Sind Wuchshüllen wirklich die kostengünstigste Technik des Wildschutzes, die alle Alternativen in den Schatten stellt? Welches sind wichtige Einflussfaktoren auf die Gesamtkosten dieses Einzelschutzes? Der folgenden Artikel zeigt, dass sich diese Frage nicht ohne weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt.

Entscheidungshilfen für die Praxis

Wuchshüllen werden in der forstlichen Praxis nicht nur wegen ihrer fördernden Wirkung auf das Pflanzenwachstum, zum Schutz vor Mäuseschäden oder zwecks Verringerung des Kulturreinigungsaufwands verwendet, sondern auch als Wildschutzmaßnahme. Im Folgenden wird ein Kostenvergleich zwischen Wuchshüllen und den in der forstlichen Praxis von Baden-Württemberg gängigen Wildschutzalternativen wie Wildschutzzaun, Drahthose, mechanischem und chemischem Verbiss- und Fegeschutz geführt. Betrachtet werden dabei die jeweiligen Gesamtkosten (brutto) für Materialbeschaffung, Auf- und ggf. Abbau und Entsorgung. Darüber hinaus gehende Aspekte wie wachstumskundliche Einflussgrößen werden nicht in die Betrachtung einbezogen.

Grundlagen des Kostenvergleichs

Die Eingangsgrößen für den Kostenvergleich sind in Tab. 1 aufgeführt. Den Materialkosten von Wuchshülle und Akazienstab liegen die erzielten Preise der landesweiten Sammelbestellung von ForstBW aus dem Jahre 2012 zu Grunde. Infolge der Vielzahl der auf dem Markt angebotenen Produkte sind die verwendeten Stückpreise Durchschnittswerte, die je nach Typ, Anbieter und Bestellmenge variieren können.

Tab. 1: Eingangsgrößen für Kostenkalkulation von Wuchshüllen.

Zur Befestigung der Wuchshülle hat sich in der forstlichen Praxis der Akazienstab durchgesetzt. Der Tonkinstab aus Bambus zerbricht häufig schon beim Einschlagen und die Metallpfähle sind zwar stabil und wieder verwertbar, haben sich aber aufgrund der Unfallgefahr bei Stürzen bzw. bei der Freischneiderarbeit nicht bewährt. Der Aufbau der Wuchshülle wird mit 1,12 €/Stück kalkuliert (Lohnkostensatz für Forstwirte ForstBW 2012 von 33,41 €/Std, Stundenleistung von durchschnittlich 30 Stück/ha für Aufbau an Pflanze, Stab-Einschlag und Befestigung sowie Laufzeit zur nächsten Pflanze). Zeitaufwand bzw. Kosten für den Transport der Wuchshüllen vom Fahrweg auf die Fläche sind bei der Kalkulation nicht berücksichtigt.

Sofern Wuchshüllen nicht abgebaut werden müssen, entstehen Gesamtkosten von 2,77 €/Stück (Tab. 2). Sind jedoch die Wuchshüllen nach ca. 7 bis 10 Jahren abzubauen, so kostet dies im Mittel 1,25 € (1,00 bis 1,50 €)/Stück. Die Abbaukosten liegen über denen des Aufbaus, da der Zeitaufwand infolge der zwischenzeitlich gewachsenen Begleitvegetation auf der Fläche und der Größe der Pflanzen höher ist. Hinzu kommen die Entsorgungskosten. Sie werden beispielhaft mit 0,53 €/Wuchshülle angegeben. Sie setzen sich wie folgt zusammen: Mit 0,50 €/Wuchshülle werden die Transportkosten zur Deponie kalkuliert – ein durchschnittlicher Erfahrungswert, der in Abhängigkeit von der örtlichen Situation variieren kann.

Tab. 2: Herleitung der Kosten getrennt nach "mit Abbau" und "ohne Abbau".

Darüber hinaus können Entsorgungsgebühren anfallen. Beispielsweise berechnet der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald für die Entsorgung von 1 Tonne Polypropylen 192 €. Unter der Annahme eines durchschnittlichen Wuchshüllengewichts von 150 Gramm ergibt sich eine Gebühr von 0,03 €/Wuchshülle. Zu beachten ist ggf. die Erhebung von Mindestgebühren. In einigen Landkreisen wird dagegen auf die Erhebung von Entsorgungsgebühren verzichtet, da das Polypropylen einem Recycling zugeführt und vom Entsorgungsunternehmen kostenfrei übernommen wird.

In Summe entstehen somit für Abbau und Entsorgung Kosten in Höhe von 1,78 €/Wuchshülle, die zu Gesamtkosten (brutto) für die Wuchshülle (incl. Abbau und Entsorgung) von 4,55 € führen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit werden in den folgenden Kostenvergleichen mit alternativen Wildschutzmaßnahmen stets diese beiden Werte verwendet: Wuchshülle ohne Abbau: 2,77 €/Stück sowie für die Wuchshülle mit Abbau und Entsorgung: 4,55 €/Stück.

Wuchshülle versus Zaun

In der Forstwirtschaft sind 4 Zaunarten gebräuchlich: Hordengatter, Wanderzaun, Scherenzaun und Stützenzaun. Da der Stützenzaun die am weitesten verbreitete Zaunbauart in konventioneller Bauweise ist und mit 4.080 €/ha im Kostenvergleich eine mittlere Position einnimmt, wird er im Weiteren zum Kostenvergleich mit der Wuchshülle herangezogen. Die Gesamtkosten beinhalten Material-, Aufbau-, Abbau-, Wartungs- und Reparaturkosten. Sie gelten für die günstigste Flächenform des quadratischen Zauns mit 400 lfm Zaunmaterial. Die Kosten des Stützenzauns und der Wuchshülle differenzieren sich je nach "mit Abbau" und "ohne Abbau" sowie in Abhängigkeit von der geschützten Pflanzenzahl/Hektar (Tab. 1).

Wuchshüllen, die nicht abgebaut werden müssen, fallen bis zu einer zu schützenden Pflanzenzahl von unter 1.300 Stück/ha kostengünstiger als der Zaun aus und kommen somit bei stammzahlarmer Kulturbegründung wie z. B. mit Lärche, Douglasie oder Eichentrupppflanzungen in Frage. Bei notwendigem Abbau und Entsorgung der Wuchshülle ist der Zaun hingegen schon ab einer zu schützenden Pflanzenzahl von ca. 650 Stück/ha kostenmäßig der Wuchshülle überlegen. Dabei ist stets die konkrete Flächenform des Zaunes zu berücksichtigen.

Über den bloßen Kostenvergleich hinaus sind jedoch auch noch weitere Vorteile von Zäunung und auch von Wuchshüllen zu berücksichtigen, die ebenso kostenwirksam sein können: Im Falle des Zauns sind dies: Pflanzenzahlen/ha, Schutz auch der Begleitbaumarten. Im Falle der Wuchshülle: Pflanzenzahlen/ha, um 50 % reduzierter Kulturreinigungsaufwand, Wuchsbeschleunigung durch Wuchshülle sowie mehr Äsungsfläche. Eine abschließende betriebliche Entscheidung ist daher nur im Einzelfall vorzunehmen.

Wuchshülle und sonstiger Verbissschutz

Beim Kostenvergleich von Wuchshüllen mit verschiedenen Schutzmaßnahmen zum Einzelverbiss wie Kreppband bzw. Wolle, Drahthose, Spritzen, TS-Manschetten und Streichen kommt man zu folgendem Ergebnis: Wuchshüllen, die selbständig verrotten, sind in der Betrachtung einer 10jährigen Schutzdauer die kostengünstigste Variante unter den Verbissschutzmitteln (Tab. 3). Zusätzlich nehmen Modelle, die nicht selbstständig verrotten und daher abgebaut werden müssen, im Kostenvergleich eine mittlere Position ein (Tab. 4). Ihr Vorteil des verringerten Kulturreinigungsaufwandes und des besseren Wuchsklimas in der Hülle bleibt gegenüber Kreppband/Wolle und Drahthose bestehen.

Tab. 3: Kostenvergleich Wuchshülle (ohne Abbau und Entsorgung) mit Verbissschutzalternativen, Quelle: Wuchshülle aus eigenen Daten, übrige Daten KWF-Merkblatt Nr. 16/2010, 1. Auflage 2010.

Tab. 4: Kostenvergleich Wuchshülle (inkl. Abbau und Entsorgung) mit Verbissschutzalternativen, Quelle: Wuchshülle aus eigenen Daten, übrige Daten KWF-Merkblatt Nr. 16/2010, 1. Auflage 2010.

Etwaige Lohnkostensteigerungen für die Schutzdauer von 10 Jahren blieben in den Kalkulationen aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. Sie können allerdings zu Veränderungen in der Reihung der Schutzmaßnahmen führen.

Wuchshülle versus Fegeschutz

Wenn jedoch der Forstbetrieb für verbissunempfindliche und schnellwachsende Baumarten (z. B. Douglasie) ein probates Mittel zum alleinigen Fegeschutz sucht, dann ist die Wuchshülle nicht das Mittel der Wahl. Mit Tonkinstab, Fegeschutzspirale, Stachelbaum und Pfisterpfahl bestehen wesentlich kostengünstigere Alternativen. Die Vorteile des verringerten Kulturreinigungsaufwands und des besseren Wuchsklimas in der Hülle bleiben selbstverständlich bestehen.

Prüfung im Einzelfall notwendig

In Ableitung der bisher genannten Zusammenhänge sollte der Forstbetrieb vor einer Kulturbegründung oder Pflanzung folgende Kriterien prüfen und bewerten:

  • Wahl der Baumart und Pflanzensortimente anhand von Forsteinrichtungsplanung und örtlichen Standortsverhältnissen
  • Prüfung, ob Wildschutzmaßnahme erforderlich ist. Falls ja, welche? Flächen-, Verbiss-, Fegeschutz?
  • ·Begehung der Fläche und Prüfung potentieller Zaunform und -länge
  • Kostenkalkulation für Zaunbau
  • Variantenstudium und Kostenvergleich der Alternativen (s. Tabellen) inkl. weiterer Aspekte (s. o.)

Allerdings bedürfen noch zusätzliche Fragen der Klärung, da sie deutlichen Einfluss auf die Kostenstruktur und damit die Rangfolge der oben gezeigten Ergebnisse haben können. Dazu gehören beispielsweise, welche Baumarten sich grundsätzlich für Wuchshüllen eignen? Welche Kostenvorteile bringt die Verwendung kleinerer und damit preisgünstigerer Pflanzensortimente in Wuchshüllen, die ggf. auch kostengünstiger und wurzelschonender gepflanzt werden können? Wie sind die Effekte des Gewächshausklimas in der Wuchshülle und das schnellere Pflanzenwachstum monetär zu bewerten? Und auch: Wie ist bei selbständiger Verrottung der Wuchshüllen mit den am Standort verbleibenden Befestigungsstäben und Befestigungsmitteln (z. B. Kabelbinder) umzugehen?