Erfahrungsgemäß sind in diesen Stärkebereichen keine herausragenden Qualitäten zu erzielen. Zudem gibt es im Stärkebereich BHD 50 bis 60 cm mit weiteren 41 Mio Vfm bereits knapp 30% des Fichten- und Tannenvorrates an der Schwelle zum Starkholz.

Angesichts dieser Größenordnungen sollte sich ein rational wirtschaftender Betrieb fragen, wie sich diese Entwicklung auf die Wertleistung auswirkt und wie waldbaulich sinnvoll gegenzusteuern ist. Inzwischen tragen die waldbaulichen Richtlinien und Zielsetzungen der Brisanz der Lage klar Rechnung: Als Produktionsziel gilt für Fichte und Tanne im Staatswald i. d. R mittelstarkes Stammholz durchschnittlicher Standardqualität mit einer Zielstärke von BHD 50 cm. Auch deutlich stärkeres Holz ist weiterhin als Produktionsziel möglich, jedoch ausschließlich von unbeschädigten Bäumen in Premiumqualitäten. Diese sind aber in den Fichten- und Tannenbeständen des Landes eher selten.

Trotz der klaren Richtlinien sind in der Forstpraxis die Fragen nach waldbaulichem Vorgehen besonders nach der notwendigen Konsequenz bei der gezielten Nutzung der Starkholzvorräte nach wie vor umstritten. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) hat deshalb praxisorientierte Versuche angelegt, um die Auswirkungen unterschiedlich intensiver Nutzungen ("konservativ" vs. "beschleunigt") auf die Entwicklung hiebsreifer Fichten- und Tannenbestände abschätzen zu können. Nach einem guten Jahrzehnt erscheint nun eine Zwischenbilanz dieser Versuche möglich.

Praxisversuch "Beschleunigte Nadelstarkholznutzung"

Von 2004 bis 2008 wurden in Baden-Württemberg in Fichten- und Tannen-Starkholzbeständen 9 Versuche (5 Fichte, 4 Tanne) zu Auswirkungen unterschiedlich rascher Nutzung angelegt. Als Starkholz wurden in 6 Versuchen Bäume der BHD-Zielstärke von 60 cm definiert; in 2 Versuchen bei Fichte mit BHD 55 cm.

Zwei Nutzungsintensitäten wurden festgelegt:

  • eine eher zurückhaltende "konservative Nutzung" mit 80 Efm*/ha und Eingriff, wie seinerzeit nicht praxisunüblich
  • und eine konsequente "beschleunigte Nutzung" mit 140 Efm/ha und Eingriff.
(*Efm: Erntefestmeter, entspr. Vorratsfestmeter abzgl. ca. 10% Ernte- und 10% Rindenverluste)

Die ausführliche Beschreibung des Praxisversuchs inkl. Abbildungen und Quellen finden Sie im vollständigen Artikel (PDF-Download).

Fazit: Nadelstarkholzbestände konsequent nutzen!

Die Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich, dass energische über die Fläche verteilte Nutzungen in Beständen von Nadelstarkholz besonders bei Fichte tendenziell die ZN-Nutzungen erhöhen. Es sind jedoch i. d. R. keine so massiven Schäden zu erwarten, dass es dadurch zu inakzeptablen Störungen geordneter Betriebsabläufe käme. Solche Befürchtungen der Praxis sind im Wesentlichen unbegründet.

Dies gilt auch für gelegentliche Sorgen bzgl. einer Gefährdung des Potenzials für Naturverjüngung durch beschleunigte Starkholznutzung. Bei normalen Verhältnissen ist bereits bei Verjüngungszeiträumen von (ein) bis zwei Jahrzehnten mit ausreichender Naturverjüngung zu rechnen. Gleiches gilt offensichtlich auch bei Tanne – sofern andere Störfaktoren wie z. B. übermäßiger Verbiss ausgeschlossen sind.

Einer konsequenten Nutzung von Nadelstarkholzbeständen innerhalb von ein bis zwei Jahrzehnten stehen damit aus waldbaulicher Sicht keine entscheidenden Einschränkungen entgegen. Ein zögerlicher Umgang mit Nadelstarkholzbeständen durchschnittlicher Holzqualitäten führt allein schon durch die anhaltende Dimensionszunahme zu so deutlichen Einbußen der Wertleistung, dass eine konsequente Nutzung solcher Bestände für ertragsorientierte Forstbetriebe zwingend notwendig ist.

Die Moral von der Geschicht´

  • Wem der Wert seiner Nadelholzbestände zu hoch ist, der kann mit zurückhaltender Nutzung starkholzhaltiger Bestände den vorhandenen Vermögenswert senken.
  • Wer aber waldbaulich unnötiger weiterer Entwertung vorbeugen und vermeiden will, dass die Bäume eines Bestandes oben noch dicker werden, der muss sie unten absägen. Keine neue Erkenntnis – trotzdem gern und oft ignoriert.